Aus Protest gegen die Schließung des Nokia-Werkes in Bochum wollen mehrere Politiker einem Zeitungsbericht zufolge ihre Nokia-Handys zurückgeben. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte der "Bild"-Zeitung: "Was Nokia in Bochum vorhat, ist eine Riesensauerei. Ich habe heute mein Büro gebeten, mir ein anderes Handy zu besorgen." Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) will dem Bericht zufolge sein privates Nokia-Handy zurückgeben und lässt für sein Ministerium prüfen, ob ein Boykott des Handy-Herstellers zulässig sei.
"Ich habe den Leiter unserer Zentralabteilung angewiesen zu schauen, ob und unter welchen Bedingungen wir bei Nokia aussteigen können", zitierte das Blatt Seehofer. Als Grund nannte er Solidarität gegenüber den Nokia-Mitarbeitern und ihren Familien. "Das Verhalten der Nokia-Manager erzürnt mich", sagte Seehofer der Zeitung.
Nokia-Entscheidung ein "Überfallkommando"
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat dem finnischen Handy-Konzern Nokia "Karawanen-Kapitalismus" vorgeworfen. Damit untergrabe Nokia das Vertrauen der Menschen in die soziale Marktwirtschaft, sagte Steinbrück im Deutschlandfunk. Die Schließung in Bochum sei aber wohl nicht mehr zu verhindern: "Ich glaube, man sollte da keine falschen Hoffnungen wecken oder entstehen lassen."
Die Argumente von Nokia seien nicht überzeugend. Man könne nicht auf zu hohe Lohnkosten verweisen, wenn deren Anteil an den Gesamtkosten unter fünf Prozent liege. Ihn habe "die Plötzlichkeit" und das "Überfallkommando" bei der Nokia-Entscheidung empört. Unter dem Strich sei Deutschland aber ein Gewinner der Globalisierung.
Scharfe Kritik äußerten auch Steinbrücks Kollegen von der Union. Bundeswirtschaftsminister Glos sagte in einem Interview, die Vorgehensweise des Mobilfunkkonzernes befremde ihn. Sein Parteikollege Stoiber und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers fanden ebenfall harsche Worte.
Nokia hatte diese Woche überraschend die Schließung des Werks mit rund 2300 fest angestellten Mitarbeitern zur Jahresmitte bekannt gegeben. Nokia will aus Kostengründen die Produktion nach Rumänien, zum Teil auch nach Ungarn und Finnland verlagern.
Kehrseite der Globalisierung
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos sieht die Abwanderung von Nokia aus Bochum als Kehrseite der Globalisierung. "Deutschland profitiert sehr stark von der Globalisierung. Wir haben aber auch die weniger schönen Seiten der Globalisierung zu ertragen", sagte der CSU-Politiker dem "Hamburger Abendblatt". "Dazu gehört die Tatsache, dass Nokia sich entschließt, die gesamte Handyfertigung in ein Land mit niedrigeren Löhnen zu verlegen." Dies könne man sehr schwer aufhalten, da es sich um eine unternehmerische Entscheidung handele. "Was mich befremdet, ist die Vorgehensweise, dass man plötzlich über Nacht die Zukunftshoffnungen vieler Menschen zerstört, ohne vorher Alternativen anzubieten."
Glos' Staatssekretär Hartmut Schauerte mahnte eine Versachlichung der Debatte an. In einem Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, es wäre nach jetzigem Sachstand falsch, den Eindruck zu vermitteln, es liege "Subventionsabzocke" vor. Hierfür gebe es keine Anzeichen. Nokia habe sich offenbar an die Bedingungen gehalten, von denen die öffentlichen Fördergelder abhängig gemacht worden seien. Lediglich ob die zugesagte Zahl neuer Arbeitsplätze geschaffen worden sei, werde noch geprüft. Bei einem Spitzengespräch mit der Nokia-Führung werde noch in dieser Woche eine weitere Klärung erfolgen.
NRW will 41 Millionen Euro zurück
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will weiter für die Arbeitsplätze kämpfen. "Dazu sollen Gespräche mit Nokia stattfinden," sagte der CDU-Politiker den Dortmunder "Ruhr Nachrichte". "Wir wollen zunächst wissen, warum die Geschäftsführung nicht das Angebot der Belegschaft annimmt, Kosten zu senken." Angesichts der Vorgänge in Bochum frage er sich, wo dabei die unternehmerische Ethik bleibe.
Nordrhein-Westfalen könnte von dem finnischen Handy-Produzenten Nokia rund 41 Millionen Euro Staatshilfen nach einer Schließung des Bochumer Werkes zurückfordern. Die Subventionen seien an die Zusage gebunden gewesen, dass dort 2800 Menschen beschäftigt würden, sagte Wirtschaftsministerin Christa Thoben. Nokia-Deutschlandschef Klaus Goll hatte bestätigt, dass die Hilfen unter anderem an die Bedingung geknüpft gewesen seien, Arbeitsplätze zu schaffen. Diese hätten aber nur bis September 2006 erhalten werden müssen.
Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, forderte sogar, alle Subventionen innerhalb der EU abzuschaffen. "Es ist ein Hohn, dass mit Steuergeldern aus Bochum Konkurrenzbetriebe aus anderen Ländern subventioniert werden", sagte er zur geplanten Schließung des Nokia-Werkes in Bochum dem "Hamburger Abendblatt"