In Gevenich ist die Welt noch in Ordnung. Die 700-Seelen-Gemeinde liegt mitten in der tiefsten Eifel, wo die Landschaft herrlich und der Handy-Empfang manchmal Glückssache ist. Bevor sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, werden noch schnell die Bürgersteige hochgeklappt, und es muss nur einer wach bleiben, der nachts den Mond mit der Stange weiter schiebt. Doch einmal im Jahr ist es vorbei mit der Ruhe. Ein unheimliches Grollen erfüllt die dicht bewaldeten Täler. Und das stammt nicht etwa von dem Werwolf, der der Sage nach einst in Gevenich sein Unwesen trieb: Dutzende von Geländewagen sind es, die sich auf Wald und Flur tummeln. Die "Geländewagenfreunde Gevenich" laden jedes Jahr zum großen Jeep-Festival ein.
"Jeep-Fahrer? Die tragen doch alle Cowboy-Hüte, Holzfäller-Hemden oder Armee-Jacken, und am Auto flattert die USA-Flagge", wird mancher jetzt denken. Ein böses Vorurteil, denn diese Beschreibung trifft höchstens auf 80 Prozent aller Jeep-Fans zu. Manchmal ist es auch nicht die USA-Flagge, sondern die "Rebel Flag": Zwei gekreuzte Sternenstreifen auf rotem Grund, die Flagge der Rebellen im amerikanischen Bürgerkrieg. Und genau das ist der Jeep: Ein Rebell, umzingelt von Horden stromlinienförmiger und mit Luxus vollgestopfter Lifestyle-Geländewagen. Das Verhältnis Jeep-SUV kann man mit einer Szene aus dem Film "Crocodile Dundee" erklären: Den Naturburschen Dundee alias Paul Hogan verschlägt es aus dem australischen Busch nach New York. Als er in einer dunklen Gasse von einem Räuber mit Springmesser bedroht wird, zückt er nur lässig seine Machete: "Das ist doch kein Messer, Junge, das hier ist ein Messer…"
Ein echter Jeep ist kein SUV, war es nie, wird es nie sein. Hier ist Bequemlichkeit ein Fremdwort und Härte Programm. So wie bei dem grünen CJ Baujahr 1980, in dem ein Computer-Fachmann und seine Lebensgefährtin nach Gevenich angereist sind. Technik und Optik haben sich seit dem Ur-Jeep aus dem Zweiten Weltkrieg nicht wesentlich verändert. Unter der Haube werkeln gerade einmal 116 Pferdestärken, und der Motor sieht so aus, als ob ihn jeder Dorfschmied mit verbundenen Augen reparieren könnte. "Jeep Fahren hat einfach etwas Ursprünglich", sagt das Besitzer-Pärchen. Das Verdeck schützt nur notdürftig vor Regen. Einziger Tribut an Sicherheit und Komfort sind bequemere Sitze mit Hosenträger-Gurten. Bevor sich die rustikalen Geländegänger auf dem Offroad-Parcours im Schlamm wälzen dürfen, werden die Autos von Sachverständigen gecheckt. Dabei geht es nicht nur um eine funktionsfähige Mechanik.
Unsterblicher Kultstatus bei Offroadern
Es wird zum Beispiel peinlich genau darauf geachtet, dass die Jeeps kein Öl verlieren und damit den Waldboden tränken. Außerhalb der gekennzeichneten Strecken zu fahren, ist absolut tabu. Doch auf den Offroad-Pisten geht die Post ab. Je nach gewünschtem Schwierigkeitsgrad gilt es, eine grüne, rote oder schwarze Strecke zu bewältigen. Schon bei der grünen Strecke würden so manchem SUV ängstlich die Räder schlottern. Spätestens bei der schwarzen Strecke wird klar, warum der Jeep bei Offroadern seinen unsterblichen Kultstatus genießt. Die urwüchsigen Allradler klettern steilste Hügel hinauf, wühlen sich durch matschiges Gestrüpp und waten knietief im Bach.
Um die Faszination des Jeeps zu verstehen, muss man wenigstens einmal im Original mitgefahren sein. So wie in dem Ur-Jeep von Sonja Felser. Abgesehen von der grellgelben Lackierung unterscheidet den Veteranen kaum etwas von dem unverwüstlichen Militärfahrzeug, mit dem die Legende im Zweiten Weltkrieg ihren Anfang nahm. Der alte Willys Jeep wird mit einem Fußstarter angelassen. Anders würde es auch keinen Sinn machen - der Satz "Sorry, Sergeant, ich habe den Zündschlüssel verloren" hätte schließlich mitten im Gefecht für peinliche Situationen bei der U.S. Army sorgen können. Der alte Jeep knattert beim Start nur unwillig los, Sonja Felser muss mächtig im Getriebe rühren. Türen gibt es keine, man sitzt praktisch direkt an der frischen Luft und hält sich in Kurven etwas ängstlich am Fensterrahmen fest.
"So ein Auto braucht viel Liebe und Aufmerksamkeit"
Das, was mit etwas gutem Willen als Federung bezeichnet werden kann, informiert den Fahrgast über jeden Kiesel auf der Straße. "So ein Auto braucht viel Liebe und Aufmerksamkeit", sagt Sonja Felser, während ihre Stimme gegen Motorgeräusch und Fahrtwind ankämpft. Die gelernte Kfz-Mechanikerin ist schon als Kind mit der Familie im Jeep durch die Lande getourt und kennt die Allrad-Urgewächse mit all ihren Macken und Tücken in- und auswendig. Wenn alte Jeeps nicht gehegt und gepflegt werden, werden sie schon mal bockig, springen nicht an oder machen beleidigt eine Ölpfütze unter sich.
Ein Hauch masochistischer Veranlagung
"Man muss als echter Jeep-Fan schon ein bisschen verrückt sein", sagt Sonja Felser. Und ein Hauch masochistischer Veranlagung kann wohl auch nicht schaden. Denn nach einer langen Ausfahrt im Jeep tun einem alle Knochen weh, die Klamotten sind nass oder mit Schlamm bespritzt, in den Ohren tönt noch das Knattern des Motors. Die Belohnung aber ist dieses Gefühl, mal wieder in einem richtigen Auto gefahren zu sein - ohne Luftfederung, ohne Elektronik-Schnickschnack, ohne Klimaanlage und Navigationssystem. Und ab und zu muss sich ein Auto einfach in seinem Element austoben. Das meint auch der Mann mit dem Cowboyhut, der liebevoll den schlammbespritzten Kotflügel seines Jeeps tätschelt: "Der will doch nur spielen."