Jugendschutzgesetz Was wird hier gespielt?

Drei Jahre nach dem Blutbad in Erfurt kommen Kinder trotz des neuen Jugendschutzgesetzes immer noch an brutale Videogames.

Robert Steinhäuser schießt. Und trifft. Er schießt und trifft. Die letzte Kugel beendet sein Leben. Am 26. April ist es drei Jahre her, dass am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt 15 Lehrer und Schüler durch die Waffe in der Hand eines 19-Jährigen starben. Viele Politiker und Wissenschaftler äußerten den Verdacht, der Gewaltausbruch sei auch auf Steinhäusers Vorliebe für brutale Computer- und Videospiele zurückzuführen. Rasch wurde das Jugendschutzgesetz verschärft, um zu verhindern, dass solche Spiele in Kinderhände gelangen.

Doch obwohl der Gesetzgeber viel getan hat, steht heute fest: Es hat sich kaum etwas verbessert. Ein Beispiel: Nach den Schüssen von Erfurt wurde viel über das Spiel "Counter Strike" diskutiert, eine virtuelle Terroristenjagd, für die sich auch Robert Steinhäuser begeistert haben soll. Es ist bis heute ein beliebtes Spiel: 21 Prozent der deutschen Elf- und Zwölfjährigen sowie fast 50 Prozent aller 13- und 14-Jährigen haben "Counter Strike" schon einmal gespielt - so eine neue Studie des Jugendforschungs-Unternehmens tfactory. Eine aktuelle Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbandes Südwest bestätigt diese Zahlen für "Counter Strike", seit Jahren das beliebteste Computerspiel dieses Genres. Doch: Das Spiel ist erst ab 16 Jahren freigegeben.

Die weite Verbreitung

zeigt, wie leicht es Kindern fällt, das Gesetz zu umumgehen - und wie schwer offenbar den Eltern, sie daran zu hindern. Auf Schulhöfen gibt es Raubkopien von harter Ware für ein paar Euro. Und im Internet lassen sich die Spiele einfach besorgen, illegal, gratis - und, da die meisten Anbieter im Ausland sitzen, unbehelligt von der deutschen Justiz. Das Jugendschutzgesetz greift dafür an der Ladenkasse: Seit 1. April 2003 muss auf jedem Computerspiel vermerkt sein, ab welchem Alter es erworben werden darf. Verkauft ein Händler an zu junge Kunden, muss er mit einer Strafe von 50.000 Euro rechnen. Die Altersfreigaben werden von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) vergeben. Die USK kann einem besonders brutalen Spiel sogar die Kennzeichnung verweigern, woraufhin es zwar theoretisch erscheinen darf, jedoch mit höchster Wahrscheinlichkeit von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wird. Diese Spiele kommen in Deutschland meist nicht auf den Markt.

Mehr Infos im Internet

www.usk.de / www.zavatar.de Alles über die Alterskennzeichnungen von Videospielen
www.schau-hin.info Informationen für Eltern (ab Herbst mit Volkshochschulkursen)

"Wir haben in Deutschland die schärfsten Abgaberegeln weltweit", sagt Klaus-Peter Gerstenberger von der USK. Mehr als 2000 Spiele wurden im vergangenen Jahr geprüft. Das Ergebnis: Rund 40 Prozent sind ohne Altersbeschränkung freigegeben, knapp vier Prozent ab 18 Jahren erlaubt. Auch Jens Uwe Intat vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware hält die Altersgrenzen für sinnvoll. Auch deshalb, weil "es immer mehr ältere Spieler gibt - und damit auch immer mehr Spiele nur für Ältere." Für ihn ist das Gesetz nur ein Teil des Jugendschutzes: "Das ist nur eine Leitplanke. Wichtiger wäre es, Eltern und Lehrer besser zu informieren. Dabei muss die Spieleindustrie helfen."

Seine Forderung müsste auf offene Ohren treffen: Befragt nach der Relevanz gesellschaftlicher Themen ist nach einer Forsa-Umfrage vom November 2004 für 42 Prozent aller Eltern minderjähriger Kinder der Jugendschutz "persönlich am wichtigsten" - noch vor Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. "Eltern wollen Orientierung", sagt Klaus-Peter Gerstenberger von der USK. Und die gibt es: im Internet und ab Herbst bei Veranstaltungen an Volkshochschulen (siehe Kasten). Denn was der Kleine vor Fernseher oder PC machen darf und was nicht, ist Teil der Erziehung. Man muss eben hinschauen. Und nein sagen, wenn es nötig erscheint.

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Sven Stillich

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