Legenden leben länger. Als Volkswagen 1975 dem Golf in sportliche Klamotten steckte, konnte kein Mensch ahnen, dass der GTI getaufte Krawallo Millionen Männerherzen im Sturm erobern würde. Man rechnete mit einem Absatz von knapp 5.000 Fahrzeugen. 28 Jahre später macht sich die fünfte Golf-Generation daran, an alte Erfolge anzuknüpfen. An seiner Seite: der nächste GTI.
Der Herr im Golf-Haus
Offiziell ist der sportliche Wolfsburger nur eine Studie und schwebt, unantastbar für die Massen, in Halle 3. Dennoch stellt er seine zivilen Markenkollegen ohne Probleme ins Abseits. Knallrot lackiert und mit großen Leichtmetall-Rädern, tiefer Frontschürze, Seitenschwellern sowie Doppelrohr-Sportauspuff ausstaffiert, lässt der Landstraßen-Schreck keine Zweifel daran, wer in der Golf-Familie die Hosen anhat.
Alte Tugenden
VW preist den GTI als "Ikone der sportlichen Kompaktwagen" und scheint sich tatsächlich an alte Tugenden zu erinnern. Vom kompromisslosen Sportler vergangener Tage ist nicht mehr viel geblieben. Der Golf entwickelte sich weiter und wurde fett. Mehr Komfort und Sicherheit bedeuteten auch mehr Gewicht. Die Motorleistung hielt mit dieser Entwicklung nicht mit. Der GTI verkam vom brachialen Mercedes-Killer zum teuren Altherren-Spielzeug. Das Rad der Zeit lässt sich schwer zurückdrehen, und doch kann man den Autobauern vom Mittellandkanal nicht absprechen, dass sie aus ihren Fehlern gelernt haben.
200 PS
Optisch setzt sich der Golf wieder deutlich von seinen Artgenossen ab, und unter der Haube darf endlich wieder gefeuert werden. Ein neu entwickelter Vierzylinder-Turbomotor mit Benzin-Direkteinspritzung beliefert die Vorderräder mit 200 Pferdestärken. Zur Erinnerung: Dem Ur-GTI reichten 110 PS, um die Sportwagen-Kunden der damaligen Zeit in eine tiefe Glaubenskrise zu stürzen.
Im Innenraum sind die Arbeiten dezenter vorangekommen. Sportsitze müssen sein, ebenso wie Intarsien aus gebürstetem Aluminium, die sich an Pedalen, Einstiegsleisten, Fußablage und Sportlenkrad wieder finden. Ein netter Gag mit Tradition: das eingestickte GTI-Logo in den Kopfstützen.
Premiere in Paris
Von ausschweifenden Studien-Spinnereien keine Spur. Die GTI ist schon als Studie ein Auto fürs Volk. Daraus machen sie auch bei Volkswagen keinen Hehl. Ende des Jahres darf das gute Stück nach Paris zum Autosalon. Als echter GTI und nicht als Studie.
Dann wird wohl auch ein recht unschönes Plastikteil verschwunden sein, dass in Frankfurt den Schein einer Studie aufrecht hält. Wie der jüngst vorgestellte Mittelmotor-Roadster "Concept R" bilden der obere und untere Kühlergrill eine V-förmige Einheit. Eine Idee, die man beim Volkswagen-Konzern wieder sehen wird. Bei den Audis der Zukunft.
Jochen Knecht