Universal vs. Tiktok Für Taylor Swift läuft es blendend – im Rest der Musikbranche herrscht hingegen Katerstimmung

Taylor Swift in einem Kleid mit Handschuhen bei der Grammy-Verleihung
Taylor Swift erhielt am Sonntag ihren vierten Grammy für das Beste Album des Jahres
© Agencia EFE / Imago Images
Während Taylor Swift mit ihrer Musik ganze Volkswirtschaften bewegt, läuft es in der breiten Musikbranche verhalten. Künstliche Intelligenz ist nur ein Grund von vielen.

Gerade einmal 34 Jahre musste Taylor Swift werden, um in die Liga von altgedienten Stars wie Paul Simon, Frank Sinatra und Stevie Wonder vorzustoßen. Zum vierten Mal bekam Swift am Sonntag den Grammy für das beste Album des Jahres. Das schafften vor ihr nur die drei genannten Sänger – allerdings deutlich später, und kommerziell nicht ansatzweise so erfolgreich wie Swift. Die US-Sängerin bewegt mit ihrer Tournee ganze Volkswirtschaften, Ökonomen sprechen schon von den "Swiftonomics". Taylor Swift ist insofern nicht nur eine musikalische, sondern auch ökonomische Ausnahmeperson. 

Der Erfolg ist umso bemerkenswerter, da sich die Musikindustrie generell in Schwierigkeiten befindet. Das Verhalten der Hörerinnen und Hörer wandelt sich, die Zahlungsbereitschaft stagniert und auf der kreativen Ebene führt Künstliche Intelligenz zu neuen Herausforderungen für die Musikbranche. 

Bis auf Swift kann sich keiner dagegen wehren. Zahlreiche Labels haben deshalb zuletzt Mitarbeiter entlassen. Der Streamingdienst Spotify erhöhte mehrfach seine Abopreise – und Universal, das Label hinter Taylor Swift, hat einen Streit mit der Social Media-Plattform Tiktok vom Zaun gebrochen. Seit vergangenen Donnerstag können Beiträge dort nicht mehr mit Universal-Musik unterlegt werden.

Lange Zeit wurden die aufgeführten Trends in der Branche als Chance wahrgenommen. Das Streamingwachstum täuschte über einige grundlegende Probleme hinweg. Kleineren Künstlerinnen und Künstlern machen Kaufkraftverluste durch Inflation und hohe Unsicherheit mehr zu schaffen als großen. Im Jahr 2023 erwirtschaftete Taylor Swift laut "Financial Times" (FT) knapp 2 Prozent der gesamten US-Musikeinnahmen. Das ist mehr als die gesamten Kategorien Jazz und Klassik zusammen. 

Streamingdienste schuld?

Die Branche diskutiert noch, wer daran Schuld hat. Das gängige Klischee lautet, dass Streamingdienste nicht genügend Geld an Künstlerinnen und Künstler ausschütten. Tatsächlich zahlt Spotify aber beispielsweise 70 Prozent seiner Einnahmen an die Rechteinhaber und damit an die Labels zurück. Die beklagen ihrerseits, dass die Einnahmen aus dem Streaming nicht ausreichen. Das Wachstum dort lag im vergangenen Jahr immerhin bei 7 Prozent. Im Jahr zuvor waren es allerdings noch 24 Prozent. Mit diesen zweistelligen Werten kalkulierten viele Labels auch für die Zukunft und stellten zusätzliche Mitarbeiter ein. 

Labels wie Warner Music oder BMG erreichten diese Wachstumsziele nicht, weshalb sie mehrere hundert Mitarbeiter entließen. Doch woran hakt es beim Streaming genau? So recht beantworten kann das niemand. "Wir haben die letzten Jahre eine große Party gefeiert. Jetzt haben wir einen Kater", sagt ein anonymer hochranginger Musikmanager gegenüber der FT. "Wir befinden uns in einer neuen Phase."

Diese neue Phase, von der der Musikmanager spricht, zeigt sich zum Beispiel daran, dass viele Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr jede Preiserhöhung akzeptieren. Zwar blieb die Kündigungsrate, der sogenannte Churn, bei Spotify nach den jüngsten Preiserhöhungen im Herbst laut CFO Paul Vogel relativ stabil. Aber insgesamt läuft das Neukundengeschäft dafür langsamer als früher. 

Dazu kommen die aktuellen Zinsraten, die das Wachstum komplizierter machen als in vergangenen Jahren. Zuletzt hatte Spotify deshalb mehr als 2000 Mitarbeiter entlassen, weil der Kostendruck immer größer wurde. CEO Daniel Ek erklärte mehrfach, Spotify müsse effizienter und profitabler werden.

Künstliche Intelligenz

Zu diesen bereits bestehenden Sorgen kam im vergangenen Jahr das Thema "Künstliche Intelligenz" hinzu. Die Geschwindigkeit, mit der audiovisuelle Modelle die Branche veränderten, war doch für viele überraschend.

Wie nervös Branchenteilnehmer deshalb sind, zeigt der Streit zwischen Universal und Tiktok. Die chinesische Social Media-Plattform gilt als Chiffre für die neue Musikwelt. Schnell, disruptiv und in eine visuelle Welt eingebunden. Beide Seiten können eigentlich nicht ohne einander – und doch behaken sie sich seit Monaten um die Tantiemen. Bislang wurde der Streit hinter verschlossenen Türen ausgetragen. Seit vergangener Woche darf nun die Öffentlichkeit daran teilhaben. TikTok bezeichnete Universal öffentlich als "gierig" und "egoistisch", während Universal die chinesische Social-Media-Gruppe des "Mobbings" beschuldigte.

Seit Donnerstag lässt Universal deshalb Taylor Swifts Musik auf Tiktok entfernen und stummschalten. Das Gleiche tat Universal bei anderen Stars wie Drake, Ariana Grande und Olivia Rodrigo. Wann sie wieder auf die Plattform kommen? Unklar. Der Druck auf die Labels ist offenbar so groß, dass sie Streit mit ihren eigenen Künstlerinnen und Künstlern riskieren. Denn selbst wenn diese am Ende von den Mehreinnahmen profitieren, verstehen nicht alle diese Entscheidung: "Ich kann also meine Musik nicht mehr bei Tiktok promoten", erklärte Noah Kahan, der bei den Grammys als "Bester neuer Künstler" nominiert war. "Ich werde aber weich fallen, oder? Oder?"

Dieser Artikel erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Capital", das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.

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