Überwachung an US-Schule Big Teacher Is Watching You

Von David Gelles, San Francisco
Was Schüler zu Hause tun, geht Lehrer nichts an
Was Schüler zu Hause tun, geht Lehrer nichts an
© Colourbox
Überwachungsskandal an einer Schule in den USA: Lehrer sollen ihre Schüler per Webcam ausspioniert haben - nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause. Die Pennäler hatten Laptops gestellt bekommen, die von der Schule ferngesteuert werden konnten.

Natürlich hat sich niemand was Böses dabei gedacht. 1800 kostenlose Apple-Laptops, gespendet von der Schulverwaltung - damit sich den Pennälern "daheim und in der Schule ein Lernumfeld des 21. Jahrhunderts" bietet, wie Schulinspektor Christopher McGinley begeisterten Eltern erklärte. Was sollte man daran schon Anstößiges finden?

Anfang letzten Jahr war das. Was der Inspektor seinerzeit verschwieg: Die Rechner waren mit einer Software ausgestattet, die es den Behörden erlaubte, jederzeit die Webcams der Laptops zu aktivieren - und so zu jeder beliebigen Zeit Einblick in das Leben ihrer Schüler zu nehmen.

Vergiftetes Geschenk

Seit dem Wochenende nun weiß ganz Amerika, was sich in dem Geschenk des Schulbezirks Lower Merion in der US-Metropole Philadelphia verbarg. Publik gemacht haben den Fall die Eltern eines 15-jährigen Schülers, die Klage gegen die Schulverwaltung einreichten. Glaubt man der Klageschrift, dann erlebte ihr Sohn kürzlich Folgendes: Die stellvertretende Highschool-Direktorin bestellte den Jungen in ihr Büro, um ihm dort "unangemessenes Verhalten" vorzuwerfen.

Zum Beweis legte sie laut Klage ein Foto vor, das - so die Schulleiterin - Hinweise liefere, dass der Teenager Drogen konsumiere. Aufgenommen wurde das Bild angeblich von der Webcam eines der gespendeten Notebooks - nicht etwa in der Schule, sondern bei dem 15-Jährigen zu Hause. Die Eltern erklärten vor Journalisten, die Schulleiterin habe ein auf dem Foto sichtbares Bonbon für eine verbotene Tablette gehalten.

Der Schulbezirk sieht sich nun einem Sturm der Entrüstung ausgesetzt. Die Bürgerrechte des Jungen seien ebenso verletzt worden wie seine Privatsphäre, heißt es. Die Eltern werfen der Behörde in ihrer Klage unter anderem vor, gegen den vierten Zusatzartikel der Verfassung verstoßen zu haben. Dieser soll Bürger vor Übergriffen durch den Staat schützen. Bundesstaatsanwälte wollen den Fall aufklären und verlangen vom Schuldistrikt die Herausgabe von Dokumenten, schreibt die Zeitung "The Philadelphia Inquirer". Auch die lokale Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

"Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann wäre das einer der unerhörtesten Fälle von Verletzung der Privatsphäre, von denen ich je gehört habe", sagte der Chef des Datenschutz-Instituts Electronic Privacy Information Center, Marc Rotenberg. "Kein Mensch denkt natürlich im Entferntesten an die Möglichkeit, dass Schulbezirke ihre Schüler verdeckt und aus der Ferne beobachten", so Rotenberg. "Das Vorgehen ist gefährlich und zu verurteilen", meinte auch Parry Aftab von Wiredsafety.org, einer Organisation, die Opfern von Online-Angriffen hilft.

Kein Grund, die Webcam anzuschalten

Aftab wie auch die Anwälte des Klägers gaben sich besorgt, dass Behördenmitarbeiter Schüler in kompromittierenden Situationen gesehen haben könnten. Schulinspektor McGinley weist die Anschuldigungen zurück. Auf der Website des Bezirks schreibt er: "Die Möglichkeit, die Kamera zu aktivieren, wurde nur für den begrenzten Zweck genutzt, einen verlorenen, gestohlenen oder fehlenden Laptop aufzuspüren. Der Bezirk hat die Webcam nicht für andere Zwecke oder auf andere Weise genutzt." Dennoch wurde am Donnerstag das Programm abgeschaltet. Ein Sprecher der Schulverwaltung sagte, in den vergangenen 14 Monaten seien die Kameras 42-mal eingeschaltet worden, aber nie, um zu spionieren. Die Eltern des Jungen sagten dem Fernsehsender CBS, sie hätten den Laptop nie als vermisst oder gestohlen gemeldet - es habe also auch keinen Grund gegeben, die Kamera einzuschalten.

FTD

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