Berlin geht in der Wohnungspolitik neue Wege und will als erstes Bundesland einen staatlichen Mietenstopp einführen. Der rot-rot-grüne Senat brachte am Dienstag ein Gesetz für einen Mietendeckel auf den Weg. Darin ist vorgesehen, die Mieten für 1,5 Millionen vor dem Jahr 2014 gebaute Wohnungen fünf Jahre auf dem Stand von Mitte 2019 einzufrieren.
Hintergrund sind die Wohnkosten in der Hauptstadt, die in den vergangenen Jahren stärker als anderswo in Deutschland gestiegen sind. Opposition und Immobilienwirtschaft laufen Sturm gegen das Vorhaben. Die Kritiker befürchten unter anderem negative Auswirkungen auf den Wohnungsbau und auf Investitionen etwa in die Modernisierung. Auch die Presse sieht das Berliner Modell überwiegend sehr kritisch – hier Auszüge aus Kommentaren in deutschen und ausländischen Medien.

So kommentieren deutsche Zeitungen den Mietendeckel ...
"Berliner Morgenpost": "Der rot-rot-grüne Senat jubelt und feiert sich, die Wirtschaft und die Opposition laufen, gelinde gesagt, Sturm gegen den Mietendeckel. Man fragt sich, ob die Politiker von Rot-Rot-Grün in einer anderen Welt, in einer anderen Stadt leben - oder nur noch mit den Mietervertretungen sprechen. Alle Warnungen aus der Wirtschaft, auch von den Wohnungsbaugenossenschaften wurden und werden ignoriert. Alle Warnungen von Rechtsexperten wurden und werden ignoriert. Die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK), Beatrice Kramm bezeichnete den Mietendeckel am Dienstag als "Gift für den Wirtschaftsstandort Berlin". Und forderte das Abgeordnetenhaus dringend auf, dem Mietendeckel-Gesetz nicht zuzustimmen. Sie hofft, wie viele andere, auf einen Sieg der Vernunft. Eine Hoffnung, die bei diesem Senat vergeblich ist."
"Volksstimme" (Magdeburg): "Berlin hat seinen Mietendeckel. Die Mieten steigen die nächsten fünf Jahre gar nicht mehr und sowieso nicht über die Obergrenze von 9,80 Euro kalt. Modernisierung darf maximal mit einem Euro pro Quadratmeter auf die Miete umgelegt werden. Klingt alles super. Trotzdem taugt das Konzept wohl nur bedingt zur Nachahmung in anderen Städten. Denn das gut gemeinte System hat einen entscheidenden Fehler. Weniger Rendite bedeutet, dass die meisten Eigentümer nur noch in das Notwendigste investieren. So verschlechtert sich die Wohnqualität mittelfristig und flächendeckend. Experten befürchten zudem, dass für hochwertige Wohnungen ein Schwarzmarkt außerhalb jeder Deckelung entsteht: Interessenten wollen die Wohnungen, Vermieter das Geld. Schlupflöcher finden sich immer."
"Frankfurter Rundschau": "Der nun beschlossene Gesetzentwurf ist allerdings höchst problematisch. Ein Mietenstopp, das zeigen Erfahrungen aus aller Welt, führt zu massiven Verwerfungen auf dem Mietwohnungsmarkt. Investoren ziehen sich zurück, Neubau fällt aus und der Wohnungsbestand verfällt. Die strikten Regelungen werden durch Schattenmärkte oder Umgehungsstrategien ausgehebelt. Außerdem: Das Gesetz steht rechtlich auf so wackeligen Füßen, dass sich kein Mieter darauf verlassen kann. Und wenn das Gesetz in fünf Jahren ausläuft, werden die Mieten voraussichtlich explodieren. Richtig ist, Wuchermieten zu senken und Erhöhungen bei Neuvermietung zu verhindern. Abzocke darf nicht geduldet werden. Solange die öffentliche Hand aber nicht selbst für genug Wohnraum sorgt, braucht sie - faire - private Investoren. Sie aber in Bausch und Bogen zu verteufeln und ihre Rendite auf null drücken zu wollen, führt zum Fiasko."
... und das sagen Medien im Ausland
"NZZ" (Zürich): "Welcher Investor will in einer Stadt Wohnungen bauen, in welcher der Staat Mieten deckelt und senkt, in der niemand weiß, wie es in fünf Jahren weitergeht, und in der ein Volksbegehren als nächsten Schritt die Enteignung großer Wohnungskonzerne fordert? (...)
Alles in allem droht der Mietendeckel damit die Lage am Wohnungsmarkt für Neumieter zu verschärfen, was nicht nur der Wirtschaft und dem Standort schadet, sondern auch unsozial ist. Dies verwundert gerade in Berlin, hat doch der Osten der Stadt bis zum Mauerfall die Folgen von extrem eingefrorenen Mieten und planwirtschaftlichem Wohnungswesen hautnah erlebt: jahrelanges Warten auf eine Wohnung, heruntergekommene Bausubstanz, Schwarzmärkte."
"Hospodarske noviny" (Prag): "Die Mieten zu regulieren, ist keine gute langfristige Lösung der Wohnungskrise. In einer Zeit akuter Wohnungsnot, in der sich nicht nur Berlin, sondern etwa auch Prag befindet, ist es indes die einzig mögliche wirksame Maßnahme. Beide Städte leiden unter einem Zufluss an Einwohnern. Berlin wächst jedes Jahr um 40.000 bis 50.000 Menschen, und der Bau neuer Wohnungen hält mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt. (...) Man mag Berlin für seine linksgerichtete Wohnungspolitik kritisieren, doch die deutsche Hauptstadt versucht wenigstens, das Problem kurzfristig zu lösen. In Prag redet die Stadtverwaltung nur, hat aber nichts anzubieten. Daher gilt, dass es besser ist, die Mieten zu regulieren, als viele Worte zu verlieren, die zu nichts führen."