Es geschah, als Jessica Böhm vor einigen Wochen mit ihrem Auto tankte und auf der Zapfsäule den Endpreis sah - höher als je zuvor. "Da platzte mir der Kragen", sagt die 36-jährige Mutter von drei Kindern. Sie lebt auf dem Land, muss viel fahren, und das geht ins Geld. Jessica Böhm beschloss umzusatteln: "Seit einem Jahr erlebe ich, wie Freunde von mir für 13 Euro volltanken - mit Erdgas. Jetzt mach ich das auch."
Kurzerhand fuhr sie nach Holßel bei Bremerhaven. Die 809-Seelen-Gemeinde ist seit einigen Wochen eine gefragte Adresse. Der Grund: Die dortige Autowerkstatt Irion kann teure Benzinschlucker in sparsame Erdgasmobile umwandeln. Seit die Benzinpreise Anfang September ein neues Rekordhoch erreichten, steht bei Irion das Telefon nicht mehr still. 2004 trudelte eine Anfrage im Monat ein, jetzt sind es mehr als 15 pro Tag. "Der Ansturm ist kaum zu bewältigen", sagt Mechaniker Thomas Zander. Bis Dezember sind alle Termine vergeben.
Die grosse Nachfrage erklärt sich mit einem Griff zum Taschenrechner. "Eine Umrüstung kostet je nach Motor zwischen 3800 und 4200 Euro", rechnet Zander vor. Die regionalen Gasunternehmen fördern den Wechsel mit unterschiedlich hohen Erstattungsbeiträgen. Jessica Böhm kassiert von ihrem Energieversorger 60 Prozent der Umbaukosten, 2400 Euro. Bleiben noch 1500 Euro für sie. "Ich fahre im Jahr etwa 40 000 Kilometer. Die Investition habe ich bei den derzeitigen Spritkosten nach 25 000 Kilometern, also nach etwas mehr als einem halben Jahr, wieder drin."
Zwar ist der Gaspreis
an den Ölpreis gebunden und steigt mit ihm zeitverzögert. Dennoch rechnet sich das Gas, weil die Steuerbelastung deutlich geringer ist und sich bis 2020 - gesetzlich garantiert - daran nichts ändern soll. Derzeit kostet ein Kilogramm Erdgas im Durchschnitt 75 Cent. 18 Kilo passen in Frau Böhms Gasflasche im Kofferraum, das macht 13,50 Euro für eine Tankfüllung. Damit kommt sie mit ihrem Kombi etwa 250 Kilometer weit.
Hier aber liegt auch das Problem der Erdgasautos: Der Sprit-Schnäppchenjäger muss häufiger eine Tankstelle aufsuchen. Obendrein gibt es nur etwa 600 Erdgastankstellen im Bundesgebiet. Die sind ungleich verteilt. Findet man in der Region Rhein-Ruhr schnell eine Zapfsäule, so muss man in Niederbayern oder im Sauerland schon mal längere Umwege in Kauf nehmen. Gleiches gilt bei Urlaubsfahrten: In Italien oder Schweden gibt es keine Probleme, in Frankreich oder Spanien ist das Netz dünn.
Doch die Angst vor dem Liegenbleiben ist unbegründet. Fast alle Gasautos fahren mit Gas und Benzin. Der Motor startet mit Benzin; ist er 25 Grad warm, schaltet er automatisch auf Gas um. Ist das verbraucht, geht es mit Benzin weiter.
In einigen Regionen Deutschlands hat sich in den vergangenen Jahren das Flüssiggas gegenüber dem Erdgas an den Tankstellen durchgesetzt. Obwohl die Umrüstung auf die flüssige Variante etwa 1000 Euro günstiger ist, rechnet sich das Umsteigen nicht für jeden Autofahrer. Denn die Steuervergünstigung für Flüssiggas endet 2009, danach dürfte der Preis um etwa 13 Cent je Liter steigen. In dem Fall wäre das Fahren mit einem Diesel günstiger.
Das Sparen per Gashahn hat noch einen positiven ökologischen Nebeneffekt. "Gerade gegenüber Dieselfahrzeugen, die ja auch Vielfahrer ansprechen, ist der Vorteil groß", sagt Lars Mönch, Experte beim Umweltbundesamt. Erdgasautos stoßen praktisch keine Rußpartikel aus, und die Belastung mit Stickoxiden ist erheblich geringer. Auch im Rennen mit den Benzinern gewinnt das Erdgas in punkto Ökologie. Es entsteht bis zu 25 Prozent weniger Kohlendioxid, die Smogbildung wird reduziert.
Pech für die Dieselfahrer: Eine Umrüstung auf Erdgas ist nur bei Benzinmotoren möglich. Bleibt die Alternative Bio-Diesel. Der ist im Schnitt zwischen 5 und 15 Cent billiger als Diesel, der Verbrauch aber bis zu zehn Prozent höher. Da nicht jeder Selbstzünder Bio-Diesel verträgt, muss eine Freigabe vom Hersteller eingeholt werden.