Intern hieß das Dokument "Das Ernussbutter-Manifest": Auf vier Seiten hatte der Yahoo-Manager Brad Garlinghouse Mitte November ausgebreitet, warum die Firma im Vergleich mit ihren Rivalen, vor allem Google, in letzter Zeit deutlich zurückgefallen ist. Yahoo habe zu viele Abteilungen, zu viele Dienste, versuche zu viel auf einmal, schrieb der Vizepräsident des Internetportals in seinem Memo, das als Weckruf gedacht war und schnell nach außen drang. Der Effekt sei der gleiche wie bei Schmieren eines Butterbrots mit zu wenig Erdnussbutter: eine "dünne Schicht" mit zu wenig Nährwert. "Wir konzentrieren uns auf nichts vernünftig", schalt Garlinghouse und forderte eine radikale Wende. "Die derzeitige Struktur muss weg", schrieb er, "Köpfe müssen rollen".
Bei Yahoo schlägt die Guillotine zu
Genau das ist jetzt passiert. Mehreren Topmanagern hat Yahoo-Chef Terry Semel den Weg zur Tür gewiesen, und die Geschäfte werden künftig unter dem Dach von nur noch drei Abteilungen gebündelt: Eine soll sich um die Nutzer kümmern, eine andere um die Werbekunden und die dritte um neue Technologien. "Das Internet wächst und wandelt sich in rasanter Geschwindigkeit, und wir verändern Yahoo, sodass die Firma weiterhin an der Spitze bleiben kann", ließ Semel in einer Mitteilung verlauten.
Der 64-Jährige, der früher das Hollywood-Studio Warner Bros. leitete, ist in den vergangenen Monaten zunehmend unter Druck geraten, weil Yahoo im Wettrennen um Werbedollars immer weiter hinter Google zurückbleibt. Im vergangenen Quartal nahm der Suchmaschinenriese 2,7 Milliarden Dollar ein (etwa 2 Milliarden Euro), vorwiegend durch Textanzeigen. Yahoo dagegen verbuchte vergleichsweise kümmerliche 1,6 Milliarden Dollar. Obendrein verleibte Google sich den populären Videodienst YouTube ein, mit dem auch Yahoo verhandelt hatte - eine Schlappe, die wehtat.
Trotz Popularität sinkt der Aktienkurs
Zwar darf der lila-gelbe Internet-Pionier sich damit brüsten, mit über 400 Millionen Nutzern das größte Portal im WWW zu sein. Dienste wie Yahoo Mail, Yahoo Groups und die Foto-Community Flickr gehören zu den populärsten Angeboten im Internet. Doch den Anlegern an der Wall Street reicht das nicht. Sie ließen die Yahoo-Aktie in diesem Jahr um über 30 Prozent in den Keller sausen.
Gehen müssen nun die Chefs für das operative und das internationale Geschäft, Dan Rosensweig und John Marcom, sowie der Leiter der Yahoo Media Group, Lloyd Braun - ein ehemaliger Fernsehmann, der beim Sender ABC die Hitserie "Lost" mit entwickelte. Yahoos einst hochfliegende Pläne, ähnliche Unterhaltungsshows, wenn auch in klein, fürs Internet zu entwickeln, dürften mit Brauns Abgang vom Tisch sein.
Yahoo hat einen deutschen Gewinner
Unter den Gewinnern des Stühlerückens befindet sich, neben der Finanzchefin Susan Decker, die bereits als potenzielle Yahoo-Chefin in spe gehandelt wird, auch der Deutsche Marco Börries. Der 38-Jährige, bisher Präsident der Abteilung "Connected Life", werde in Zukunft "mehr Verantwortung" in der Firma übernehmen, sagte Terry Semel der New York Times. Börries selbst sieht seine Rolle ebenfalls wachsen. Die "Connected Life"-Abteilung werde in Zukunft "noch wichtiger für Yahoo", sagte er gegenüber stern.de. Börries hatte Anfang vorigen Jahres seine Firma Verdisoft an Yahoo verkauft und ist seitdem zuständig für "Yahoo Go", eine Software, mit der die Internetfirma ihre diversen Dienste auch auf Mobiltelefonen und Wohnzimmer-PCs anbieten will.
Was nun aus Brad Garlinghouse wird, dem Autor des "Erdnussbutter-Manifests", ist noch unklar. Yahoo hielt sich zu der Frage gestern bedeckt. Aber er dürfte sein Ziel erreicht haben: "Hört auf, Erdnussbutter zu essen", forderte Garlinghouse in seinem Memo. "Ich hasse Erdnussbutter. Das sollte uns allen genauso gehen." Nun hat die Firma, im übertragenen Sinne, tatsächlich ihren Appetit darauf verloren.