Frauen, die sich die Brüste mit Silikonkissen der französischen Firma PIP ("Poly Implants Prothèses") haben vergrößern lassen, leben seit einem Jahr in Angst. Die Implantate reißen leicht, dann drohen Entzündungen. Nun steht auch der Verdacht im Raum, dass die Kissen Krebs auslösen könnten. 30.000 Frauen in Frankreich sollen wegen der Implantate möglichst schnell untersucht werden.
Zu dem Skandal kam es, weil bei PIP gewissenlose Silikonpanscher am Werke waren. Der Marseiller Staatsanwalt Jacques Dallest sagte, die Firma habe jahrelang ein "hausgemachtes Gel" verwendet. Weil es zehn Mal billiger gewesen ist, wurde dafür Industriesilikon als Ausgangprodukt verwendet. PIP soll durch die Panscherei eine Million Euro jährlich gespart haben.
Das inzwischen in Konkurs gegangene Unternehmen hat im Wesentlichen für den Export gearbeitet: Nur zehn Prozent der Gelkissen blieben im Land. Von einem rein französischen Thema kann man also nicht sprechen.
Behörde warnte vor den Produkten
Die Zahl der Frauen, die in Deutschland solche Implantate erhalten haben, ist allerdings nicht bekannt. Doch das Thema beschäftigt auch hierzulande die zuständigen Behörden schon seit einiger Zeit. "Bundesweit wissen wir von 19 Fällen, bei denen Implantate des Herstellers PIP in der Brust gerissen waren", sagte Maik Pommer, Sprecher des für die Risikoüberwachung von Medizinprodukten zuständigen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Behörde hatte bereits 2010 vor Brustimplantaten der Firma PIP gewarnt.
"Sicher sind diese Implantate auch in Deutschland verwendet worden, aber in sehr kleinem Maßstab", sagt Sven von Saldern, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische und Plastische Chirurgie (DGÄPC). Auch die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), der größte Berufsverband, glaubt nicht, dass die gefährlichen Implantate in Deutschland ein so großes Problem sind wie in Frankreich. "Einige hundert Frauen sind davon in Deutschland vermutlich betroffen", sagt DGPRÄC-Präsident Peter Vogt.
Zahl der Brustvergrößerungen ist unbekannt
Wie viele ästhetische Brustvergrößerungen in Deutschland im Jahr durchgeführt werden, ist nicht genau bekannt. Zwischen 20.000 und 50.000 dürfte die Zahl liegen, vermuten die Fachgesellschaften.
Ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den PIP-Implantaten und mindestens acht Krebsfällen in Frankreich gibt, ist noch ungeklärt. Grund zu Sorge besteht aber allemal. Anders als in deutschen und französischen Medien gemeldet, gäbe es aber keine Empfehlung der französischen Aufsichtbehörde, dass 30.000 Frauen in jedem Fall ihre Brustimplantate entfernen lassen sollten, so Maik Pommer vom BfArM. Tatsächlich legen die französischen Aufsichtbehörden allen Frauen mit PIP-Implantaten nahe, ihren Arzt aufzusuchen und zunächst abzuklären, ob die Implantate gerissen sind oder Silikon ausgetreten ist. In diesem Fall müsse das Implantat dann entfernt werden.
Betroffene sollten ärztlichen Rat suchen
Eine generelle Empfehlung, den Arzt aufzusuchen, gelte für Deutschland nicht, sagt BfArM-Sprecher Pommer. "Uns sind bis jetzt keine Verdachtsfälle auf Krebs gemeldet worden." Frauen, die ein solches Implantat haben und nun verunsichert sind, rät er jedoch dazu, sich mit ihrem Arzt zu besprechen und die Risiken abklären zu lassen.
Besorgte Frauen sollten in ihrem Implantatpass nachsehen, welches Silikonkissen bei ihnen verwendet wurde, rät Sven von Saldern (DGÄPC). "Produkt und Chargennummer müssen dort vermerkt sein." Wer dann Pass nicht mehr hat, sollte bei dem Arzt nachfragen, der die Operation durchgeführt hat. "Das Risiko einer erneuten Operation und die Gefahren durch das Implantat müssen dann im Einzelfall abgewogen werden", so von Saldern.
Doch woran ist eigentlich zu erkennen, ob das Implantat bereits geplatzt ist? "Wenn Silikon ausgetreten ist, kommt es zur Knotenbildung, die Brust verformt sich und die Lymphknoten in der Achselhöhle schwellen an", sagt DGPRÄC-Präsident Vogt .
Frauen können auf den OP-Kosten sitzen bleiben
Wer die Kosten in einem Fall einer erneuten Operation übernimmt, ist auch nicht sicher. "Muss das Implantat nach einer Schönheits-OP wegen medizinischer Probleme entfernt werden, würde die Krankenkasse auf jeden Fall in Vorleistung gehen", sagt Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Doch: Die Kosten könnten dem Versicherten nachträglich in Rechnung gestellt werden, da es sich beim Einsetzen des Implantates um einen selbst veranlassten Eingriff handle. Wer vorsorglich sein PIP-Implantat entfernen lassen will, muss gleich selbst zahlen.
Zu lasche Kontrollen?
PiP konnte die gefährlichen Kissen jahrelang verkaufen, weil es keine aureichend strengen Kontrolle gab. Anders als Arzneimittel werden Medizinprodukte wie Hörgeräte, Rollstühle, Katheter oder auch Brustimplantate in Europa nicht staatlich zugelassen. "Der Hersteller muss eigenverantwortlich versichern, dass sein Produkt grundlegende Anforderungen erfüllt", so BfArM-Sprecher Pommer. "Wenn er das nachweisen kann, erhält das Produkt ein CE-Kennzeichen." Zertifizierstellen wie der TÜV überprüfen dann, ob die Vorgaben eingehalten werden.
DGPRÄC-Präsident Vogt fordert: "Implantate müssten eigentlich wie Arzneimittel zugelassen werden. Bei Implantaten treten Reaktionen im Körper auf, die nicht unerheblich sind. Da müssten viel strengere Anforderungen gestellt werden."