Herr Scheer, was halten Sie von dem Bahn-Holdingmodell, das Finanzminister Steinbrück vorgelegt hat, wonach sich private Geldgeber bis zu 49,9 Prozent am Fern-, Regional- und Güterverkehr beteiligen können, nicht aber an der Infrastruktur von Schienennetz und Bahnhöfen?
Dass die Beteiligung von Privatkapital an der Infrastruktur bereits ausgeschlossen ist, ist ein positives Ergebnis unserer bisherigen Bemühungen. Die Bahn ist ein Daseins-Vorsorgeunternehmen, das dem Kapital nicht ausgeliefert werden kann.
Trotzdem ist da noch die Frage der Beteiligung privater Geldgeber am Schienenverkehr.
Ein Problem bleibt: Trotz des vom Grundgesetz genau so geschützten Daseins-Vorsorge-Prinzips soll der Personenverkehr Teil der Privatisierung werden. An dieser Stelle muss es noch Diskussionen geben. Dazu gibt es eine Alternative von uns aus.
Welche?
Im Kern geht sie in die Richtung eines Drei-Säulen-Modells anstatt eines Zwei-Säulen-Modells.
Geht das genauer?
Der Alternativvorschlag wird sich im Wesentlichen auf die Logistik-Sparte der Bahn konzentrieren.
Noch genauer?
Säule eins ist die völlige Verhinderung von privatem Kapital auf die Infrastruktur, damit die nicht zum Ausverkauf kommt. Säule zwei: Man könnte in den anderen Bahnbereichen stimmrechtslose Volksaktien für privates Kapital erlauben, wen man beim Zwei-Säulen-Modell bleiben will. Oder man unterscheidet noch einmal zwischen Personenverkehr einerseits und der Logistik-Sparte andererseits. Die dritte Säule wäre: Privates Kapital würde in der Logistik akzeptiert und auch beim Personenverkehr, dort allerdings unter der Bedingung einer stimmrechtslosen Volksaktie. Das wäre zu vereinbaren mit den beschlossenen Grundsätzen unseres Parteitages.
Könnte das Bahnmodell der Teilprivatisierung Steinbrücks ohne Einverständnis der SPD-Basis nicht doch noch auf einem Sonderparteitag durchgesetzt werden?
Der SPD-Parteitag hat ja mit überragender Mehrheit den Einfluss von privaten Rendite-Interessen auf die Bahn abgelehnt. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Sonderparteitag, wenn es dazu kommt, eine andere Auffassung beschließen könnte. Es wird aber zu einem solchen Parteitag nicht kommen, wenn es vorher eine konstruktive Lösung gibt, wie ich sie skizziert habe.
Der SPD-Parteitag hat der Beteiligung privater Investoren nur für den Fall der stimmrechtslosen Vorzugsaktie zugestimmt. Ist das noch aktuell?
Im Prinzip ja. Aber wenn dem Einfluss privater Geldgeber in Bezug auf die Daseinsfürsorge auf anderem Wege ein Riegel vorgeschoben wird, dann steht dies im Einklang mit dem Parteitagsbeschluss.
Ist Ihnen bewusst, dass ein Scheitern der Bahnpläne vor allem als Niederlage von SPD-Chef Beck ausgelegt würde?
Das sehe ich nicht. Kurt Beck hat sich bisher in der Bewertung der vorliegenden Vorschläge zur Bahn zurückgehalten. Das ist auch richtig so. Er macht damit den Versuch, ein Konzept zu erreichen, das dem Willen des Parteitags tatsächlich entspricht.
Es gibt die Forderung, Bahnchef Mehdorn soll die gewinnbringende Logistiksparte wieder verkaufen und das Geld in die Sanierung der Bahn stecken.
Das ist ein überlegenswerter Ansatz. Er könnte allerdings jetzt nicht mehr aktuell sein, weil ihn das Drei-Säulen-Modell abdeckt.