SCHEIBE Steuer ungeheuer

Mit Cookie, Jörgi und Robert sitzt Scheibe mal wieder einmal im Kreuzberger »Locus«. Es geht um die Steuererhöhungen, die uns nächstes Jahr ins Haus stehen. Die Stimmung ist gedrückt.

Mit Cookie, Jörgi und Robert sitze ich mal wieder einmal im Kreuzberger »Locus« bei Taco mit Huhn und einem frisch gezapften Pils. Es geht um die Steuererhöhungen, die uns nächstes Jahr ins Haus stehen. Die Stimmung ist gedrückt.

Robert zündet sich eine Zigarre an und pafft stinkende Kringel in die Luft. »Meine letzte. Wer weiß, ob ich mir nächstes Jahr noch eine leisten kann.«

Jörgi kramt in seiner Jackentasche. Er zaubert ein Überraschungseier hervor und hält es mit zwei Fingern in die Luft. »Hier: Das Überraschungsei. Ein Opfer der Subventionsabschmelzung.«

Wir lassen kollektiv die Augenbrauen nach oben wandern und schauen Jörgi fragend an.

Was zählt: Schokolade oder Plastik?

»Dieses Ei wird subventioniert. Auf die Schokolade muss nur eine Mehrwertsteuer von sieben Prozent bezahlt werden, auf den Inhalt aber eigentlich eine von 16 Prozent. Jetzt gilt: Bei Kombiprodukten soll bald der höhere Prozentsatz gelten. Für das ganze Ei müssen dann 16 Prozent Märchensteuer bezahlt werden.«

»Und?« fragt Cookie. »Was hat das für Konsequenzen für das Ei?«

»Die arme Firma, die Millionen Überraschungsei-Figuren von Hand anmalen lässt, muss fortan mit einer geringeren Marge auskommen. Erhöht sie den Preis für das Ei, werden viele Hausfrauen den Kauf der Eier aus Protest einstellen. Lassen sie den Preis aber so, muss an anderer Stelle gespart werden. Meine Prognose: Das mit der Sammelfigur könnt ihr bald knicken. In jedem siebten Ei, da sind wir jetzt dabei - das wird nix mehr. Dann heißt es nur noch: Nur noch in jedem zehnten Ei, das gibt großes Geschrei.«

»Davon geht die Welt nicht unter«, wiegelt Robert ab.

Jörgi insistiert: »Doch, mir fehlt noch immer der Dark Laser. Und eine Figur alle sieben Eier ist schon schlimm genug.«

»Stimmt«, gebe ich meinen Senf dazu: »Den Rest können die Kinder eh nicht selbst zusammenbasteln. Das ist voller Schrott.«

»Ihr seid echte Egoisten«, meint Robert. »Das mit dem Kombisatz beschränkt sich doch nicht nur auf die Überraschungseier. Denkt doch mal an die ganzen Kinder- und Jugendzeitschriften am Kiosk. Die mit dem beigeklebten Gimmick. Bislang gilt für diese Magazine nur der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Schon bald soll es heißen: 16 Prozent, weil dem Heft etwas beigeklebt wird, was eigentlich mit 16 Prozent versteuert werden muss.«

»Dann müssen die Verleger neun Prozent mehr Steuern auf die Hefte zahlen?« staunt Jörgi.

»Kannste doch vergessen«

»Jawohl«, sagt Robert. »Unsere Kinder belegen im PISA-Test und allen anderen Umfragen im Europavergleich zwar immer nur letzte Plätze. Aber natürlich nehmen wir ihnen jetzt noch die ganzen Bastelvorlagen aus ihren Lieblingsheften weg. Denn neun Prozent Umsatzausfall, das können die gebeutelten Verlage nicht so einfach wegstecken. Also verzichten sie fortan auf die Gimmicks oder verwenden noch billigere Produkte. Kannste doch vergessen.«

»Aber der Staat braucht Steuern«, wirft Cookie ein. Das haben alle im Locus gehört. Die anwesenden Studenten, aber auch viele hart arbeitende Kiez-Angehörige drehen sich um und schauen Cookie mit hartem Blick strafend an.

Wo wird zuerst gespart

Robert ergreift das Wort: »Ja, schon. Aber gerade die Verlage gehören doch sowieso zu den großen Verlierern der momentanen Notlage. Wo sparen denn die Kunden zuerst? Bei den Zeitschriften und Büchern. Die leben eh alle am Existenzminimum. Dutzende Verlage sind bereits Pleite gegangen oder haben sich von vielen Redakteuren trennen müssen, die jetzt arbeitslos sind. Dieser neue Geldverlust wird noch viel mehr Arbeitsplätze kosten. Und durch die zu erwartenden Minderverkäufe am Kiosk sinken die Steuereinnahmen trotz der Erhöhung sowieso weiter.«

Ich mische mich ein. »Ich hab euch das Schlimmste noch gar nicht gesagt«. Vielsagend schlürfe ich mein Bier und stürze mich dann auf meinen Taco, als hätte ich Heißhunger wie noch nie. Die Aufmerksamkeit meiner Freunde ist mir gewiss. Auch der Nachbartisch schaut mich an.

Werden viele PC-Magazine über die Klinge springen

Ich lege los: »Das gilt auch für CDs. Denkt einmal an all die vielen Computer-Zeitschriften mit beigeklebter CD. Die sollen laut dem Willen der Regierung im nächsten Jahr 16-Prozenter werden. Bislang müssen aber nur sieben Prozent abgeführt werden. Die Verlage verdienen also neun Prozent weniger an einem Heft. Das wird viele PC-Magazine über die Klinge springen lassen. Die Folge ist außerdem: Die CD wird weggelassen, wo es nur geht. Es wird Einsparungen geben, etwa im Seitenumfang oder in der Produktqualität. Darunter leiden dann CD-Brennwerke, Verlagsdruckereien, Programmierer und Journalisten. Das ist auch wieder so ein Steuerpaket, das sich am Ende als Chinakracher erweist und für noch mehr Arbeitslose und noch weniger Steuereinnahmen sorgt.«

Jörgi winkt ab: »Das sagst du nur, weil du die CDs zusammenstellst und direkt betroffen bist.«

Ich schmolle

Ich schmolle: »Die Heft-CDs stellen die Grundversorgung der Bevölkerung mit Software aller Art sicher und sind sehr wichtig. Außerdem ist die Zeitschrift noch immer das eigentliche Kernobjekt des Verkaufs. Und Bücher und Zeitschriften sind nun einmal an und für sich förderungswürdig und damit Siebenprozenter. Bücher mit CD sollen übrigens auch 16-Prozenter werden.«

Cookie bestellt noch eine Runde Bier. »Warten wir erst einmal ab, ob all diese Steuerideen auch wirklich umgesetzt werden. Bis dahin horten wir einfach Überraschungseier, kaufen Zeitungen mit beigeklebten Kinderspielzeug auf Vorrat und besorgen uns alle Zeitschriften mit einer Heft-CD.«

Jörgi spuckt vor Schreck ins Bier: »Ich bin schon froh, wenn ich nachher noch meine Tacos bezahlen kann.«

Carsten Scheibe

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