Jürgen Klopp in Dortmund Gehemmt gegen den alten Chef

Von Mathias Schneider
Beim 1:1 zwischen Dortmund und Liverpool bleibt das ganz große Gefühlskino geschlossen. Die Rückkehr von Jürgen Klopp bewegt die Fans kaum. Dafür scheint der BVB mit dem Übervater zu kämpfen zu haben - auch in taktischer Hinsicht.

Beinahe schien es, als wollte diese bisweilen so magische Südkurve ihren Dienst verweigern. Gerade so, als sei sie es leid, für immer weitere Schauer der Gefühligkeit sorgen zu sollen. Über Wochen hatten sie ihren Klopp vor einem Jahr verabschiedet, am Ende schien die Tournee gar nicht mehr aufzuhören. Nun war dieser Klopp mit seinen Reds also wieder unter ihnen, im Signal Iduna Park, und was waren nicht für emotionale Ausschläge erwartet worden. Aber es ist dann, oh Wunder, einfach nur ein weiteres Fußballspiel geworden. Ein kurzer warmer Applaus vor dem Anpiff für jenen Mann, mit dem sie so viel gejubelt und gelitten hatten, dann war es aber auch gut. Niemand ist größer als der Verein, nicht einmal er, das war die Botschaft.

Ein Abnützungskampf Kloppscher Prägung

Unbehelligt ließ Klopp also vor dem Europa-League Viertelfinale noch einmal den Blick durchs Stadion wandern, beobachtete versonnen minutenlang seine alten Schützlinge bei der Leibesertüchtigung zur Erwärmung und erhielt im Vorbeigehen von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke eine innige Umarmung. Aber Klopp hat dann schnell gezeigt, warum man ihn auf keinen Fall unterschätzen sollte, auch deshalb hatte Watzke so dringlich zuvor gewarnt. Denn dieses Borussia Dortmund mag im Sommer des Jahres 2016 ein formidable kombinierendes Ensemble sein, das selbst vom großen Pep Guardiola zu den besten der Welt gezählt wird. Doch das Wissen um die Fähigkeit ihres ehemaligen Übervaters, binnen Monaten eine jede Elf zu einer griffigen Pressingmaschine zu verwandeln, schien die schwarz-gelben Knie aller Siegesserien zum Trotz zu erweichen. 

Wo man auf einen Sturmlauf wartete, entspann sich ein Abnützungskampf Kloppscher Prägung, in dem Liverpool leidenschaftlich verteidigte und - ganz Klopp-Schule - wie beim 1:0 durch Origi durch schnelles Spiel in die Spitze seine Wirkungstreffer setzte. Dortmund dagegen glich zwar noch durch Hummels per Kopf aus, doch es fand nie zu sich. Es wirkte gehemmt, fast verzagt zum Ende hin. Reus, Durm, Aubameyang - alle blieben sie weit unter Form .

Prompt saß nach der Partie ein sichtlich ratloser Thomas Tuchel auf dem Pressepodium und rätselte, warum seine Mannschaft so wenig Spielfreude entwickelt hatte. "Vielleicht haben wir zu viele Infos reingegeben", begann Tuchel zunächst einmal bei sich selbst. Konzentriert habe seine Elf während der Woche gewirkt, gerade so, als verharre sie ruhig im Auge des Medienorkans, der ja genau genommen ohnehin des Gegners Trainer betraf.

Keine Freude auf den Gesichtern der Spieler

Doch Dortmund spielte schließlich, als habe man ihre Füße mit Blei beschwert. Dass Liverpool engmaschig in der eigenen Hälfte gegen den Ball presste, machte es nicht leichter, sich in Ruhe offene Räume zu erschließen und sich den Gegner zurechtzustellen. Beinahe schien es, als habe Klopp seiner alten Elf einmal von außen demonstrieren wollen, wie unangenehm der alte BVB-Entwurf der aggressiven Vorwärtsverteidigung noch immer sein kann. Von wegen aus der Mode. Sie hatten zuletzt ja rund um Dortmund immer lauter geraunt, das Dortmund des Thomas Tuchel sei eine Elf mit weit mehr Optionen in Sachen Kombinations- und Ballbesitzfußball. Als habe sich Klopps Ansatz totgelaufen.

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Doch nicht Klopp war es, der danach auf Ursachenforschung gehen musste. Keine Freude habe er auf den Gesichtern seiner Spieler gesehen, lautete die erste tuchelsche Diagnose nach der Partie. Dabei sollten seine Männer doch diese kommenden Festspielwochen bei allem Kampf auch genießen. Stattdessen lag eine Schwere über Tuchels Elf, die sie so offenbar noch nicht kannte. Der Trainer selbst war ratlos, woher so viel Bedenken in den eigenen Reihen kamen. Leichtigkeit, Genuss, die sollen am Wochenende im Derby gegen Schalke wieder zu sehen sein. Und dann - natürlich - auch beim Rückspiel in einer Woche. Ihr alter Wegbereiter Klopp wird dann wieder der Gegner sein, und doch dürfte sich die Geschichte von Dortmund nicht wiederholen.

Im Rückspiel zählt nur der Fußball

In Liverpool wird nicht alles an die so fruchtbare gemeinsame Vergangenheit erinnern. Jürgen Klopp wird dann einfach nur noch der Trainer des FC Liverpool sein, besungen von den Liverpooler Fans, die ihm blind vertrauen. Ein mächtiger Fight mag vor diesem BVB liegen, so viel versprach Klopp bereits. Er wirkte nach der Partie nicht sonderlich ergriffen. Er kann das trennen, man spürt das. Ein paar Küsschen hier, ein paar Küsschen da, dann war er wieder weg. Er hatte schnell gespürt, dass dieses Dortmund nicht in der Stimmung war, um in alten Zeiten zu schwelgen. Ihm ging es da ähnlich. Er kann ja bei aller Emotionalität sehr pragmatisch sein bei solchen Dingen. Und sehr ehrgeizig. 

Anfield wird rot erleuchten. Und doch muss das kein Nachteil sein, Auswärtsspiel hin oder her. Denn Borussia Dortmund muss dann nur noch das tun, was seine eigenen Fans schon diesmal erwartet hatten: einfach nur Fußball spielen. Ohne den ganzen bedeutungsschwangeren Überbau.

Nicht die schlechteste Voraussetzung für diese Elf.

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