Billige Auslands-Konkurrenz Trotz Bioboom: Deutschlands Ökobauern geben auf

In den Supermärkten boomt Bio, doch immer mehr deutsche Landwirte geben auf und wechseln zurück zum konventionellen Anbau. Warum ist das so? Ein Hofbesuch. 

Eine verstaubte Hacke in der hinteren Ecke der Scheune erinnert noch an das, was Steffen Spöring einmal war: Biobauer. Das Gerät ist ein Überrest aus der Zeit, als er die Karotten direkt aus dem Acker zog, kurz die Erde abbürstete und genussvoll ein Stück abbiss. Damals spielten seine drei Kinder zwischen Kartoffel- und Weizenfeldern Verstecken.

"Es waren schöne Jahre", sagt der 46-Jährige, "aber sie sind vorbei." Heute wächst auf seinen Hof in Otersen südöstlich von Bremen nur noch Mais – angebaut nach den Regeln der konventionellen Agrarindustrie. Mehrfach im Jahr fährt der Trecker mit der Giftspritze die Felder ab; die zuvor so mühsam entgifteten Böden werden wieder mit Fungiziden und Pestiziden bearbeitet. 

Immer mehr Biohöfe geben auf

Einmal Bio und zurück. Spöring ist nur einer von etwa 600 Ökolandwirten, die in Deutschland Jahr für Jahr aufgeben. 2014 ging erstmals die Anbaufläche für Bioprodukte zurück. Nach Jahrzehnten des grünen Wachstums schrumpfte sie um 8236 auf 1 047 633 Hektar, wie sich aus den amtlichen Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ergibt. Besonders stark war der Rückgang in Niedersachsen, der Heimat von Bauer Spöring. Und das, obwohl der seit zweieinhalb Jahren amtierende grüne Landwirtschaftsministers Christian Meyer alles versucht, die Agrarwende voranzutreiben.

Es ist eine seltsame Gleichzeitigkeit: Biohöfe geben auf, während die Nachfrage nach unbelastetem Obst und Gemüse weiter steigt. Für rund acht Milliarden Euro kauften die Deutschen im vergangenen Jahr ökologisch erzeugte Produkte – so viel wie noch nie zuvor. Alle großen Supermarktketten von Rewe über Edeka bis hin zu Aldi oder Lidl haben mittlerweile Lebensmittel mit dem grünen EU-Siegel in ihren Regalen liegen.

Starke Konkurrenz aus dem europäischen Ausland

Aber warum verabschieden sich die deutschen Ökobauern, wenn ihre gesunde Ware gerade massenkompatibel wird? Die Antwort ist so simpel wie ernüchternd: Mit dem Einstieg der großen Discounter hat sich die ursprünglich von großen Idealen getriebene Branche in ein hartes Business gewandelt. Die Ketten diktieren mit ihrer Marktmacht die Preise. Kleine Ökobauern haben kaum eine Chance zur Gegenwehr. Sie stehen mittlerweile in direkter Konkurrenz mit ihren Kollegen aus dem Ausland, die ebenfalls den deutschen Markt für sich entdeckt haben. "Im Zweifel gibt es immer einen Landwirt in Spanien oder Polen, der seine Kartoffeln und Karotten noch günstiger anbietet", sagt Spöring, "und wenn Ihre Möhren erntereif sind, können Sie auch nicht lange verhandeln, sonst vergammelt Ihnen das Zeug in der Erde, und Sie gehen ganz leer aus."

Die Folge: Mittlerweile stammen jeder zweite Bioapfel und jede zweite Biomöhre aus dem Ausland. Selbst eingeflogene Ökoerdbeeren aus China sind keine Seltenheit mehr. Mit Klimaschutz und dem Ziel, regionale Produzenten zu stärken, hat das Import-Bio zwar nichts mehr zu tun, aber wenn es billig genug ist, scheint das kaum einen Kunden zu stören.

Ökonomische Vernunft siegt über Moral

Hinzu kommt, dass auch die hochsubventionierte Produktion von Biogas die Pachtraten für Ackerland in vielen Teilen Deutschlands in die Höhe getrieben hat. Durch die Förderung nachwachsender Rohstoffe ist der Boden in seinem Wert schlagartig gestiegen. Der Anbau von sogenannten Energiepflanzen ist ein extrem lukratives und wegen der garantierten Einspeisevergütung auch ein extrem sicheres Geschäft.

Für Bauern wie Spöring gleicht es einer Gelddruckmaschine. Heute gedeiht auf seinen 200 Hektar Land ausschließlich Mais. Eine riesige Monokultur, so weit das Auge reicht. Unterstützt von Kunstdünger und Chemie wachsen die Pflanzen fast wie von selbst. Warum sich da noch mit dem arbeitsintensiven Bioanbau abquälen? Tagelang Unkraut jäten? "Ich komme so viel besser klar", sagt der Landwirt. Und doch blickt er manchmal mit Wehmut zurück. Früher pulsierte das Leben auf seinem Hof. Drei fest angestellte Mitarbeiter und bis zu 24 Saisonkräfte arbeiteten für ihn. "Das nachhaltige Wirtschaften hat viel Spaß gemacht, und von dem ökologischen Gedanken bin ich bis heute überzeugt", sagt der Familienvater, "aber am Ende hat bei mir die ökonomische Vernunft über die Moral gesiegt!"

Silke Gronwald