Vor kurzem saß ich in einem überfüllten Kinosaal und wartete gespannt auf den Beginn des Films: Mitternachtspremiere von Star Wars. Die aufregende Atmosphäre wurde jedoch kurz durch die Werbung vor dem Film unterbrochen. Ein Sportwagen, eine stylische Uhr "für die nächste Generation" und ein herbes Bier in den Dünen – nichts davon schien auf mich, eine Frau, als Zielgruppe abzuzielen. Aber was hat das mit Finanzen zu tun?
Die einfache Antwort lautet: Frauen sind nicht die Zielgruppe des Finanzsektors; ebenso, wie wir nicht die Zielgruppe der oben beschriebenen Kinowerbung sind. Dabei verstärkt das nicht nur bestehende Ungerechtigkeiten; dem Finanzsektor entgehen dadurch ganz konkrete finanzielle Chancen.
Die Macht des Geldes: Fehlende Ansprache im Finanzsektor
Die Werbung vor der Star Wars-Premiere spiegelt wider, was auch im Finanzsektor geschieht. Frauen fühlen sich oft nicht angesprochen oder werden sogar übersehen. Die stereotype Vorstellung von einem erfolgreichen Investor ist immer noch von einem Mann geprägt, der eine schnelle Entscheidung trifft und dabei einen teuren Anzug trägt. Doch die Realität sieht anders aus.
Der Finanzsektor ignoriert oft, dass Frauen einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft haben. Studien zeigen, dass das Vermögen von Frauen 1,5-mal schneller wächst als das von Männern. Ein Grund dafür ist, dass die Gehälter von Frauen schneller steigen. Frauen werden also immer wertvollere, weil reichere Kundinnen.
Das Vermögen der Frauen: eine unterschätzte Kraft
Es ist an der Zeit, die finanzielle Macht der Frauen zu erkennen und anzuerkennen. Frauen sind nicht nur in der Lage, Vermögen aufzubauen, sondern auch nachhaltige Entscheidungen zu treffen. In vielen Fällen erben Frauen nicht nur einmal, sondern zweimal – erst von ihren Vätern und dann von ihren Partnern. Diese finanzielle Stabilität und die Möglichkeit, Vermögen weiterzugeben, machen Frauen zu einer Schlüsselgruppe im Finanzmarkt.
Die Finanzbranche muss aufhören, Frauen als passive Empfängerinnen von Finanzdienstleistungen zu sehen und anfangen, sie als aktive Gestalterinnen ihrer finanziellen Zukunft zu betrachten. Die Bedürfnisse und Präferenzen von Frauen sollten genauso ernst genommen werden wie die ihrer männlichen Kollegen.
Langfristiges Denken: der weibliche Beitrag zur nachhaltigen Finanzplanung
Frauen denken oft langfristig und haben eine besondere Affinität zur nachhaltigen Finanzplanung. Dies ist nicht nur für ihre persönliche finanzielle Sicherheit von Vorteil, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes. Frauen bringen nicht nur ihre eigenen Ziele in den Finanzplan ein, sondern denken auch an die nächste Generation. Diese langfristige Perspektive kann für die Finanzbranche von unschätzbarem Wert sein.
Eine nachhaltige Finanzplanung ist nicht nur auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet, sondern berücksichtigt auch die langfristigen Auswirkungen von Investitionen. Frauen tragen somit nicht nur zur eigenen finanziellen Stabilität bei, sondern auch zur Stabilität des gesamten Finanzsystems.
Frauen im Fokus: Kundinnenbindung und erfolgreiche Finanzdienstleistungen
Die Vernachlässigung von Frauen als Zielgruppe im Finanzsektor führt nicht nur zu einem Verlust von potenziellem Umsatz, sondern auch zu einer verpassten Möglichkeit der Kundinnenbindung. Frauen, die sich nicht angesprochen fühlen, werden möglicherweise nicht die volle Bandbreite der Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen.
Um diesen Missstand zu beheben, ist es entscheidend, Finanzdienstleistungen so zu gestalten, dass Frauen angesprochen und ihre Bedürfnisse erfüllt werden. Dabei geht es nicht darum, neue Finanzprodukte zu erschaffen; es geht lediglich um die Berücksichtigung der Vielfalt von Kundinnenbedürfnissen. Dies wird nicht nur zu einer stärkeren Bindung von Kundinnen führen, sondern auch zu erfolgreichen und zukunftsweisenden Finanzdienstleistungen.
Fazit: Die Macht der weiblichen Finanzkraft erkennen
Star Wars und Finanzen mögen auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben; bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass beide die Hälfte der potenziellen Kundschaft ignorieren. Die finanzielle Macht der Frauen wächst exponentiell, und es ist an der Zeit, dies anzuerkennen und entsprechend zu handeln. Indem die Finanzbranche Frauen als aktive Gestalterinnen ihrer finanziellen Zukunft anspricht und ihre Bedürfnisse ernst nimmt, kann sie nicht nur von der Vielfalt der Kundinnen profitieren, sondern auch eine nachhaltige und langfristige Stabilität im Finanzmarkt gewährleisten. Die Finanzbranche sollte erkennen, dass Frauen nicht nur einen Platz im Finanzsektor haben, sondern eine entscheidende Rolle in seiner Zukunft spielen.
Die Ökonomin Claudia Müller leitet seit 2017 das von ihr gegründete Female Finance Forum, das Frauen im Umgang mit Geld und nachhaltigen Investitionen weiterbildet. Davor studierte sie internationale VWL und arbeitete unter anderem bei der Deutschen Bundesbank, wo sie für das Thema Green Finance verantwortlich war. Dieses Wissen wandte sie parallel zur Gründung des Female Finance Forums in einem Single Family Office an, wo sie für die nachhaltigen liquiden Anlagen zuständig war.
Dieser Artikel erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Capital", das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.