Jean-Francois Dehecq ist quasi über Nacht zum Feindbild Nummer eins für den Standort Deutschland geworden. Der bullige Chef des französischen Pharmakonzerns Sanofi-Synthelabo bemühte sich nach seinem spektakulären Übernahmeangebot für Aventis denn auch sogleich, Sorgen vor einem sozialen Kahlschlag am Hoechst-Traditionsstandort in Frankfurt am Main zu zerstreuen. Bei den französischen Gewerkschaften genießt der 64-jährige Selfmade-Manager einen guten Ruf, wie Serge Doucet von der CFDT bestätigt.
Ex-Mathematiklehrer
Der 1,97-Meter-Hüne ist ein untypischer französischer Wirtschaftsführer. Der frühere Mathematiklehrer verdankt seinen Posten nicht dem Diplom einer Elitehochschule, sondern hat praktisch seine ganze Karriere bei Sanofi gemacht, das er in drei Jahrzehnten mit 300 Aufkäufen und Fusion von einem mittelständischen Unternehmen zum Weltunternehmen der Pharmabranche machte. Der letzte große Coup gelang ihm 1999 mit der Verschmelzung von Sanofi und der L'Oreal-Tochter Synthelabo.
"Sozialer Dialog und Paternalismus"
Auch dabei habe Dehecq große Arbeitsplatzverluste und brutalen Sozialabbau vermieden, sagt Doucet. Das Pariser Wirtschaftsblatt 'Les Echos' bescheinigt ihm eine "erstaunliche Mischung aus sozialem Dialog und Paternalismus". CFDT-Gewerkschafter Doucet schätzt seine direkte Art und seine offene Sprache, doch sind auch Dehecqs Wutausbrüche bei den Mitarbeitern berühmt und gefürchtet.
Mit Rückendeckung seiner Hauptaktionäre Total und L'Oreal habe der hemdsärmelige Manager ein kernfranzösisches Unternehmen geschaffen, notierte 'Liberation'. Der Boss, dem Nähe zu Staatspräsident Jacques Chirac nachgesagt wird, trage "blau-weiß-rote Socken", zitiert das Blatt einen Gewerkschafter. Die Furcht vor einer feindlichen Übernahme seines Lebenswerks trieb Dehecq letzte Woche zur Flucht nach vorn. Für 48 Milliarden Euro will er den doppelt so großen Konkurrenten Aventis schlucken.
Er scheint sich seiner Sache sicher zu sein
Gewinnt Dehecq den Kampf David gegen Goliath, rückt der Sohn eines Bankangestellten aus dem westfranzösischen Nantes an die Spitze des weltweit drittgrößten Pharmakonzerns mit 100.000 Beschäftigten auf. Offenbar scheint er seiner Sache sicher zu sein. Denn nach Angaben der Gewerkschaften wurde bereits letzte Woche eine Sanofi-Fabrik in der Normandie mit 700 Beschäftigten zum Kauf ausgeschrieben, wo ein ähnliches Medikament wie der Aventis-Bestseller Lovenox hergestellt wird.
Er sei über dieses Vorgehen Dehecqs überrascht und enttäuscht gewesen, sagt Doucet. Auch der Frontalangriff auf Aventis hat die Arbeitnehmervertreter geschockt und Zweifel an der Sozialpartnerschaft geweckt. Die CFDT und die IG Bergbau, Chemie, Energie verabschiedeten eine gemeinsame Resolution gegen die geplante feindliche Übernahme.