Die Teil-Privatisierung der Bahn ist inzwischen der Polit-Widergänger schlechthin. Vor ein paar Wochen noch, als SPD-Parteichef Kurt Beck seine Stimme schonen musste und die Sozialdemokraten im Trubel um die Zusammenarbeit mit der Linkspartei steckten, hätte niemand mehr einen Cent auf den Börsengang der Bahn gewettet. Doch dann erklärte Beck die Angelegenheit zur Chefsache und machte sich selbst zum Vorsitzenden der Bahnreform-Arbeitsgruppe der SPD. Er will das Thema Bahn-Teilprivatisierung doch irgendwie noch stemmen, und so eins der letzten bedeutenden Vorhaben der Großen Koalition auf die Schienen bringen.
Das Wie bleibt dabei so bedeutend wie unklar. Und: Beck kann eigentlich nur verlieren. Mit überwältigender Mehrheit hat seine Partei schließlich im Herbst vergangenen Jahres für eine Teil-Privatisierung unter der Bedingung gestimmt, dass ausschließlich stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben werden, so genannte Volksaktien. Über alles andere müsste - so der Beschluss - ein Sonderparteitag entscheiden. Schon wenige Tage danach sprachen sich Bundes-Finanzminister Peer Steinbrück und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (beide SPD) für ein Holding-Modell aus, bei dem die Schienen und Bahnhöfe beim Bund bleiben und die Transport-Sparte der Bahn zu 49 Prozent privatisiert werden sollen. Ein Affront gegen die eigenen Genossen, garniert mit dem Hinweis, dass die CDU ein Volksaktienmodell nicht mittragen werde.
Beck tendiert zum Holding-Modell, will jedoch keinen verprellen
Diese Ausgangslage reicht eigentlich schon für ein paar ungemütliche Diskussionsrunden. Um Beck vollends in die Ecke zu treiben, benutzt Steinbrück das Thema nun auch noch als Test, ob die Partei-Rechte überhaupt noch etwas durchsetzen kann. So stand es jedenfalls in der Wochenzeitung "Die Zeit" und empört dementiert worden ist es bislang noch nicht.
Es bleibt bisher Becks Geheimnis, wie er sich jetzt einerseits durchsetzen und damit seinen Führungsanspruch demonstrieren und andererseits nicht ein Parteilager verprellen will. Offenbar tendiert Beck eher zum "Holding-Modell" von Steinbrück und Tiefensee. Das hat er zumindest auf der Pressekonferenz nach seiner Genesung angedeutet. Zwar könnte er damit Bündnistreue beim Koalitionsausschuss mit Kanzlerin Angela Merkel am 28. April demonstrieren. Doch dann hat er die eigene Partei im Nacken.
73 Prozent der SPDler gegen Bahnprivatisierung
In der SPD sind laut einer Umfrage des die Privatisierung ablehnenden Bündnisses "Bahn für alle" 73 Prozent der Befragten gegen eine Bahnprivatisierung. Demnach gibt es auch in keiner anderen Partei eine Mehrheit für derartige Pläne, 70 Prozent der Bevölkerung wollen laut der repräsentativen Umfrage die Bahn im Besitz der öffentlichen Hand sehen.
Natürlich war es kein Zufall, dass das Bündnis diese Zahlen am Freitag, drei Tage vor der ersten SPD-Arbeitsgruppen-Sitzung veröffentlichte. Dort haben übrigens die Befürworter der Teilprivatisierung eine Mehrheit. Den prominenten Mitstreiter des Bündnisses, den SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer, ficht das nicht an und er wies bei einer heutigen Pressekonferenz noch einmal deutlich auf Becks Dilemma hin: "Es wird immer einen stillen Teilnehmer der AG geben, das ist der Parteitag."
Auch Juso-Chefin Franziska Drohsel betonte, dass es weiterhin die "Option eines Sonderparteitages" gebe, sollten sich die Arbeitsgruppe, das SPD-Präsidium, Parteivorstand und Parteirat gegen die Vorgaben des Hamburger Parteitags entscheiden. Drohsel übernahm am Freitag auch die etwas polternde Rolle mit Blick auf die Kontrahenten auf dem rechten Parteiflügel: Sie könne nicht nachvollziehen, warum "die Gang um Steinbrück ein Modell präsentiert, dass keine der Voraussetzungen des Parteitags erfüllt".
Holding-Modell bleibt diffus
Der Bundestagsabgeordnete Scheer, der auch in der Bahnreform-Arbeitsgruppe sitzt und von dem Volksaktien-Modell stammt, war bei seinem Auftritt merklich um Zurückhaltung bemüht und kündigte einen Alternativ-Vorschlag für die erste Sitzung der Arbeitsgruppe an. Details wollte er allerdings nicht nennen, weil er erst einmal das Holding-Modell genau vorgestellt sehen wolle.
Nach wie vor gibt es nur Medienberichte über das Holding-Modell, auch an die SPD-Arbeitsgruppe wurde von Steinbrück oder Tiefensee bisher keine Darstellung ihres Modells geschickt. Diese Geheimniskrämerei kritisierten auch andere Teilnehmer der SPD-Arbeitsgruppe scharf - allerdings nicht öffentlich.
Vielleicht gibt es einen weiteren Widergänger bei diesem Thema: den Kompromiss. Denn so wie schon Scheers Volksaktien-Modell auf dem Hamburger Parteitag ein solcher war, könnte er sich auch ein Holding-Modell mit stimmrechtslosen Aktien vorstellen. Allerdings nur, wenn alle Anteile ohne Stimme bleiben.