Vor dem Gipfel in Brüssel Wie die EU sich selbst retten will

Nach dem EU-Gipfel sind sich die Staats- und Regierungschefs noch immer nicht einig, wie sie Griechenland retten wollen. Mittwoch wollen sie Lösungen präsentieren. stern.de zeigt, wie sie aussehen könnten.

Noch ist nichts entschieden: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben auf ihrem Gipfel am Wochenende verschiedene Optionen für die Stärkung des EU-Rettungsschirms EFSF und über weitere Hilfen für Griechenland beraten. Am Mittwoch sollen auf einem weiteren Treffen Beschlüsse gefasst werden. stern.de gibt einen Überblick über den Zwischenstand bei den Bemühungen, die Schuldenkrise einzudämmen. Die Angaben stützen sich auf die Aussagen von EU-Diplomaten, schriftliche Äußerungen gibt es bislang nicht.

Was passiert mit Griechenland?

Griechenland wird mit einem zweiten Hilfspaket rechnen können, aber die Konditionen werden noch bis Mittwoch unklar bleiben. Zum einen gab es auch am Sonntag noch keine Einigung darüber, wie stark die Schulden des Landes reduziert werden müssen, damit es wieder auf die Beine kommen kann - und wer dafür zahlen soll.

Die Troika hatte vorgerechnet, das im Juli anvisierte Volumen öffentlicher Hilfe wäre nur auf 109 Milliarden Euro zu begrenzen, wenn die privaten Gläubiger auf 60 Prozent ihrer Forderungen verzichteten. Der Schuldenstand könnte dann bis 2020 auf 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden nach einem Höchststand 2013 von voraussichtlich 186 Prozent. Die Banken hatten im Juli einen Verzicht von 21 Prozent zugesagt und inzwischen 40 Prozent angeboten. Die Euro-Länder verlangen aber mindestens 50 Prozent. Deutschland dringt auf einen höheren Schuldenschnitt, Frankreich will ihn aus Angst um seine Banken vermeiden.

Davon abgesehen muss geklärt werden, wie stark Griechenland in den kommenden Jahren an die Leine genommen wird, etwa von einer permanenten Troika oder einem "EU-Sparkommissar".

Wie stark werden die Banken beteiligt?

Von der Höhe der privaten Beteiligung an einem Schuldenschnitt hängt ab, wie stark die Banken ihr Eigenkapital aufstocken müssen. Je härter der Schnitt, desto mehr Geld brauchen die Banken, um die Abschreibung griechischer Staatsanleihen und den möglichen Wertverlust anderer Euro-Anleihen zu verdauen.

Unstrittig scheint mittlerweile das Verfahren: Erst versuchen die Banken, Geld aufzunehmen, dann springen notfalls die Staaten ein und wenn diese es nicht schaffen, dann der Euro-Rettungsschirm EFSF.

Die Vereinbarung sieht vor, bis Ende Juni 2012 eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent zu erreichen. Daraus ergibt sich ein gesamter zusätzlicher Kapitalbedarf von bis zu 110 Milliarden Euro. Darin eingerechnet werden allerdings auch die 46 Milliarden Euro, die bereits für Bankenhilfen Irlands, Portugals und Griechenlands reserviert sind. Nach Schätzungen brauchen die Banken in Italien, Spanien und Frankreich etwa 50 Milliarden Euro.

Wie soll der Rettungsschirm aussehen?

Von den Entscheidungen zu Griechenland hängt auch zum Teil die Entscheidung ab, wie effektiv der EFSF ausgestattet wird, um notfalls mehr Geld mobilisieren zu können als die 440 Milliarden Euro an Krediten. Nach übereinstimmenden Aussagen steht bisher fest, dass nur noch zwei Modelle weiterverfolgt werden:

Beim ersten Modell gibt der EFSF privaten Abnehmern von Anleihen wackelnder Euro-Staaten eine Garantie ab, die ersten 20 oder 30 Prozent Verlust zu übernehmen. Dagegen wird aber eingewandt, dass der Anleihemarkt gespalten wird und bereits umlaufende Anleihen erst recht abgestoßen werden.

Das zweite Modell sieht die Gründung einer Zweckgesellschaft vor. Der EFSF und private Investoren oder auch staatliche Vermögensfonds zahlen Kapital ein. Die Zweckgesellschaft nutzt dieses, um noch mehr Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen und damit Anleihen aufzukaufen, sei es bei der Ausgabe oder bereits umlaufende Staatspapiere.

Vom Tisch ist dagegen die von Frankreich ursprünglich angedachte und von den USA geforderte Einbindung der Europäischen Zentralbank (EZB). Auch eine Banklizenz für den EFSF, die diesem eine Refinanzierung bei der EZB erlauben würde, scheidet aus.

"Ein großer, wichtiger Schritt"

Hier kommt der Bundestag ins Spiel. Weil dieser den EFSF-Leitlinien zustimmen muss, will die Bundesregierung bis Montagabend eine schriftliche Ausarbeitung der beiden Modelle vorliegen haben. Nur dann können der Haushaltsausschuss und die Fraktionen grünes Licht geben - und Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch auf dem zweiten Teil des EU-Gipfels zustimmen.

Die Grünen haben bereits ihre Bedingungen kundgetan: Fraktionschef Jürgen Trittin forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich einer gemeinsamen Linie der Euro-Staaten in der Schuldenkrise zu verweigern, wenn keine Besteuerung von Finanzgeschäften enthalten ist. "Bundeskanzlerin Merkel soll ohne eine Finanztransaktionssteuer den Gipfelergebnissen nicht zustimmen", verlangte er. Deutschland und Frankreich müssten zudem aufhören, mit den Banken über deren Beteiligung für die Griechenland-Hilfe zu verhandeln. "Die Politik muss die Banken zwingen, sich am Schuldenschnitt für Griechenland zu beteiligen."

Aus der Unionsfraktion kamen zustimmende Äußerungen zu Merkels Verhandlungsführung. Die Kanzlerin habe bisher "ihre Position bei aller Schwierigkeit der Materie weitgehend durchgesetzt". Vor allem, dass es ihr offensichtlich gelungen sei, den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy auf ihre Seite zu ziehen, sei "ein großer, wichtiger Schritt".

DPA · Reuters
fro/Reuters/DPA