Bei eBay staune ich schon lange. Nicht nur darüber, dass es dem Online-Riesen anscheinend nicht möglich ist, das Geld der Käufer vollautomatisch einzuziehen und an den Verkäufer weiterzureichen, wie Amazon das mühelos auf die Reihe kriegt. Nein, ich meine die Bewertungen. Jeder Kaufakt, der bei eBay ausgelöst wird, leitet umgehend eine Bewertungsarie ein, die unglaublich viel Zeit verschlingt. Der Verkäufer bewertet am Ende den Käufer und der Käufer den Verkäufer. Wenn wir davon ausgehen, dass 99 von 100 geschäftlichen Transaktionen ohne weitere Probleme ablaufen, dann kommt es in der Folge zu 99 extrem lobhudelnden und ebenso überflüssigen Bewertungen.
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In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.
Da schreiben dann die Verkäufer:
"Supernetter Kontakt, alles tutti."
"Hat superschnell bezahlt, immer gerne wieder."
"So macht Verkaufen Spaß."
"Solche Kunden darf es gerne mehr geben."
Und die Käufer schreiben:
"Das Paket war superschnell da. Danke."
"Prima gelaufen, alles in Ordnung."
"Professioneller Verkäufer, 1A Service"
"Da kaufe ich immer wieder gern ein."
Ich meine, was soll das? Sollen Käufer und Verkäufer am Ende einen Schleim-Award bekommen? Man stelle sich einmal vor, der Käufer würde nach jedem Besuch eines real existierenden Supermarktes hinter der Kasse aufgehalten werden, um einen Kommentar abzugeben. Alle Welt würde aufschreien wegen Zeitdiebstahl. Dabei könnte das im Supermarkt sogar sinnvoll sein:
"Vorsicht, der Salat ist heute schon verschimmelt."
"Die Wurstverkäuferin ist echt ganz schön zickig, hat wohl PMS."
"Die Milch ist teilweise schon abgelaufen."
"Der neue Kassierer kann nicht rechnen und gibt zu viel raus."
Bewertungsmist
Muss dieser Bewertungsmist denn wirklich sein? Ich kaufe schon gar nicht mehr gern bei eBay ein. Erst kriege ich zig Mails, dass ich die Auktion gewonnen habe und dass ich total kompliziert mit dem Verkäufer in Kontakt treten muss, dann folgen die Aufforderungen, doch bitte, bitte eine Bewertung abzugeben. Dabei heißt doch mein Motto "Nicht geschimpft ist genug gelobt."
Auf dem Amazon Marketplace habe ich zuletzt jede Menge Romane von Robert B. Parker erstanden - zum Teil für einige wenige Cents pro Buch. Ich möchte mir nämlich gern eine Sammlung aller Spenser-Krimis zulegen. Auch wenn das bedeutet, dass ich pro 5-Cent-Buch noch 2,20 Euro Porto drauflegen muss. Mein größtes Problem: Auch hier soll ich eine Bewertung des Verkäufers abgeben. Wozu? Es würde doch völlig ausreichen, wenn es die Möglichkeit gibt, sich zu beschweren, wenn etwas schief geht. Das kostet nur im Ernstfall Zeit und zeigt zukünftigen Kunden auf einen Blick, was bislang in der Vergangenheit alles nicht geklappt hat.
Die letzten Monate habe ich mich verweigert und keine einzige Bewertung mehr abgegeben. Das hat aber anscheinend mein Karma verletzt. Ich fühle regelrecht den digitalen Missmut der globalen Internet-Community über mir schweben, weil ich mich nicht an die Regeln halte und ein Spielverderber bin. Also gebe ich zähneknirschend nach. Dafür erfinde ich aber meine eigenen Kommentare:
"Bin unzufrieden: Das Buch lag falsch herum im Briefumschlag!"
"Verkäufer hat eine total süüüüße Briefmarke aufs Paket geklebt. Danke!!!!"
"Mann, dass so was noch klappt: Digital bestellen und analog versenden!"
"Super Verkäufer. Kenne ich zwar überhaupt gar nicht, aber - super!"
"Hat mir doch tatsächlich das Richtige geschickt. Bin begeistert."
So, nun geht es mir besser und ich hab mir meinen Grimm von der Seele geredet. Und was habe ich davon? Nun kann dieser Artikel bewertet und kommentiert werden. Kann man den Bewertungen denn nirgendwo mehr entgehen?
Eine Glosse von Carsten Scheibe
Scheibe@typemania.de, www.typemania.de