Städteplanung Sogar die Abfalleimer sind bunt bemalt

Auch in Deutschland sollen jetzt so genannte BIDs entstehen, Distrikte, in denen Geschäftsleute ihr eigenes Viertel "aufmöbeln" - und damit attraktiver, sauberer und sicherer machen.

Die wenigsten Amerikaner werden wissen, was ein "Business Improvement District" (BID) ist. Es steht kein Schild am Eingang, man braucht keinen Passierschein, muss nichts bezahlen. Nur den Effekt, den spüren sie, egal ob in Mobile, Alabama, oder in Baltimore, Maryland: Die einst verödete Innenstadt ist plötzlich attraktiv, lädt zum Flanieren ein, das Gefühl von guter alter Zeit gibt's gratis. Die Idee der BIDs entstand 1970, als sich Ladenbesitzer im kanadischen Toronto zusammenschlossen, um die Ansiedlung eines Einkaufszentrums zu verhindern. Das Prinzip hat sich seither wenig verändert: Fünf Jahre lang zahlen alle Grundeigentümer in dem betroffenen Gebiet einen vereinbarten Betrag. Der wird von der Kommune in vollem Umfang an die BID-Gesellschaft weitergeleitet, die damit das Quartier aufmöbelt.

Heute gibt es in Nordamerika mehr als 1.200 BIDs, allein New York City hat 46. "BIDs sind ein integraler Bestandteil unserer Gemeinden geworden", schreibt Jerry Mitchell, Städteplaner der City University of New York, der Hunderte von BIDs untersucht hat, er spricht auch von "der Rückkehr des Bürgersteigs". Ein erster Erfolg zeigte sich Ende der 80er Jahre rund um den New Yorker Bryant Park, der zum Junkie-Treff verkommen war. Der BID sammelte Müll und pflanzte Blumen. Er engagierte Sozialarbeiter, die Obdachlose und psychisch Kranke betreuten. Heute ist der Park eine Yuppie-Oase, umgeben von Luxusgeschäften.

Dass New York nicht mehr die Kapitale der Angst ist, hat viel mit den BIDs zu tun. Zwar wird die Renaissance der Stadt vor allem Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani und dessen Prinzip der "Zero Tolerance" zugeschrieben, aber dass die Crack-Röhrchen von den Straßen verschwanden, hatte deutlich vor seiner Zeit begonnen: mit den privaten Sicherheitsleuten der BIDs, die anfingen, all jene zu verscheuchen, die auf den Bürgersteigen herumlungerten und Konsumenten verschreckten. Genau deshalb sind die BIDs durchaus umstritten. Besonders in Manhattan sah man die Ersatzpolizisten, die Bettler und Süchtige in die Pampa verfrachteten, mit Argwohn, die "New York Times" fürchtete um die "New Yorkness of New York", um ihren rauen Charme.

Der Inbegriff der sauber geputzten Stadt ist der Times Square, jahrelang Symbol für den Niedergang Manhattans, des städtischen Verfalls. Der Times-Square-BID schloss sich 1992 zusammen, er ist einer der größten der Stadt und verfügt über ein Jahresbudget von sechs Millionen Dollar. Er wurde mitbegründet von Arthur Sulzberger jr., dem Verleger der "New York Times". Ihm ist gelungen, dem Platz das Laster auszutreiben. Pornoläden und Sexclubs sind fast völlig verschwunden, die schrägen Gestalten auch. Heute schieben sich Touristen über die weltberühmte Kreuzung, Männer in schicken Uniformen sammeln Zigarettenstummel vom Asphalt, es gibt neue Straßenlampen, die Abfalleimer wurden bemalt, getreu dem Motto des BID: "Sauber, sicher, freundlich." Musicals haben Pornoshows ersetzt, Besucher aus der Provinz, die sich noch vor 15 Jahren nicht einmal im Taxi hier langgetraut hätten, shoppen bei Toys R Us und lassen sich vor den MTV-Studios und dem gigantischen Disney-Store fotografieren.

Auch deutsche Kommunalpolitiker haben hier gestanden und sich Gedanken gemacht über die Gründe des New Yorker Wunders. Nun soll Hamburg, als erste Stadt Deutschlands, einen BID bekommen. Ziel ist es, die Einkaufsstraße Neuer Wall mit ihren Luxusgeschäften - von Hermès über Jil Sander und Bulgari - "zur Visitenkarte Hamburgs zu machen", sagt Michael Freytag (CDU), Senator für Stadtentwicklung. Gerade hat der Senat die rechtliche Grundlage für das BID-Modell geschaffen. Unter anderem muss mindestens ein Drittel der Grundeigentümer dem Plan zustimmen. Noch muss die Bürgerschaft das Gesetz beschließen. Freytag: "Vielleicht kommt es zum 1. Januar 2005 durch. Dann könnte schon im Laufe des nächsten Jahres mit der Umgestaltung begonnen werden."

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Steffi Kammerer

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