US-Autoindustrie Keine Dollar für große Schlitten

Charles Frazier aus Cleveland im US-Bundesstaat Ohio wird sich in den nächsten Jahren kein neues Auto kaufen. Keinen SUV-Schluckspecht, wie ihn seine Nachbarn aus alter Tradition noch fahren, und auch keinen Mittelklassewagen in Golf-Größe. Bei ihm reicht es weder zu einen noch zum anderen.

Viele Privat-Renten - oft die einzige Alterversorgung für viele Bürger der USA - haben in den vergangenen 15 Monaten rund 20 Prozent an Wert verloren. Ein Fünftel der erhofften Pensionszahlungen haben sich quasi in Luft aufgelöst. Die aktuelle Immobilienkrise verschärft die Situation.

Charles steht an einer Shell-Tankstelle in einem Vorort der nordamerikanischen Universitätsstadt Cleveland am Erie See. Bewundernd schaut der fünfzigjährige Elektriker auf die Flotte von über 30 nagelneuen Audi-Fahrzeugen vom A3 bis zum Q7, die im Rahmen einer Werbetour für den Dieselmotor in den USA unterwegs sind.

"Good cars" (gute Autos), lautet Fraziers Urteil und er betrachtet fachmännisch die silbernen Karossen aus Germany. Aber, so bedauert er, "to expensive" - zu teuer. Die Preisliste von Audi in den USA beginnt bei 27.000 Dollar oder rund 20.000 Euro für den A3 mit 2,0-Liter-Benzinmotor. Natürlich erkundigt Frazier sich nach der TDI-Technik. Geduldig lässt er sich erklären, dass man mit diesen Motoren und sechs Litern Diesel über 60 Meilen (rund 100 Kilometer) weit kommt und dass modernste Abgasreinigungstechnik den Schadstoffausstoß auf ein Minimum reduziert. Und er hört sich an, dass die deutschen Techniker überzeugt sind, in Sachen Umweltschutz bessere Arbeit geleistet zu haben als die Hybrid-Experten von Toyota, die den amerikanischen Markt mit dem Prius im Sturm erobert haben.

Konsumverhalten stockt

Charles findet vieles überzeugend. Doch die Dollars, die sein kleiner Zwei-Mann-Betrieb einbringt, wird er in erster Linie zum Lebensunterhalt verwenden. So klettern nach offiziellem Angaben für einen durchschnittlichen Haushalt in den USA allein die Heizkosten im kommenden Winter um 15 Prozent oder umgerechnet 110 Euro auf 900 Euro. Zu seinen Kunden will Frazier noch ein paar weitere Jahre mit seinem alten Nissan-Pick-up fahren. Der schluckt zwar, ist aber zum Glück schon abbezahlt.

In den Zeitungen der USA häufen sich gegenwärtig die Berichte, dass der Konsum allenthalben stockt. Die Kaufhäuser stöhnen über Umsatzeinbrüche und in den noblen Restaurants bleiben immer häufiger Stühle unbesetzt. Die "Washington Post" berichtet ausführlich von Truckern, die ihre Brote zu Hause schmieren und sich dort die gute alte Thermos-Kanne mit Kaffee füllen, statt zu McDonalds oder Starbucks zu gehen.

Richtig zufrieden sind Amerikaner wie Charles Frazier gegenwärtig nur mit Entwicklung der Spritpreise. Sie fallen an den Tankstellen wie die Kurse an der Börse. Eine Galone Benzin (rund 3,8 Liter) kostet jetzt umgerechnet 2,60 Euro. Dies ergibt einen für deutsche Verhältnisse traumhaften Literpreis von 0,70 Euro. Der Diesel kostet rund 15 Prozent mehr. Das schiebt die anderen Sorgen jedoch keineswegs in den Hintergrund. Die Zeit für die US-Automobilindustrie und auch die Importeure wird daher hart bleiben. Egal, ob sie Benzin-Autos, Diesel- oder Hybrid-Fahrzeuge anbieten. Zu sehr drücken die Amerikanern andere Sorgen als der Spritverbrauch ihres Autos.

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Helmut Weinand/MID