Als ich vor Jahren davon gehört habe, dass Pokern in den USA so populär ist, dass es live im Fernsehen übertragen wird, habe ich noch mit dem Kopf geschüttelt. Was für ein Unsinn. Inzwischen bin ich selbst mit dem Virus infiziert und trage einen schweren Silberkoffer mit mir herum. Der enthält genug schwere Chips, um überall und an jeder Stelle sofort ein Pokerturnier eröffnen zu können. Regelmäßig so alle sechs Wochen treffen wir uns mit den Jungs im Keller, um ein echtes Turnier auszutragen. Da bekommt jeder Teilnehmer 10.000 Chips, der Blind startet bei 25 Chips und man kann sich langsam warm spielen, bis die Blinds steigen und es langsam spannend und auch kritisch wird. Wer als letzter am Tisch übrig bleibt, gewinnt und kassiert den Pott - was immer da auch drin ist.
Wer Pokern nicht kennt, muss schnell schlau gemacht werden. Beim Texas Hold 'em bekommen alle Spieler nur zwei Karten auf die Hand, die sie auch nicht mehr tauschen dürfen - nur wegwerfen. Im nächsten Schritt werden öffentlich drei Karten aufgedeckt, das ist der Flop. Dann kommt eine vierte Karte, das ist der Turn. Dann eine fünfte Karte - der River. Zwischen all diesen Runden dürfen Chips geboten werden. Wer weiter mit dabei bleiben möchte, muss diese Chips bezahlen - oder passen. Am Ende gibt es sieben Karten für jeden Spieler: zwei auf der Hand und fünf auf dem Tisch. Aus diesen sieben Karten werden die fünf wertigsten Karten herausgezogen - das ist dann das Blatt, mit dem man punkten kann. Damit nicht alle Spieler passen, bis sie das perfekte Blatt bekommen, müssen immer zwei wechselnde Spieler in der Runde die Blinds bezahlen. Der Small Blind ist ein halber Einsatz, der Big Blind ein voller.
Online üben für die Keller-Pokerrunde
Es ist eine Sache, ob man mit fünf, sechs Laien pokert, die das Spiel gerade erst erlernen, oder ob man gegen echte Kenner, Könner und Profis antritt. Ich habe das im Internet gemerkt. Um ein wenig für unsere Kumpelrunden zu üben, habe ich mich bei einem der zahllosen Pokerräume im Internet angemeldet und hier 1000 Dollar Spielgeld in die Hand gedrückt bekommen. Dann kann man sich per Mausklick an einen virtuellen Pokertisch setzen, um gegen echte Online-Spieler aus der ganzen Welt anzutreten. Ich will's kurz machen: Der erste Tausender war in einer Stunde weg, der zweite auch, der dritte sowieso. Mein Problem beim Online-Pokern war: Ich spielte einfach zu viele Hände, setzte also auch bei schwachen Karten auf der Hand Geld auf die reine Möglichkeit, dass vielleicht doch noch was geht, wenn erst einmal die fünf Karten in der Tischmitte aufgedeckt werden. Aus den Karten 2+3 auf der Hand kann sich schließlich immer noch eine respektable Straße ausbilden, wenn auf dem Tisch nur die Karten Ass+4+5 dazukommen. Alles schon dagewesen. Leider nie dann, wenn richtig viel Geld auf dem Tisch liegt. Beim Pokern muss man eben immer die Wahrscheinlichkeit berechnen, die besagt, wie gewinnträchtig das Blatt in den eigenen Händen ist.
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In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.
Beim Limit-Spielen sucht man sich einen Tisch mit fester Blind-Struktur. Bei 1000 Dollar Spaßgeld-Startkapital hab ich gern an Tischen mit 25+50 Dollar Blindstruktur gespielt. Bei einem Limit-Spiel kann jeder Spieler seinen Einsatz immer nur in der Höhe des Blinds tätigen. Das bedeutet, dass man keine Unsummen verlieren kann, wenn bereits vor dem Flop heftig geboten wird. Mit wenig Geld kann man sich also einen Blick auf den Flop erkaufen, um dann zu überlegen, wie man das eigene Spiel vielleicht weiter entwickelt. Bei einem Limit-Spiel ist Bluffen keine gute Option, weil man den Gegner eben dank dieser geringen Verlustmöglichkeit schlecht vom Tisch drängen kann. Also spielt man nur wirklich starke Hände zu Ende. Ich konnte mit dieser Strategie - den Flop möglichst oft ansehen und dann nur starke Hände spielen - schnell so viel Chips einsammeln, dass ich auf 40.000 Dollar hochgeschossen bin. Da überlegt man schon im Hinterkopf, was wäre, wenn es sich dabei nun um echtes Geld gehandelt hätte. Allerdings treiben sich an den Limit-Tischen auch viele Poker-Frischlinge herum, die auch mit nix auf der Hand voll mitbieten - und dann wie ich am Anfang nach wenigen Minuten auch schon wieder pleite sind. Macht ja nix: Beim Gratis-Pokern kann man sich ja per Mausklick alle fünf Minuten frisches Kapital holen, um neu durchzustarten.
Übermütiges Pokern beim Texas No Limit
Auf jeden Fall bin ich online schnell übermütig geworden. Wenn das mit dem Limit-Pokern so gut klappt, dann sollte ich doch auch einmal das Texas No Limit ausprobieren, das immer im Fernsehen zu sehen ist. Hier kauft sich der Spieler mit seinem Spielgeld an einem 200/400-Dollar-Blinds-Tisch ein. In dieser Runde gibt es beim Setzen nur noch ein Limit- und das ist das eigene Geld auf dem Tisch. Erneut musste ich bitteres Lehrgeld bezahlen. Während das Checken (weiter am Tisch bleiben, ohne dafür Geld zu bezahlen, in der Hoffnung, dass auch kein anderer in der Runde bietet) bei der Limit-Variante sehr verbreitet ist, ist es beim No-Limit-Pokern das ultimative Zeichen von Schwäche. Man kann sich ganz sicher sein, dass dann der nächste Spieler gleich statt ein paar Blind-Dollar sofort richtig viel Geld auf den Tisch schüttet. Und da man mit einem unsicheren Blatt auf der Hand nicht so viel Geld verlieren möchte, passt man eben lieber. So wird man ganz schnell vom Tisch gedrängt und der Gegenspieler schnappt sich den Pott - egal, wie viel da gerade drinnen gelegen hat.
Auf die ganz harte Tour lernte ich hier, dass No-Limit-Pokern absolut kein Glücksspiel ist, sondern reine Strategie. Oft genug entscheiden sich die Runden, ohne dass auch nur die Flop-Karten aufgedeckt werden. Ich hab mal bei den High Rollers reingeschaut, die um Tausende Dollar spielen: Da wird nur in jeder 10. bis 20. Runde das Blatt ausgespielt, weil schon vorher durch hohe Einsätze versucht wird, den Gegner vom Tisch zu vertreiben. Und das sehr erfolgreich. Das ist dann wie Pokern ohne Karten.
In der Folge schmiss ich beim No Limit schon bald jede zweite Hand weg und gab auch darüber hinaus schnell auf, wenn ich beim Aufdecken des Flops einmal nichts getroffen hatte. Allerdings ist ein vorsichtiges Spielen beim No Limit nicht möglich, denn entweder steht man zu seinen Karten und ist dann auch dazu bereit, viel Geld in den Pott zu werfen, oder man schmeißt die Karten besser gleich weg, bevor man so viele Chips bezahlt hat, dass man es sich eigentlich nicht mehr leisten kann, zu passen.
Adrenalin pur: Jeder glaubt, das beste Blatt zu haben!
Das Schlimmste oder Beste beim Pokern ist, wenn mehrere Spieler zur gleichen Zeit glauben, das perfekte Blatt auf der Hand zu haben. Dann schmeißen alle Teilnehmer so viel Geld auf den Tisch, dass die Finger zu kribbeln beginnen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich Dame+König auf der Hand hatte und im Flop Ass+10+Bube aufgedeckt wurden. Das ergibt eine leckere Straße mit Ass hoch, die nicht mehr von einer anderen Straße zu überbieten ist. Ich überprüfte auch, dass keine Flush-Gefahr drohte. Denn leicht übersieht man es bei einem tollen eigenen Blatt, dass die Gefahr dräut, dass der Gegenspieler fünf Karte in einer Farbe erhält. Dieser Flush schlägt normalerweise fast alles andere und ist deswegen sehr, sehr gefährlich. Aber die Gefahr war hier nicht gegeben und so ging ich All-in, schob also alle meine Chips in die Mitte. Der Gegner zog nach und es lag der wohl leckerste Topf vor mir, den ich je gesehen hatte. Das Adrenalin wogte, die Kehle wurde trocken, das Herz klopfte. Dann kam eine 7 auf dem Turn und ein zweites Ass auf dem River. Der ultimative Horror nach dem Aufdecken: Der Gegner hatte zwei Asse auf der Hand und konnte mit den beiden Assen auf dem Tisch einen echten Poker bilden - vier Karten von einer Sorte. So fegte mich mein Gegner vom Tisch, ich war wieder pleite und lernte eine wichtige Lektion: Es gibt immer noch ein Blatt, das besser sein kann als das eigene.
Eines zeigt mir meine Erfahrung am Pokertisch jedenfalls: Poker ist ein saucooles Spiel, das nur wenig mit Glück zu tun hat, dafür aber umso mehr mit Strategie, Menschenkenntnis und guten Bluffs. Und ich werde sicherlich noch Jahre brauchen, bis ich meine eigene Strategie so verfeinert habe, dass ich beim No-Limit-Spiel nicht immer wieder so extrem dumme Fehler mache, die mich dann doch wieder den Sieg kosten. Mit Ansage.
Und jetzt muss ich schon wieder online gehen. Da wartet bestimmt ein fetter Pott auf mich, der mir gehört, davon aber noch nichts weiß. Der nächste Flush ist meiner.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania