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Griechenlands Schulden EU riskiert teilweisen Zahlungsausfall

Die Schuldenkrise zwingt die EU-Staatschefs zum Tabubruch: Griechenland soll seine Schulden mit einem Anleihe-Rückkauf zum halben Preis loswerden. Folge: ein "teilweiser Zahlungsausfall".
Von Peter Ehrlich, Brüssel, und Doris Grass, Frankfurt

Die Finanzminister der Euro-Zone brechen angesichts der sich ausweitenden Schuldenkrise im Euro-Raum Tabus. Die griechischen Schulden sollen nach Angaben aus der Euro-Gruppe mithilfe eines groß angelegten Rückkaufs von Anleihen zum Dumpingpreis reduziert werden.

Damit soll gewährleistet werden, dass Griechenland unter seinen Schulden nicht zusammenbricht. Dafür wollen die Euro-Retter eine Einstufung des Landes mit dem Rating "teilweiser Zahlungsausfall" in Kauf nehmen - auch gegen den Widerstand der Europäischen Zentralbank (EZB).

Bislang hatte eine Lösung ohne Zustimmung der EZB bei den Finanzpolitikern der Euro-Zone als undenkbar gegolten. Doch nun zwingt die dramatische Situation der Krisenländer offenbar zu radikalen Schritten.

EFSF soll flexibler werden

Die Euro-Gruppe erklärte in der Nacht zum Dienstag, angesichts der Ansteckungsgefahr für andere Staaten würden "Flexibilität und Umfang" des Rettungsfonds EFSF erweitert. Nach Angaben aus Kommissions- und Regierungskreisen konzentrieren sich die Überlegungen auf den Rückkauf von Anleihen durch die griechische Regierung.

Das Geld dafür würde sie vom EFSF erhalten - weshalb das geplante zweite Griechenland-Paket größer als die bisher geplanten bis zu 115 Milliarden Euro ausfallen soll. "Da muss mehr Geld auf den Tisch", hieß es in EU-Kreisen. Nach Informationen der Financial Times Deutschland (FTD) sieht das diskutierte Konzept vor, dass Griechenland bei Rücknahme der Anleihen im Durchschnitt nur 50 Prozent ihres Nominalwerts bezahlt. Dies wäre eine Art freiwilliger Schuldenschnitt. Er würde bisherige Konzepte zur Beteiligung privater Gläubiger ersetzen.

Zusätzliche Stütze der Banken

Eine Mehrheit der Euro-Staaten ist bereit, dafür eine zumindest zeitweilige Einstufung der Anleihen als "teilweiser Zahlungsausfall" hinzunehmen. Dies werde "nicht mehr ausgeschlossen", sagte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager. Dagegen protestiert die EZB, deren Haltung aber von der Euro-Gruppe nicht mehr akzeptiert wurde.

Die Minister kalkulieren bereits ein, dass wegen des Zahlungsausfalls eine zusätzliche Stützung der griechischen Banken nötig ist. Sie haben viele Griechen-Bonds in ihren Büchern und müssten deren Wertverlust abschreiben. Dies könne im Hilfspaket ebenfalls berücksichtigt werden, hieß es.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die "Schuldentragfähigkeit" Griechenlands müsse wiederhergestellt werden. Das Defizit soll durch den Anleiherückkauf den Informationen zufolge von derzeit über 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf etwa 120 Prozent gedrückt werden. Dies entspricht einer Verringerung um rund 70 Milliarden Euro. Um dieses Ziel nur mit der freiwilligen Rückkaufaktion zu erreichen, müssten Papiere im Wert von 140 Milliarden Euro eingelöst werden. Zur Verringerung der Gesamtverschuldung sollen auch die geplanten Privatisierungen beitragen.

Berlusconi will Sparpaket durchpeitschen

Italien versuchte derweil, Märkte und Politik zu beruhigen. "Die Krise zwingt uns zur Eile", sagte Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Bis Freitag will er das umstrittene Milliardensparpaket durchs Parlament bringen.

Weil die EU-Politiker zunächst keine Details zu ihren Griechenland-Plänen nannten, reagierten Investoren verstört. Der DAX rutschte bei hohen Umsätzen zeitweise um mehr als drei Prozent unter die Marke von 7000 Punkten, Italiens MIB 30 sackte in der Spitze um 4,8 Prozent ab. Bis zum Handelsschluss erholten sich beide Indizes. Der deutsche Leitindex ging um 0,8 Prozent niedriger aus dem Handel, der MIB um 1,2 Prozent höher.

Der FTSE-Index für alle italienischen Bankaktien schwankte im Handelsverlauf um über elf Prozent. Auch der Euro ging in der Spitze um mehr als 2 Cent zurück, bevor er sich später wieder erholte. Die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen stieg zeitweise erstmals seit 1997 auf über sechs Prozent, fiel bis zum Abend aber wieder auf 5,57 Prozent.

FTD

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