Die griechische Euro-Tragödie nähert sich ihrem letzten Akt: Griechenland wird entweder dieses oder nächstes Jahr höchstwahrscheinlich insolvent sein und die Eurozone verlassen. Auch wenn es nach den Wahlen im Juni eine neue Regierung gibt, die sich zu einer Variante der gleichen gescheiterten Sparpolitik bekennt und den Ausstieg hinausschiebt, lassen sich Wachstum und Konkurrenzfähigkeit so nicht wiederherstellen. Griechenland steckt in einem Teufelskreis von Insolvenz, verlorener Konkurrenzfähigkeit, Leistungsbilanzdefiziten und einer sich stetig verschlimmernden Depression.
Der einzige Ausweg besteht in einer Insolvenz Griechenlands und dem Ausstieg aus dem Euro. Sie beschränken die Kollateralschäden für das Land und die Eurozone auf ein Minimum.
Der Schuldenschnitt für Griechenland war viel zu gering. Doch selbst bei einem deutlich größeren Erlass der griechischen Staatsschulden ist Wachstum nur möglich, wenn die Wettbewerbsfähigkeit schnell wiederhergestellt wird. Aber alle dahin gehenden Optionen erfordern eine reale Währungsabwertung. Die erste Möglichkeit - eine deutliche Schwächung des Euro - ist unwahrscheinlich, da Deutschland stark ist und die EZB die Geldpolitik nicht in aggressiver Weise lockert.
Genauso unwahrscheinlich ist eine schnelle Senkung der Lohnstückkosten durch Strukturreformen, die dafür sorgen, dass das Produktivitätswachstum die Lohnzuwächse übersteigt. Deutschland hat zehn Jahre gebraucht, um seine Wettbewerbsfähigkeit so wiederherzustellen. Griechenland kann nicht eine Dekade in einer Depression verharren. Und auch die dritte Option, eine rasche Preis- und Lohndeflation, würde zu einer fünf Jahre langen Depression führen.
Ein traumatischer, aber notwendiger Prozess
Wenn also keine dieser drei Optionen praktikabel ist, bleibt nur der Austritt aus der Eurozone. Die Rückkehr zu einer nationalen Währung und eine steile Abwertung würden schnell für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum sorgen.
Das wäre ein traumatischer Prozess, nicht nur für Griechenland. Das wichtigste Problem dabei wären die Kapitalverluste, die Finanzinstituten innerhalb der Eurozone entstünden. Die Auslandsschulden der griechischen Regierung, der Banken und Unternehmen in Euro würden über Nacht in die Höhe schnellen. Aber diese Probleme sind lösbar. Argentinien hat es 2001 vorgemacht, als es seine Dollar-Schulden "pesofizierte". Die USA taten 1933 Ähnliches, als sie den Dollar stark abwerteten.
Eine Umstellung der griechischen Euro-Schulden auf die Drachme ist unvermeidlich. Die Verluste, die die Banken der Eurozone erleiden würden, wären zu bewältigen, wenn die Banken ordnungsgemäß und aggressiv mit neuem Kapital versorgt würden. Um einen Zusammenbruch des griechischen Bankensystems nach dem Ausstieg zu vermeiden, wären Maßnahmen wie die temporäre Schließung der Banken und Kapitalkontrollen erforderlich, um einen ungeordneten Sturm auf die Einlagen zu verhindern. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sollten den griechischen Banken durch direkte Kapitalspritzen helfen. Die europäischen Steuerzahler würden damit praktisch das griechische Bankensystem übernehmen - aber das wäre eine Teilentschädigung für die Verluste, die den Gläubigern durch Umstellung auf die Drachme zugefügt werden.
Griechenland müsste zudem seine Staatsschuld erneut restrukturieren. Dabei müssten die Forderungen der Troika (EU, IWF und EZB) gegenüber Griechenland nicht reduziert, aber ihre Laufzeit um ein Jahrzehnt verlängert und der Zinssatz gesenkt werden. Auch weitere Schuldenschnitte von Privatgläubigern wären erforderlich, beginnend mit einem Moratorium auf Zinszahlungen.
Probleme griechischen Stils in anderen Ländern
Manche argumentieren, dass Griechenlands reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei einem Ausstiegsszenario viel niedriger ausfiele als bei einer mühsamen Phase der Deflation. Aber das ist ein logischer Fehlschluss: Selbst bei einer Deflation würde im Rahmen der Abwertung die Kaufkraft abnehmen und der Realwert der Schulden steigen. Wichtiger noch: Ein Ausstieg würde über die nominale und reale Abwertung sofort wieder für Wachstum sorgen und eine jahrzehntelange Depression vermeiden. Und die Handelsverluste der Eurozone durch die Abwertung der Drachme wären bescheiden, da vom BIP der Eurozone nur zwei Prozent auf Griechenland entfallen.
Eine Wiedereinführung der Drachme ist mit der Gefahr einer Wechselkursabwertung verbunden, was zu Inflation führen und den Gläubigern der auf die Drachme umgestellten Auslandsschulden größere Verluste zufügen würde. Um diese Gefahr zu mindern, sollten die gegenwärtig für den griechischen Bailout vorgesehenen Reserven der Troika verwendet werden, um Übertreibungen bei der Wechselkursentwicklung zu begrenzen.
Auch die Behauptung, die von einem Ausstieg Griechenlands ausgehende Ansteckung würde andere in die Krise ziehen, geht an der Realität vorbei. Andere Peripherieländer wie Portugal und Spanien haben schon jetzt Probleme griechischen Stils, was die Tragbarkeit ihrer Schulden und die Verringerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit angeht. Die erheblichen neuen offiziellen Ressourcen des IWF und des ESM - und die Liquidität der EZB - könnten dann Verwendung finden, um diese Länder und die Banken in anderen Teilen der notleidenden Peripherie der Eurozone zu schützen.
Egal, was Griechenland tut: Die Banken der Eurozone müssen schnellstens mit frischem Kapital ausgestattet werden, was ein neues EU-weites Programm direkter Kapitalspritzen erfordert. Die Erfahrung Islands und vieler Schwellenmärkte im Verlauf der letzten 20 Jahre zeigt, dass sich durch eine nominale Abwertung und geordnete Restrukturierung sowie eine Reduzierung der Auslandsschulden die Tragbarkeit der Schulden, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum wiederherstellen lassen. Wie in diesen Fällen wird auch der Austritt Griechenlands aus dem Euro mit erheblichen Kollateralschäden einhergehen, aber diese sind beherrschbar. Dem langsamen, ungeordneten Einsturz der griechischen Volkswirtschaft und Gesellschaft zuzusehen wäre viel schlimmer.