Postkarten. Das ist etwas, dem ich mich seit Jahren komplett entziehe. Ich hasse diese Karten, die kitschige Sonnenuntergänge, blanke Popos oder Traumstrände zeigen, die nie dort zu finden sind, wo es die Postkarten zu kaufen gibt. Da schreibt man dann in zehn Zeilen seine typischen Sprüche drauf, dass alles schön ist vor Ort und Trallala - und bezahlt dann höllisch viel Porto dafür, dass die Karte erst Tage nach einem selbst am Heimatort ankommt.
Die Alternative
Dieses Mal habe ich das Notebook wieder mit im Florida-Urlaub dabei. Und so sitze ich nachts auf dem Balkon, schaue auf den erleuchteten Pool herunter und freue mich über ein offenes WLAN, das zu mir herüberweht und es mir erlaubt, meine Mails zu versenden. Ich suche aus einer Laune heraus eins der frisch aufgenommenen Digitalfotos heraus, schneide es zurecht und schicke es an alle Privatkontakte aus meinem Postverzeichnis - und an einige wenige Geschäftspartner. Dazu schreibe ich - auch nicht viel länger als auf einer Postkarte - was wir so erlebt haben. Schwupps ist die Mail verschickt, ganz kostenfrei und an knapp 60 Leute.
Der Vorteil gegenüber der klassischen Postkarte ist das Feedback. Einen Tag später ist mein Postfach voll von ganz privaten Sommerantworten - als hätten die anderen nur auf die Gelegenheit gewartet, es mir gleichzutun. Kutti schreibt, dass seine Tochter noch für genau drei Tage in Fort Lauderdale ist, wo sie eine Sprachenschule besucht und nebenbei genau das macht, was sie am besten kann: shoppen, shoppen, shoppen. Ob wir sie wohl davon abhalten könnten? Leider nicht, denn Fort Lauderdale ist eine halbe Tagesreise von unserem Quartier in Florida aus entfernt. Denn wir haben früh gelernt, dass man in Florida drei Sachen nicht unterschätzen darf - die Sonne, die Entfernungen und die Mücken.
Mail von Victor
Viktor schickt auch eine Mail. Er hat übrigens geheiratet, teilt er da lapidar mit. Seine Freundin. Und zwar in Kaschmir, weil das 5.000 Kilometer von zu Hause aus entfernt ist und so dafür sorgt, dass die Verwandtschaft nicht zugegen sein kann, um die Zeremonie zu stören. Auch eine Idee. Ein Foto vom frisch gebackenen Ehepaar liegt der Mail auch noch bei, allerdings aus Amsterdam. Viktor kommt anscheinend ganz schön rum. Und er schreibt: "Und wenn du in Miami in Little Havanna vorbeischaust, kannst du mit den reaktionären Exil-Kubanern feiern, dass Fidel darnieder liegt."
Mehr von Carsten Scheibe
Mein dreckiger Schreibtisch Müssen eigentlich alle Kreativen kleine Dreckferkel sein, was die Ordnung auf ihrem Schreibtisch anbelangt? Fast scheint es so! Carsten Scheibe sammelt die "schlimmsten" Tatsachenfotos aus der ganzen Welt. Staunen, Erschrecken, Mitmachen: DreckigerSchreibtisch.de
Es geht weiter. Goldi meldet sich aus Italien zurück. Er hat die Mörderalgen in Ligurien mit eigenen Augen gesehen, war in Genua im größten europäischen Meerwasseraquarium und hat die Formel-1-Strecke in Monaco mit dem eigenen Auto abgefahren. Mit dem gleichen Auto steckte er anschließend für eine satte Stunde in einem Tunnel fest, der wegen eines Verkehrsunfalls komplett gesperrt wurde. Eine leckere Vorstellung. Er schickt auch ein Bild mit, allerdings einen Scan von der BRAVO. Da ist die Frontsängerin von Silbermond in einem gelben T-Shirt der Weltraumjogger zu sehen, dessen Logo er, Goldi, vor Jahren selbst entworfen hat. Er ist baff ob der Zufälle, die das Leben so schreibt.
Patrick meckert
Patrick ist sauer. Er lebt in Boston, war hier Postdoc in Harward und hat nun eine Professur in Washington angenommen. Er meint, wir könnten uns doch ruhig ins Auto setzen und zu ihm nach Boston fahren. Für einen kleinen Besuch, sei doch nicht so weit. Während er noch meckert und grummelt, legt er Fotos bei - von seinem letzten Stadionsbesuch bei einem Red-Sox-Baseball-Spiel. Unglaublich, diese Atmosphäre in so einem vollen Baseball-Stadion.
Meine Cousine Petra schreibt auch. Sie wohnt in der Nähe von New York, hat 41 Grad und schimpft: "Kein Mensch will bei diesem Wetter draußen sein und ihr fahrt nach Florida in diese Hitze, um euch zu erholen. Ihr spinnt." Immerhin hat sie noch einen netten Tipp parat: "Lasst euch nicht von den Sharks anfressen." Danke, Petra. Und mehr Mails sind erst einmal nicht gekommen.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania