Messerschmitt Kabinenroller Dreirad? Auto? Flugzeug?

Mit Flugzeugen kannte sich Fritz Fend aus. Da war es nicht wirklich überraschend, dass er bei der Konstruktion von Fahrzeugen auf Experimente verzichtete. Erste Gehversuche auf der Straße unternahm der Flugzeugingenieur bereits 1946.

Mit Flugzeugen kannte sich Fritz Fend aus. Da war es nicht wirklich überraschend, dass er bei der Konstruktion von Fahrzeugen auf Experimente verzichtete. Erste Gehversuche auf der Straße unternahm der Flugzeugingenieur bereits 1946. Sein erstes Fahrzeug sollte ein Fortbewegungsmittel für Kriegsversehrte werden. Allerdings war zu dieser Zeit die Produktion von Fahrzeugen für die Zivilbevölkerung verboten und so entstand Fends Wägelchen aus ausrangierten Fahrradteilen. Zunächst als Tretmobil, später von einem winzigen Motorrad-Motörchen angetrieben.

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Klappbarer Einstieg

Aus dem abenteuerlichen Gefährt wurde nach und nach ein richtiges Fortbewegungsmittel. Ein stärkerer Motor, eine richtige Karosserie und eine aufblasbare Dachhaube. Letztere wurde schließlich verworfen - was blieb war der klappbare Einstieg und die Anordnung der Bedienelemente an einem Motorradlenker. Pedale waren überflüssig - für Invaliden ein entscheidender Vorteil. Zu haben war der "Fend Flitzer" für nur 1.285 Mark. Angetrieben wurde er von einem 4,5 PS starken Motor.

Kabinenroller statt Düsenjäger

Anfang der 50er traf Fend seinen alten Arbeitgeber Willy Messerschmitt. Der legendäre Konstrukteur des ersten Düsenjägers der Welt suchte nach Ende des Krieges ein neues Betätigungsfeld für seine Messerschmitt-Werke - die Produktion von Flugzeugen war deutschen Firmen noch verboten. Messerschmitt sah in Fends Konstruktion mehr als nur ein Fortbewegungsmittel für Kriegsversehrte.

Platz für zwei

Um jedoch für die breite Masse attraktiv zu sein, wurde der Flitzer umgekrempelt. Heraus kam dabei 1953 eine dreirädrige Stahlblechkarosserie auf einem Rohrrahmen mit einer seitlich zu öffnenden Plexiglashaube - der Messerschmitt Kabinenroller KR 175. Zwei erwachsene Personen fanden dabei mehr oder weniger komfortabel hintereinander Platz - wahlweise blieb dann noch Platz für etwas Gepäck oder ein schmächtiges Kind.

Neun PS

Angetrieben wurde die, selbst für damalige Zeiten, außergewöhnliche Konstruktion von einem neun PS starken Einzylinder-Zweitaktmotor von Fichtel&Sachs. Die Leistung reichte aus, um den 210 Kilo schweren Kabinenroller auf stolze 100 Sachen zu beschleunigen. Auf einen Rückwärtsgang musste die Kundschaft zunächst jedoch verzichten. Wer unbedingt rückwärts einparken wollte, musste seinen Messerschmitt in die Parklücke schieben. Grundsätzlich kein Problem - bei übersichtlichen 2,8 Metern Gesamtlänge.

Messerschmitt Kabinenroller KR200

Motor

Sachs Einzylinder Zweitakt-Triebwerk

Hubraum

191 Kubikzentimeter

Leistung

10 PS

Länge/Breite/Höhe

2.820/1.220/1.200 Millimeter

Gewicht

230 Kilogramm

Preis 1955

2100 Mark

Vier Rückwärtsgänge

Besserung brachte erst der KR 200. Er wurde gleich mit vier Rückwärtsgängen geliefert, denn um die Fahrtrichtung zu wechseln, wurde einfach die Drehrichtung des Motors umgekehrt. So konnte der wackere Messerschmitt-Lenker die vier Gänge in jeder Fahrtrichtung nutzen.

Sein geringes Gewicht und der im Verhältnis kräftige Motor machten den Messerschmitt praktisch konkurrenzlos schnell - solange man keine Kurven fahren wollte. Fliehkräften hatte das rasende Dreirad kaum etwas entgegen zu setzen.

2.100 Mark musste mindestens anlegen, wer in den Besitz eines Schneewittchensargs zu kommen. Die Cabrio-Version und eine bessere Ausstattung schlugen mit einem Aufpreis von bis zu 400 Mark zu Buche.

Vom Schneewittchensarg zum Tiger

40.000 Kabinenroller verließen von 1953 bis 1956 das Werk in Regensburg. Dann trennten sich die Wege von Messerschmitt und Fend. Während Messerschmitt wieder Flugzeuge baute, gründete Fend die Firma "Fahrzeug und Maschinenbau Regensburg" (FMR) und produzierte weiter Kabinenroller. 1957 präsentierte FMR einen Super-Kabinenroller: den Tg500 "Tiger". Die nur 350 Kilo schwere Riesen-Badewanne hatte erstmals vier Räder und wurde von einem bis zu 24,5 PS starken Motor angetrieben. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern war der Tiger ein heißes Geschoss. Leider auch kein billiges. 3.650 Mark musst man mindestens für die sportliche Katze anlegen - zu viel für ein solches Nischen-Fahrzeug. So endete 1964 die Ära der Kabinenroller nach nur 950 produzierten Tigern.

Jochen Knecht

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