Vergewaltigungsfall in Indien Anwalt macht Freund des Opfers für Tat "verantwortlich"

Mit markigen Worten hat der Anwalt der mutmaßlichen Vergewaltiger einer Inderin versucht, die Schuld von seinen Mandanten abzuwälzen. Ein unverheiratetes Paar dürfe nachts nicht auf der Straße sein.

Im Prozess wegen der brutalen Vergewaltigung einer jungen Inderin hat der Anwalt zweier Angeklagter den Vorwurf erhoben, der Freund des Opfers sei "verantwortlich" für den Übergriff. Ein unverheiratetes Paar habe sich in der Nacht nicht auf der Straße aufzuhalten, sagte M.L. Sharma in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. Und er legte noch eins drauf: Er habe bislang noch "kein Beispiel für eine Vergewaltigung einer respektablen Frau gesehen."

Der Nachrichtenagentur AFP sagte Sharma, er habe zwar mit Bloomberg gesprochen, jedoch nichts über das Opfer gesagt. Er habe lediglich gesagt, dass "Frauen in Indien respektiert werden, sie sind Mütter, Schwestern, Freunde". Es sei im Übrigen seine Aufgabe, seine Mandanten zu schützen und zu beweisen, dass sie dieses Verbrechen nicht begangen hätten.

Polizei weist Folter-Vorwürfe zurück

Zu diesem Zweck versuchte der Anwalt, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Polizei zu lenken. Vor dem Gerichtsgebäude in Neu Delhi, in dem die Anhörung zu dem Aufsehen erregenden Vergewaltigungsfall stattfindet, erneuerte er Vorwürfe gegen die Polizei, sie habe die mutmaßlichen Täter gefoltert. "Meine Mandanten wurden gezwungen, sich zu Verbrechen zu bekennen, die sie nicht begangen haben", sagte Sharma. Drei Anwälte teilen sich nach neuestem Stand die Verteidigung der fünf erwachsenen Beschuldigten, wie im Zuge der Gerichtsanhörung ausgehandelt wurde. Die Männer sind unter anderem wegen Mordes, Vergewaltigung und Entführung angeklagt.

Ein Sprecher der Polizei wollte den Vorwurf der Folter des Anwalts nicht kommentieren. Die Staatsanwaltschaft hatte jüngst erklärt, eindeutige DNA-Beweise gegen die mutmaßlichen Täter zu haben.

Der Vater der jungen Frau sagte unterdessen im britischen Fernsehen, er sei stolz auf seine Tochter und ihr Tod sei ein Weckruf gewesen. "Die Gesellschaft darf nicht länger die Augen verschließen vor solchen Vorfällen, die jeden Tag passieren", sagte er dem Sender ITV.

"Sterne stehen nicht gut für Frauen"

Bizarre Äußerungen zeigen, wie sehr die indische Gesellschaft diesen Weckruf nötig hat. Zwar beherrscht das Thema Vergewaltigung derzeit immerhin die öffentliche Diskussion auf dem Subkontinent, doch so mancher halbwegs prominente Mann würde seine Meinung besser für sich behalten. Zuletzt machte am Donnerstag ein Abgeordneter der oppositionellen hindu-nationalistischen BJP namens Ramesh Bais mit einer extrem unglücklichen Äußerung Schlagzeilen. Vor laufender Kamera sagte Bais mit Blick auf einen Vergewaltigungsfall mit minderjährigen Opfern in seinem zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh: "Wenn Vergewaltigung Gleichaltrigen oder Älteren angetan wird, ist das verständlich. Aber wer so ein abscheuliches Verbrechen Minderjährigen antut, sollte gehängt werden."

Zuvor hatte sich bereits Chhattisgarhs Innenminister Nanki Ram Kanwar mit einer bizarren Analyse zu Wort gemeldet. Er bemühte die Astrologie und sagte einem Bericht der Zeitung "Indian Express" zufolge: "Zur Zeit stehen die Sterne der Frauen nicht zu ihren Gunsten, deswegen kommt es zu solchen Vorfällen."

"Sie hätte Gottes Namen rufen sollen"

Einen Sturm der Entrüstung löste auch ein prominenter Hindu-Guru namens Asaram Bapu aus, der der vergewaltigten Studentin Mitschuld an dem brutalen Verbrechen gegeben hatte. Er sagte in einer auf Video aufgezeichneten Predigt: "Hätte sie Gottes Namen gerufen, hätte sie sie (die Angreifer) meine Brüder genannt, ihre Hände und Füße umklammert und gesagt, ich bin eine hilflose Frau, Ihr seid meine Glaubensbrüder, dann wäre das nicht passiert."

Auch so mancher gut gemeinte Ratschlag sorgt für Irritationen - etwa einer der Polizei im Süden von Neu Delhi. Auf Postern appellierte sie einem Bericht des Nachrichtensenders NTDV zufolge an Mädchen und junge Frauen, nach Schule und Universität "direkt nach Hause" zu gehen. Verteidiger Sharam dürfte diesen Vorschlag sicherlich unterstützten.

DPA
dho/AFP/DPA

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