Telekom-Chef Ron Sommer ist nach dem tagelangen Gerangel um sein Amt zurückgetreten. Das teilte er selbst in Bonn mit. Das Vertrauenverhältnis zum Aufsichtsrat sei gestört, sagte er zur Begründung. Er wolle mit seinem Rücktritt weiteren Schaden vom Unternehmen abwenden.
Helmut Sihler jetzt an der Spitze
Nachfolger von Telekom-Chef Ron Sommer wird der ehemalige Aufsichtratschef Helmut Sihler werden. Sein Stellvertreter wird Technikchef Gerd Tenzer. Sihler soll das Unternehmen für eine Übergangszeit von sechs Monaten leiten.
Polit-Theater
Die Telekom geschädigt, der Investitionsstandort Deutschland gefährdet: Das größte Telekommunikationsunternehmen Europas und Aushängeschild der deutschen Wirtschaft droht durch das Polit-Theater um die Ablösung von Vorstandschef Ron Sommer schweren Schaden zu nehmen. Der angeschlagene Telekom-Chef zog schließlich die Konsequenz und warf das Handtuch: »Wenn ein Vorstandsvorsitzender in dieser Situation nicht über das volle Vertrauen des Aufsichtsrates verfügt, ist der Rücktritt der einzige Schritt«, sagte Sommer auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz.
Er wolle damit auch einen Beitrag leisten, um weiteren Schaden von der Telekom abzuwenden. Seinen Vorstandskollegen und seinem Nachfolger wünschte der 54-jährige Manager eine glückliche Hand.
Das Ansehen leidet
Tatsächlich hatte die Telekom in den vergangenen Tagen durch das Gezerre um den Vorstandsposten im Ansehen stark gelitten. Nicht nur Telekom-Mitarbeiter, auch Börsianer und Wirtschaftsführer fordern Abstinenz. Ihrer Ansicht nach haben die Einmischung der politischen Parteien und deren Wahlkampfgetöse mehr zur Verunsicherung als zur Stabilisierung des hochverschuldeten Unternehmens und seiner gebeutelten T-Aktie beigetragen.
Doch zwischen Regierung und Opposition ist die Telekom längst zu einem Spielball im Bundestagswahlkampf 2002 geworden. Telekom-Sprecher Ulrich Lissek nennt das »Repolitisierung« des einstigen Staatskonzerns, an dem der Bund noch mit 43 Prozent beteiligt ist.
Die Investoren verlieren das Vertrauen
Für das Image der Telekom, die sich als »Global Player« im internationalen Telekom-Geschäft sieht, ist der öffentlich ausgetragene Streit alles andere als förderlich. John Stanton, Chef der US-Mobilfunktochter VoiceStream, spricht aus, was Anlegern auf den Nägeln brennt: »Die Investoren in den USA verlieren das Vertrauen in den Konzern«. Einige US-Anleger sollen gar Klagen gegen die Bundesregierung erwägen.
»Sommertheater«
Dass Politiker jetzt Aktionären hinterherlaufen, ist für den früheren BDI-Präsidenten Hans Olaf Henkel der eigentliche Skandal in diesem »Sommertheater«. Offenbar geht es der Bundesregierung, die noch vor wenigen Wochen Sommer Rückendeckung gab, nur ums Stimmvolk - fast drei Millionen Kleinanleger sind kein Pappenstiel. Der Telekom-Chef, den die Regierung für den dramatischen Fall der T-Aktie verantwortlich machte, wurde das Bauernopfer.
Bei allem Streit um die Top-Personalie ist die Konzernstrategie völlig in den Hintergrund getreten. Diese hatten in den vergangenen Jahren alle Vorstände getragen und und sie war vom Aufsichtsrat genehmigt worden. Mit Mobilfunk, Online-Geschäft, Festnetz und Systemgeschäft setzt die Telekom auf vier Sparten und baute sie durch Akquisitionen systematisch aus.
Es drücken 67 Milliarden Schulden
Nach Ansicht von Analysten und Branchenexperten ist die Strategie der Telekom keineswegs fehlgeschlagen. Im Vergleich zu Konkurrenten wie France Télécom steht das Unternehmen im internationalen Vergleich sogar vergleichsweise gut da. Doch es drückt ein Schuldenberg von rund 67 Milliarden Euro.
Verschobener T-Mobile Börsengang
Den Abbau der Schulden, die wesentlich zum Kursverfall beigetragen haben, erklärte der Vorstand längst zur obersten Priorität und legte ein Sparprogramm auf. Nach den jetzigen Plänen sollen die Verbindlichkeiten bis 2003 auf 50 Milliarden Euro schrumpfen. Helfen soll dabei auch der Börsengang der Mobilfunktochter T-Mobile, der wegen des schlechten Stimmung an der Kapitalmärkten immer wieder verschoben wurde.
Diese Strategie kann vermutlich auch ein neuer Telekom-Chef nicht völlig umkrempeln. Hätte die Telekom ihre Internationalisierung verpasst, hielt Sommer seinen Kritiker immer wieder entgegen, wäre das Unternehmen heute ein kleiner regionaler Anbieter.