Die Infineon-Affäre schwelt schon seit Monaten, mit dem Rücktritt Andreas von Zitzewitzs am Samstagabend erreichte sie einen ersten Höhepunkt. Am Montag erklärte dann die Staatsanwaltschaft, der Verdacht habe sich erhärtet, dass der Vorstand 259.000 Euro Schmiergeld bei der Vermittlung von Sponsoring-Verträgen eingesteckt hat. Neu ist, dass jetzt auch der Aufsichtsrat vermehrt in die Kritik gerät: "Der Aufsichtsratsvorsitzende Max Dietrich Kley hat das ganze unter den Teppich gekehrt", meint ein Kenner des Unternehmens. Infineon-Experte Wolfgang Müller von der IG Metall kritisiert: "Man hat den Eindruck, dass die interne Kontrolle nicht funktioniert." Die Hinweise seien offenbar früh genug da gewesen, es sei schleierhaft, warum der Konzern nicht reagiert habe.
Kley kannte Vorwürfe seit über einem Jahr
Kley räumt zwar ein, dass die Schmiergeld-Vorwürfe gegen den zurückgetretenen Vorstand Andreas von Zitzewitz bereits seit mehr als einem Jahr bekannt sind, wehrt sich aber gegen den Vorwurf, den Skandal unter den Teppich gekehrt zu haben. Der Aufsichtsrat habe sofort sowohl intern als auch durch Externe Ermittlungen eingeleitet. Die Untersuchungen hätten aber keine Belege für die Richtigkeit der Anschuldigungen ergeben. "Solange keine Belege für die Richtigkeit der Behauptungen gegen Herrn Dr. von Zitzewitz vorgelegt wurden, und auch die internen Untersuchungen nichts ergeben haben, konnte der Aufsichtsrat nur zu Gunsten des Beschuldigten entscheiden", betont Kley.
Angesichts der hohen Vorstandsgehälter bei Infineon sei die Schmiergeldsumme vergleichsweise klein, so Müller. Wenn sich die Vorwürfe tatsächlich bewahrheiten sollten, gelte daher: "Wie man so gierig sein kann, das Taschengeld dann auch noch mitzunehmen, das ist schon obszön." Ungewöhnlich ist laut Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz allerdings, wenn sich im Falle von Infineon ein Vorstandsmitglied eines großen deutschen Unternehmens persönlich bereichert haben sollte. Bisher ist nach Wissen des Aktionärsschützers noch kein ähnlicher Fall im Deutschen Aktienindex DAX bekannt geworden.
Provision oder Schmiergeld?
Die Wurzeln der Korruptionsaffäre reichen weit zurück und berühren fast alle Themen, die Infineon zu einem der schillerndsten Unternehmen im DAX gemacht haben: Den Rausschmiss des früheren Vorstandschefs Ulrich Schumacher im vergangenen Jahr, die Intrigen, die dazu geführt haben sollen und das Motorsport-Engagement des Konzerns, das vor allem als Hobby Schumachers angesehen wurde.
"Wenn es auf Vorstandebene überhaupt zu kriminellen Handlungen kommt - was Gott seit dank sehr selten der Fall ist - dann geht es in der Regel um Bilanzmanipulation", fasst Kurz seine Erfahrungen zusammen. Diese entsteht meist aus der Not, dass das Unternehmen nicht mehr die erwarteten Zahlen bringt. Vor allem bei Fällen, wo es um persönliche Bereicherung einzelner gehe, wie es sich bei Infineon abzuzeichnen scheine, könnten mit überraschenden internen Prüfungen dunkle Machenschaften erschwert werden. "Wer Scheinfirmen gründet oder Luftbuchungen macht, muss sich sicher sein, dass es keine Kontrollen gibt", erläutert Kurz.
Schweizer brachte die Affäre ins Rollen
Ins Rollen gebracht hat die Affäre Udo Schneider, Betreiber der Schweizer Sponsoring-Agentur BF Consulting. Schneider berichtete Anfang des Jahres bei einer Verhandlung vor dem Münchner Landgericht von Zahlungen an Zitzewitz. Das sollen keine Schmiergelder, sondern übliche Provisionszahlungen gewesen sein. Allerdings könne er natürlich nicht einschätzen, ob der jeweilige Empfänger berechtigt gewesen war, derartige Zahlungen entgegenzunehmen, fügt Schneider hinzu.
In Branchenkreisen wird verbreitet, dass sich Schneider schon im April 2004 an Schumacher gewandt habe, weil ihm die Sache zu heiß geworden sei. Schumacher habe dann sofort Kley kontaktiert und ihm die Angelegenheit übergeben. Dieser habe aber nicht wirklich etwas unternommen. Als Schumacher abgesägt wurde, habe Kley vielmehr die Unterstützung Zitzewitzs gebraucht. Kley führte das Unternehmen nach dem Rausschmiss Schumachers fünf Monate lang kommissarisch selbst.
Ex-Chef Schumacher hat mit Infineon abgeschlossen
Die Staatsanwaltschaft wollte im Rahmen ihrer Ermittlungen als Zeugen auch Schumacher befragen. "Er konnte aber nicht vernommen werden, da er sich in Urlaub befand", erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld. Aus dem Umfeld Schumachers heißt es, dieser sei eher verärgert, dass sein Name nun im Zusammenhang mit der Affäre auftauche. Das Kapitel Infineon sei für ihn abgeschlossen.