Schmerztherapie Placebos statt Pillen

Pflanzliche Medizin und alternative Heilverfahren stehen in der Schmerztherapie hoch im Kurs. Obwohl wissenschaftlich umstritten, helfen sie vielen Patienten. Und manchmal wirkt schon die Aussicht auf eine Therapie.

Es hämmert hinter den Schläfen, es sticht, es bohrt sich in den Kopf hinein: Kopfschmerzen. Häufig wollen Kopfschmerz-Patienten aber keine Pillen gegen die Pein schlucken, sondern wünschen sich eine Behandlung mit pflanzlichen Substanzen, alternativen Verfahren oder nicht-medikamentösen Methoden. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge wirken diese meist nur schwach oder nicht überzeugend. Ein Nachteil muss das aber nicht sein: Die Patienten fühlen sich häufig sogar besser als bei Standardtherapien.

"Manche Untersuchungen ließen sich ein bisschen so interpretieren, dass allein die Aussicht auf eine wirksame Therapie hilft", fasst Stefanie Förderreuther von der Ludwig-Maximilians-Universität in München zusammen. Beispielsweise werde die in Europa und Westasien verbreitete Pestwurz schon lange als wirksame Substanz propagiert. Einer Studie zufolge könne die Heilpflanze Migräne-Kopfschmerzen signifikant besser unterdrücken als ein Scheinmedikament. "Fast 50 Prozent der Patienten sprachen aber auch auf ein Placebo an", sagt Förderreuther.

Selbst die Warteliste hilft manchmal

Ein vergleichbares Ergebnis hat laut Förderreuther eine neue Studie zur Wirkung von Akupunktur als Migräne-Vorbeugung erbracht. Nach einer Behandlung gemäß der traditionellen chinesischen Lehre gingen die Schmerzattacken ebenso zurück wie nach dem ungezielten Setzen von Nadeln. "Akupunktur und Scheinakupunktur waren etwa gleich gut wirksam. Und selbst bei Patienten, die nur auf der Warteliste für eine Behandlung standen, wurde es besser", sagt die Neurologin.

Andere nicht-medikamentöse Verfahren wirken nachweislich als Prophylaxe gegen Migräne und Spannungskopfschmerz. Den Patienten sind sie aber oft zu zeitintensiv. Dazu gehören regelmäßiger Ausdauersport in Form von Joggen, Radfahren oder Schwimmen und Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelrelaxation.

Insgesamt rät Förderreuther, "gerade bei teuren, bislang nicht etablierten Therapien hellhörig zu werden, die man selbst bezahlen muss". Pestwurz sei eine eher schwach wirksame pflanzliche Alternative in der Migränevorbeugung. Es gebe aber keine Studien zum Vergleich mit etablierten Medikamenten. Und in sehr seltenen Fällen seien schwere Leberschädigungen infolge der Einnahme von Pestwurz beschrieben worden.

Nadelstiche manchmal klar überlegen

Akupunktur senke die Migränetage um die Hälfte und sei genauso effektiv wie eine Standardtherapie, sagt Dominik Irnich von der Münchener Universität. Klar wirksam sei sie auch bei Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapien oder beim Tennis-Ellenbogen, sagt der Akupunktur-Experte. In bestimmten Fällen sei das Verfahren der Schulmedizin auch klar überlegen, etwa bei chronischem Kniegelenkschmerz, wie in umfangreichen Studien erwiesen worden sei.

Patienten seien sehr zufrieden mit dem Verfahren, sagt Irnich. In großen Beobachtungsstudien hätten 70 bis 90 Prozent eine Linderung ihrer Beschwerden angegeben. Zwar spiele nicht immer eine Rolle, ob klassische Akupunktur angewandt oder die Nadeln nur oberflächlich an vermeintlich unwesentlichen Punkten gesetzt würden.

Daraus aber auf einen Placebo-Effekt und die völlige Beliebigkeit der Nadelung zu schließen, hält Irnich für unzulässig: Die Nadeln seien von ausgebildeten Akupunkteuren gesetzt worden, die gezielt daneben gestochen hätten. Der Schmerzmediziner betont zudem, neben dem Nadelstich spiele der Behandlungskontext eine Rolle. So werde ein Patient zum Beispiel vor der Therapie intensiv befragt und bekomme insgesamt sehr viel Zuwendung.

AP
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