MWC 2023 Die größte Handy-Messe der Welt zeigt: Dem Smartphone fällt kaum noch was ein

Besucher auf dem Mobile World Congress
Besucher auf dem Mobile World Congress
© ZUMA Wire / Imago Images
Der Mobile World Congress – und damit die weltgrößte Handy-Messe – ist nach den Pandemie-Jahren wieder voll da. Zehntausende Besucher aus aller Welt sind zu Gast. Und doch zeigt das fulminante Comeback deutlich: Smartphones sind nur noch mit Gimmicks spannend genug.

Der Mobile World Congress in Barcelona galt viele Jahre als wichtigstes Ereignis in der Technik-Branche, gleich nach der CES in Las Vegas. Denn zu Beginn eines jeden Jahres präsentierten dort sämtliche Hersteller mit Rang und Namen im Minutentakt neue Smartphones, Tablets und Smartwatches.

Die Begeisterung des Publikums und die uneingeschränkte Aufmerksamkeit war der Messe dabei stets sicher, denn die Fortschritte, welche die Hersteller jedes Jahr machten, glichen kleinen Sensationen. Jedes Jahr wurde die Messlatte höher gelegt, vormals Undenkbares war plötzlich möglich.

Nach Jahren der Pandemie, einer ausgefallenen Messe und zwei vorsichtigen Ersatzveranstaltungen ist der Mobile World Congress nun wieder zurück. Aber etwas hat sich verändert. Was man auf der Messe hört und sieht, löst kaum noch Stürme der Begeisterung aus. Im Gegenteil: Vieles kennt man bereits.

Kleine Neuheiten groß gefeiert

Den MWC trifft dabei aber keine Schuld. Es ist das Smartphone, welches an Strahlkraft verloren hat und die Messe mit sich runterzieht. Einige Hersteller haben das offenbar registriert. Denn viele in Europa bekannte Marken wie Sony oder Samsung überlassen inzwischen chinesischen Anbietern das Feld und bieten maximal noch einen Stand, auf dem Produkte zu sehen sind, die vor Wochen angekündigt worden sind – zum Beispiel das Galaxy S23 Ultra (hier im stern-Test). Ehemalige Publikumslieblinge wie LG und HTC haben die Produktion schon länger ganz eingestellt.

Doch unabhängig davon, ob man die Geräte bereits kennt oder nicht – sie alle teilen ein Schicksal. Die Änderungen, die bei den pompösen Pressekonferenzen mit perfekt gespielter Begeisterung vorgestellt werden, reichen einfach nicht.

Die meisten Schlagzeilen verbuchten aktuell Lenovo, Xiaomi und Nokia für sich. Das spannendste Produkt? Ein Prototyp, der noch lange nicht marktreif ist. Beim Nokia lassen sich Ersatzteile innerhalb weniger Minuten tauschen, das Xiaomi 13 Pro lädt schnell, ist schnell und macht tolle Fotos. Eigenschaften, die auch andere Smartphones teilen.

Damit sind Nokia und Xiaomi keineswegs Sonderfälle. Im Prinzip gilt für alle Neuheiten: Es lädt etwas schneller, der Akku ist etwas größer, der Prozessor rechnet flotter und das Display leuchtet noch etwas heller. Außerdem macht die Kamera schönere Bilder – Unterschiede sieht man aber nur dann, wenn man die Bilder direkt vergleicht. Das sind alles keine Gründe, um das eigene Gerät in die Ecke zu pfeffern und an der Haustür ungeduldig auf die Zustellung der Neuanschaffung zu warten.

Alte Handy-Konzepte neu gedacht

Kurz sah es danach aus, als sei der Ausweg gefunden: faltbare und klappbare Smartphones. Doch vom letzten großen Wurf der Branche, die kurz die Hoffnung aufkeimen ließ, dass nun die nächste Evolutionsstufe bevorsteht, hört man von den etablierten Herstellern erstaunlich wenig. Mit dem Honor Magic VS kommt zwar ein neues Falt-Smartphone der ehemaligen Huawei-Tochter und Oppo bietet nun auch ein Flip-Phone, im Massenmarkt sind beide Konzepte aber auch nach mehreren Jahren nicht angekommen.

Dennoch gibt's für derartige Ideen noch immer die meisten Schlagzeilen: Lenovo holt daher nochmal aus und bringt eine neue Möglichkeit ins Spiel, die Bildschirmfläche auf Wunsch zu vergrößern: rollbare Displays. Das Unternehmen präsentierte sowohl einen Laptop als auch ein Smartphone, dessen Display sich ausrollen lässt. Beim Notebook werden so aus 12,7 Zoll satte 15,3 Zoll, das Smartphone macht aus 5 Zoll immerhin 6,5 Zoll.

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In Videos und kurzen Tests sieht das schon sehr vielversprechend aus. Die schlechte Nachricht aber: Beide Geräte sind Prototypen, Angaben zur Veröffentlichung eines fertigen Produkts stehen aus. Man kann auch nicht abschätzen, wie haltbar diese Geräte im Alltag wirklich wären – und so bleibt es bei einem spannenden Konzept ohne absehbare Umsetzung. Da sich Geräte, die vom bekannten Konzept abweichen, bislang kaum durchgesetzt haben, bleibt es ohnehin spannend, ob Lenovo wirklich das Geld in die Hand nimmt, um dieses Konzept massentauglich zu machen.

Die harte Wahrheit: Innovativ ist das oft nicht, auch wenn es sicherlich äußerst schwierig ist, ein solches Gerät mit modernen Bildschirmen zu bauen. Schon Nokia hatte zu besten Handy-Zeiten klapp-, falt- und ausfahrbare Geräte im Angebot, Motorola feierte mit dem Razr einen Welterfolg. Die wildesten Ideen blieben aber auch damals schon ein Nischenmarkt. Es reicht für einen kurzen Augenblick der Aufmerksamkeit, die wenigsten Kunden greifen aber am Ende zu.

Hohe Preise hemmen Kauflaune

Hinzu kommt noch ein ganz anderes Problem: Im Gespräch mit dem stern erklärte Samsung, dass die Haltezeiten von Smartphones merklich gestiegen sind. Behielten vormals die wenigsten Kunden ihre Geräte länger als zwei Jahre, weil sich einfach viel zu viel tat, sind es heute drei Jahre und mehr (Warum kaum noch Top-Smartphones unter 1000 Euro zu haben sind). 

Daraus resultiert eine innovationshemmende Spirale: Die Hersteller müssen die Preise anheben, teure Geräte bleiben länger bei den Kunden, Experimente werden oft nur von Enthusiasten angenommen. Ohne also risikoreich in Vorkasse zu gehen, ist es schwierig, neue Dinge auszuprobieren. Am Ende bleibt es also bei kleinen Schritten, die sich vor allem in gesteigerter Leistung bestehender Komponenten zeigen, selten aber in überraschenden Revolutionen.

Vielleicht ist die Geschichte des Smartphones damit tatsächlich in den letzten Zügen und es kommt eine vollkommen neue Technologie auf uns zu. Es könnten Brillen sein, denn Apple steht mit einer solchen Neuheit ja offenbar in den Startlöchern. Diese Vermutung wurde aber auch schon 2017 erzählt, womit nichts weiter zu tun wäre, als abzuwarten.

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