Wenn über das Rentenalter gesprochen wird, kennt die Diskussion normalerweise nur eine Richtung: nach oben. In Frankreich möchte Präsident Emmanuel Macron das Einstiegsalter von 62 auf 64 Jahre anheben. In Deutschland geht man noch später in Rente, teilweise wird sogar eine Anhebung auf 70 Jahre ins Gespräch gebracht.
In der Türkei hingegen zeigt der Trend in die genau entgegengesetzte Richtung. Dort hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan angekündigt, das Rentenalter gleich komplett abzuschaffen. Dieses lag bisher für Frauen bei 58 Jahren und für Männer bei 60 Jahren. Stattdessen ist nun die gearbeitete Zeit maßgeblich: Wer 7200 Tage in seinem Leben gearbeitet hat, darf in Rente gehen. Erdoğan hatte die Pläne bereits Ende Dezember auf einer Pressekonferenz vorgestellt, noch im Januar soll darüber im Parlament abgestimmt werden. Die Zustimmung gilt jedoch als nahezu sicher.
Türkei: Ruhestand mit Mitte 40 möglich
Die Regelung soll für Menschen gelten, die vor September 1999 angefangen haben zu arbeiten und 20 bis 25 Jahre lang einer sozialversicherungspflichtigen Berufstätigkeit nachgegangen sind. Staatsbedienstete sowie Selbstständige müssen 9000 Arbeitstage vorweisen. Da viele Türkinnen und Türken schon im jungen Alter gearbeitet haben, winkt einigen nun sogar der Ruhestand mit Mitte 40.
Eine Frau, die seit ihrem 16. Lebensjahr arbeitet, sagte der "Tagesschau": "Zugegeben: Mit 43 in Rente zu gehen, das ist früh. Aber es ist in diesem Land besonders für arbeitende Mütter unheimlich anstrengend." Ein 49-jähriger Türke erklärte: "Eigentlich ist es mit 49 Jahren noch zu früh. Aber wenn der Staat einem diese Möglichkeit bietet, sollte man sie auch in Anspruch nehmen, nicht wahr?"
Sieben Fragen, die sich jeder vor der Rente stellen muss

Das Alter beginnt nicht irgendwann. Es hat längst begonnen. Sie werden eines Tages mit großer Wahrscheinlichkeit Hilfe benötigen. Und ganz sicher irgendwann sterben. Auch wenn Sie jetzt nichts davon hören wollen. Sie können unmöglich für jeden Fall des Lebens schon heute gerüstet sein. Aber Sie und Ihre Familie können sich gedanklich vorbereiten. Kinder überlegen, was sie für ihre Eltern leisten können und leisten wollen. Eltern überlegen, wo, wie und mit wem sie alt werden möchten. Was ist für mich unerlässlich? Wobei würde ich Zugeständnisse machen? Kann ich das, was ich will, auch bezahlen?
Wahlgeschenk von Erdoğan
Etwa zwei Millionen Menschen sollen durch die Aufhebung des Renteneintrittsalters sofort in Ruhestand gehen können. Allerdings: Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage im Land und der hohen Inflation dürfte die Rente für die meisten nicht zum Leben ausreichen, viele müssten trotzdem weiter arbeiten gehen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Kritiker:innen werfen Präsident Erdoğan vor, die Sofortrente als Wahlgeschenk vor den Wahlen im Sommer zu missbrauchen. Laut "Bloomberg" sollen die Kosten für den türkischen Staat umgerechnet etwa 12,5 Milliarden Euro betragen. Zudem zahlen die Arbeitnehmer:innen, die nun auf einen Schlag in Rente gehen, nicht mehr in die Sozialversicherungssysteme ein. Das könnte für kommende Generationen ein großes Loch in die Rentenkasse reißen. "Es ist nicht klar, wie die Reform langfristig finanziert werden soll", sagte der Sozialpolitik-Forscher Kerem Gabriel Öktem von der Uni Bremen dem "Focus".
Quellen: "Tagesschau" / "Focus" / "Bloomberg"

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