Geld macht sorgenfrei! Bei diesem Satz zieht Henni Hellberg* die Luft scharf ein. Sie erinnert sich noch genau an jenen Tag, der sie notgedrungen zu einer Art Geldanlage-Expertin machte: ihre Großtante Dorothea starb. Die beiden hatten immer ein gutes Verhältnis, doch dass sie im Testament bedacht würde, damit hatte sie nicht gerechnet.
Tante Doro vermachte ihr ein Haus auf einem 2000 Quadratmeter großem Grundstück in bester Stuttgarter Stadtrandlage. Wert: Eine gute Million Euro. Der Verkauf dauerte nur wenige Wochen, dann war das Geld auf dem Konto. Hellberg schoss schnell noch ein Bildschirmfoto vom Kontostand. Lange würde diese Summe dort nicht stehen. Rund 300.000 Euro Erbschaftssteuer wird das Finanzamt einfordern. Wer als entfernter Verwandter solche Summen erbt, muss tapfer sein. Alles über 20.000 Euro wird besteuert.
Aber das ist ein Luxusproblem. Etwa 700.000 Euro würden ihr bleiben. Ein Segen für die Altersvorsorge. Die 53-jährige Mutter eines Sohnes hatte viele Jahre lediglich halbtags arbeiten können. Auch wenn sie mittlerweile voll berufstätig ist, die Rentenlücke ist erheblich. Die Rentenkasse errechnete 1.400 Euro, damit kommt man nicht weit. Wie also die 700.000 Euro so einsetzten, dass sie in zwölf Jahren immer noch da sind und sich trotz Nullzinsen und Inflation möglichst vermehrt haben? "Die Angst einen Fehler zu machen, gar Geld durch eine blöde Entscheidung zu verlieren, die war sofort bei mir da“, erinnert sich Hellberg.
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Beim sogenannten Berliner Testament handelt es sich um ein Testament, das zwei Eheleute gemeinsam verfassen. Darin ist geregelt, dass sie sich im Todesfall gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Erst wenn auch der zweite Partner gestorben ist, wird ein Dritter zu dessen Erbe. Diesen haben die beiden Eheleute zu ihren Lebzeiten noch gemeinsam ausgesucht und in das Berliner Testament eingetragen. Normalerweise sind das die gemeinsamen Kinder des Paares. Vorteile: Die Partner sichern sich finanziell gegenseitig ab, das Geld bleibt in der Familie und in Patchworkfamilien können auf diese Weise auch die Stiefkinder erben.
Ein solches Testament birgt aber auch Fallstricke, besonders, wenn es nicht individuell an die aktuelle Lebenssituation angepasst wird. Normalerweise kann das Berliner Testament nach dem Tod eines Partners nicht mehr verändert werden. Es sei denn, die Eheleute haben einige Extraklauseln hineingeschrieben. Dann darf der Witwer oder die Witwe alles ändern. Man kann auch festlegen, dass sich zwar die Erbquoten ändern dürfen, nicht jedoch der Kreis der Erben.
Ein weiterer Nachteil droht durch eine hohe Erbschaftssteuer. Hinterlässt ein Paar ein beträchtliches Vermögen, so kassiert der Fiskus zweimal ab: Zuerst zahlt der länger lebende Partner Erbschaftssteuer, nach seinem Tod noch einmal die Kinder. Ein "normales" Testament ist jederzeit widerrufbar und lässt dem Verfügenden alle Freiheiten. Es muss handschriftlich verfasst werden, mit Ort, Datum und Unterschrift.
Mit einem Erbvertrag kann man bereits zu Lebzeiten verbindlich bestimmen, wer Erbe werden und etwas aus dem Nachlass erhalten soll. Landwirte und selbstständige Handwerker regeln dadurch oft die Nachfolge. Trotzdem hat der Erblasser danach das Recht, frei über sein Vermögen zu bestimmen, solange er lebt.
Tagesgeldkonten verschaffen Zeit
Als erstes habe sie sich Zeit für Überlegungen verschafft. Das Geld lag bei ihrer Hausbank, die jede Einlage über 100.000 Euro mit Negativzinsen von 0,5 Prozent belegte. Bei Henni Hellbergs Erbe wären das 2100 Euro. "Die Beschäftigung mit der Geldanlage fing im Grunde schon an, noch bevor ich überhaupt Geld angelegt hatte“, sagt die sportliche Stuttgarterin. Über Vergleichsportale suchte sie sich Banken mit Tagesgeld und Festgeldkonten heraus, die überhaupt noch Zinsen anboten. Über 0,5 Prozent sei sie schon froh gewesen. Und was ihr noch wichtig war: Sie wollte ausschließlich Banken mit Europäischer Einlagesicherung. Die Lehmann-Pleite und die darauffolgende Bankenkrise war ihr noch in lebhafter Erinnerung. "Auch Banken können Konkurs gehen. Meine anfangs umfangreiche Liste wurde nach Filterung mit diesen zwei Kriterien schnell übersichtlich“, erinnert sie sich.
Sie verteilte das Geld schließlich auf sieben Banken. Nach der zweiten Kontoeröffnung, habe sie nur noch 20 Minuten für das Anlegen eines Kontos über das Internet gebraucht, erzählt sie. Die Online-Einrichtung von Tagesgeldkonten sei heute perfekt durchorganisiert. Bei manchen Banken lag schon einen Tag nach Antrag die Post mit den Zugangsdaten im Briefkasten. Das meiste laufe dann ohnehin über Smartphone-Apps. Hellberg liebt diese Effizienz. "Bei so vielen Banken sollte man sich besser eine Tabelle mit Summen, Konten, Zugängen anlegen“, rät Hellberg.
Geldanlage in drei Stufen
Erst danach hätte sie sich Gedanken über die eigentliche Geldanlage gemacht. "Ich hatte mir die 700.000 in drei Anlagenbereiche eingeteilt – kurz-, mittel- und langfristig“, erklärt sie ihr Vorgehen. Wie viel Geld möchte man zur schnellen Verfügung haben? Gibt es den kleinen Luxus, den man sich schon immer gönnen wollte, jedoch nie konnte? Ein E-Bike? Einen vorher nicht bezahlbaren Traumurlaub? Oder wie in ihrem Fall die überfällige Hausrenovierung? Diese Summe ließ Hellberg auf einem Tagesgeldkonto. Das gebe zwar nicht viel Zinsen, aber es sei eben jederzeit verfügbar.
Stufe zwei waren Ausgaben auf mittelfristiger Sicht. Hier waren Festgeldkonten die Wahl. Hellberg: "Damals 2019 gab es ja hier noch Zinsen mit einer 1 vor dem Komma. Das Geld habe ich dann auf drei Jahre festgelegt, eine gut überschaubare Zeitspanne.“ Danach können man das Geld vielleicht zu besseren Konditionen erneut anlegen. Oder vielleicht haben sich die Umstände geändert und man möchte sich damit vielleicht etwas finanzieren. Eine Ferienwohnung zum Beispiel.
Bei Stufe drei habe der eigentliche Stress begonnen: Die langfristige Anlage über Wertpapiere. Aktien und Fonds hätten sich als viel komplexer erwiesen, als sie anfangs dachte, blickt Hellberg zurück. Der größte Teil ihres Erbes sollte der Absicherung im Rentenalter zugutekommen, bei Hellberg noch gute zehn Jahre. "Nervenaufreibend war vor allem der Druck, bei einer Fehlentscheidung richtig viel Geld zu verlieren und sich womöglich den Lebensabend zu versauen.“
Es gibt niemals Rendite ohne Risiko
Ohne fremde Hilfe wollte sie sich nicht auf das Börsenparkett wagen. Hellberg fragte im Bekanntenkreis nach vertrauenswürdigen Anlageberatern und ließ sich von einer auf Frauen spezialisierten Beratungsgruppe unterstützen. Es sei kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie gewesen, an den Börsen ging es hoch her, steigende Kurse überall. Und genauso hätten die Berater auch in die Zukunft geschaut. "Ich sollte mir überhaupt gar keine Sorgen machen, es könne überhaupt nichts schiefgehen, hohe Renditen seien sicher“, fasst Hellberg die Beratungen zusammen.
Aber die gestandene Frau ist ein gebranntes Kind. Sie hatte solche Sätze schon einmal gehört, damals 1999/2000 in der Goldgräberstimmung des Neuen Marktes. Vor über zwanzig Jahren riet ihr ihre damalige Bank, ihr Erspartes doch mit hoher Rendite am Neuen Markt anzulegen. Monate später war ihr Geld weg. Einfach so. Geplatzt mit der Dotcom-Blase. Ein prägender Moment für Hellberg. Das noch etwas blieb, hatte sie einer älteren Bankmitarbeiterin zu verdanken. Sie riet der jungen Mutter, nicht alles in den Börsen-Hype zu stecken, sondern einen Teil des Geldes konservativ und risikoarm anzulegen. Zur Sicherheit. Eine weise Entscheidung.
Versicherungsmakler sind keine Finanzberater
Von den privat empfohlenen Beratern hält sie wenig. "Das sind in der Regel Versicherungsmakler, die auch Finanzberatung anbieten. Diese Kombination ist problematisch, weil die in erste Linie ihre Provision für den Verkauf von Finanzprodukten im Blick haben und nicht die ehrliche Beratung“, urteilt Hellberg. Da würden einem bunte Charts mit nach oben gehenden Linien gezeigt. In dem damals ohnehin gut laufenden Börsenumfeld seien solche Ergebnisse jedoch keine Kunst.
Positive Erfahrungen habe sie hingegen bei den Bankberatern gemacht. Als Kundin einer Onlinebank habe sie sich zunächst eine neue Hausbank gesucht. Bei diesen Summen sei ihr ein menschlicher Ansprechpartner wichtig gewesen, einer der Fragen beantwortet, Dinge erklärt und Optionen aufzeigt. "Ich bin noch nie in meinem Leben mit solchen Summen umgegangen und musste noch nie finanzielle Entscheidungen solcher Tragweiten treffen“, erklärt Hellberg ihre damalige Unsicherheit. Die Befürchtung, an einer Stelle irgendeinen "blöden Fehler“ mit teuren Folgen zu machen, sei bei ihr anfangs groß gewesen.
Rentenversicherung, der Rest in aktive Fonds
"Und dann wird einem bei den Banken gleich am Anfang unverblümt gesagt, dass ich mit meiner halben Million gerade so in den Bereich der aktiven Beratung falle. Eigentlich sei meine Summe eher was für den Sachbearbeiter im Schalterbereich, der einem dann Standardprodukte offeriert“, erinnert sich Hellberg an ihre ersten Begegnungen mit der Vermögensberatung. Diese Überheblichkeit empfand die Marketingexpertin als "taktisch unklug“, weil es sie als Kunden generell abgeschreckt habe.
Empfohlen wurde ihr bei drei Banken dieselbe Strategie: einen Teil in eine Rentenversicherung mit einer monatlichen Auszahlung bei Eintritt ins Rentenalter, den anderen Teil in aktive verwaltete Fonds. Bei der Rentenversicherung wird eine bestimmte Summe eingezahlt, über die Jahre möglichst vermehrt und dann als lebenslange Rente als bestimmter Monatsbetrag ausgezahlt. Klingt erst einmal vernünftig, doch dann fing Hellberg an zu rechnen.
Die Rentenversicherung ist ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten
Eine solche Versicherung lohnte sich für sie nur, wenn sie älter als 85 wird. Dann wäre das in die Versicherung eingezahlte Geld aufgebraucht und das Geschäft ginge zu ihrem Vorteil und zu Lasten der Bank. "Versicherungen sind immer ein Spiel mit dem Risiko. Als Anlegerin rentiert sich eine Rentenversicherung nur dann, wenn man deutlich älter wird, als die Versicherung statistisch schätzt. Wenn ich 95 werde, bekomme ich zehn Jahre zusätzliches Geld – das wäre dann für mich ein sehr gutes Geschäft“, erklärt Hellberg.
Die Banken erheben zudem noch Gebühren und halten sich ein Hintertürchen offen: Sie locken gern mit hohen Rentenbeträgen, die sie jedoch nur einhalten können, wenn hohe Renditen erzielt werden. Im Zweifel bekommt der Versicherte nur eine dürftige Garantiesumme. Bei hoher Inflation kann das Bitter ausgehen. Sie entschied sich trotz bester Gesundheit dann gegen das Rentenmodell.
Allerdings hätten solche Versicherungen den kleinen Vorteil, vererbt werden zu können. Das sei bei der staatlichen Rente anders. Es ist möglich, seine erwartete Rentenlücke durch eine große Einzahlung in die Rentenkasse auszugleichen. Mit 100.000 Euro ließen sich schon einige Jahre überbrücken. Geld, das im Todesfall jedoch weg ist. Da muss man wissen, wie wichtig einem die Erben sind.
Aktien und ETFs sind anstrengend und zweitaufwändig
"Um Wertpapiere kommt man bei der langfristigen Anlage nicht herum“, ist Hellberg heute überzeugt. Es seien ihr verschiedene Fonds erklärt und angeboten worden. Schnell habe sie gelernt, was Diversifizieren ist, was aktive gemanagte Fonds sind und ETFs. Es habe alles gut ausgesehen, doch dann saß sie Zuhause und rechnete nach. Zwar klangen die erwarteten Renditen auf zehn Jahre vielversprechend, aber ihre Netto-Rendite würde sich erst nach Abzug der Bankgebühren Depotgebühren und die Kosten für die Fondverwaltung ergeben. Diese Kosten können den Profit spürbar drücken. Auch wenn es an den Börsen einmal nicht so gut läuft, die Gebühren laufen in volle Höhe weiter "Wer da am Ende eine Netto-Rendite von zwei Prozent auf dem Konto hat, ist schon gut dabei“, kalkulierte Hellberg.
Warum kosten ETFs so viel weniger Geld? Und sind sie vergleichbar erfolgreich? Um das besser beurteilen zu können, verschlang Sie Literatur der Stiftung Warentest und von Finanztipp, las sich durch die Webseiten wie die der "Die kritischen Anleger“ und schrieb sich bei Online-Seminaren bei "Finanzfluss“ ein. "Finanzfluss war grandios. Die Zielgruppe sind jedoch eher jüngere Menschen und nicht so eine wie ich, die zwölf Jahre vor der Rente steht. Da unterscheiden sich die Strategien doch deutlich“, berichtet Hellberg.
Um die Theorie in die Praxis zu überführen, nahm sie sich etwas Geld und begann, sich in ETFs einzukaufen und Einzelaktien in ein Depot zu legen. Einfach mal machen. "Das war total aufregend! Ständig war ich mit dem Smartphone dabei Werte zu checken, Börsennachrichten zu lesen, die wirtschaftliche Entwicklung mit anderen Augen zu sehen“, erzählt sie. Kleine Jubel bei der ersten Dividendenausschüttung, Missmut bei fallenden Aktien im Depot. Nach ein paar Wochen sei sie recht fit bei den ETFs gewesen. Doch je umfangreicher ihr Wissen, desto größer erschienen die verbleibenden Wissenslücken. "Alle sagen dir, es ist alles ganz einfach an der Börse. Doch ich finde das nicht. Es ist anstrengend und zeitraubend“, resümiert Hellberg.
Was es am Ende wurde
Schließlich vertraute sie einen Teil des Geldes aktiven Fonds einer Bank an. Den anderen Teil investierte sie in breit gestreute Welt ETFs. Geringeres Risiko mit dem Schwerpunkt in grüne, nachhaltige Titel. Zehn Jahre will sie sich möglichst wenig damit auseinandersetzen, einmal im Monat schaut sie über die Werte. Interessant wird es wieder kurz vor der Rente, wenn sie das Geld braucht. Und wer wisse schon, wie es dann um den Kurs stehe. "Vielleicht steht ja dann gerade die nächste Seuche vor der Tür oder wieder ein Krieg an Europas Grenzen“, ventiliert Hellberg die Schreckensszenarien. Im schlimmsten Fall könne man dann nicht verkaufen, zumindest nicht ohne herbe Verluste. Die Börse würde schließlich nicht auf ihr Renteneintrittsalter warten.
Umsichtig wie sie ist, hat sich sie gegen solche Unwägbarkeiten zusätzlich abgesichert: mit einer Immobilie. Eine kleine Wohnung, Erstbezug in einer attraktiven Lage. Rendite soll die Miete bringen, wieviel hat sie sich schon haarklein ausgerechnet. Viel ist es nicht, aber sollte sich die Wohnraumsituation im kommenden Jahrzehnt nicht gravierend ändern, ist die Wohnung an sich bereits eine sichere Bank.
*Name von der Redaktion geändert