Blizzard Diablo IV Die Spieledroge direkt aus der Zeitfresser-Hölle

Gestatten, Lilith, Tochter von Mephisto, dem Bruder des Höllenchefs Diablo. Wie sollte es bei dem Stammbaum anders sein: ebenfalls böse. So richtig. Um sie dreht sich die Geschichte des vierten Teils des Computergames "Diablo".
Gestatten, Lilith, Tochter von Mephisto, dem Bruder des Höllenchefs Diablo. Wie sollte es bei dem Stammbaum anders sein: ebenfalls böse. So richtig. Um sie dreht sich die Geschichte des vierten Teils des Computergames "Diablo".
© Blizzard PR
Nur wenige Games erreichen einen Kultstatus. "Diablo" ist so eines. Im gerade veröffentlichen vierten Teil haben die Spieler allein in den ersten vier Tagen 93 Millionen Stunden zugebracht. Ein Rekord.

Bereits nach wenigen Minuten im Spiel teleportierte mein Hirn mich fast auf den Tag genau 23 Jahre zurück. Damals war die Welt noch in Ordnung. Die Türme des World Trade Centers standen, die Dot-Com-Blase hielt und die Lehman Brothers in den USA begannen erst damit, Hauskredite an Menschen mit geringer Bonität zu verscherbeln, was acht Jahre später die Welt in eine der größten Wirtschaftskrisen überhaupt stürzen sollte. Und ich saß damals mitten im schönsten Sommer in der Hölle. Mit aller größter Freude. Ich zockte im verdunkelten Zimmer das gerade erschienene "Diablo II" des amerikanischen Spiele-Entwicklers Blizzard.

Nein, im Grunde ist das kein Spiel, sondern eine Art fein justierten Spritz-Besteck, um User in die Spielesucht zu treiben. Denn nichts anderes ist die "Diablo"-Reihe. Der diese Woche von den Fans so sehnsüchtig erwartete Nachfolger "Diablo IV" schmeckt entsprechend wie ein Schluck aus der Pulle, von er man schon lange, glaubte losgekommen zu sein. Das Zeug packt einen sofort wieder. Blizzard gibt keine Verkaufszahlen bekannt, hat jedoch die Serverzugriffe ausgewertet. Danach hätten in den ersten vier Tagen die Spieler insgesamt 93 Millionen Stunden im Game verbracht, also rund 10.000 Jahre.

Worum geht es in "Diablo"? Wer mit dem Konzept von Hölle, Himmel, Zaubern sowie Tolkiens Mittelerde und dem dystrophischen Fantasy-Genre generell nichts anzufangen weiß, dürfte das Spiel kalt lassen. In "Diablo" kämpft das Spitzenmanagement der Hölle um die Vorherrschaft in der sagenhaften Welt Sanktuario, darunter auch der der Reihe namensgebende Diablo. Im vierten Teil geht es indes nicht um ihn, sondern um Lilith, der Tochter seines ebenfalls fiesen Bruders Mephisto. Lilith erschuf einst mit dem Erzengel Inarius Sanktuario. Die Welt trägt nicht daher nicht nur ein schweres Erbe, sondern nach all dem Gemetzel auch schwerste Vernarbungen.

Kerzen, ein schmuddeliger Altar mit einem verwesendem Hirschen drauf. Wenn's hilft....
Kerzen, ein schmuddeliger Altar mit einem verwesendem Hirschen drauf. Wenn's hilft....
© stern.de

Was Lilith genau vorhat, erzählt das Spiel in kinoreifen Zwischensequenzen mit ausgezeichneten deutschen Sprechern. Die Geschichte ist mit ihren überraschenden Wendungen und facettenreichen Protagonisten die beste von allen drei Teilen. Die von Blizzard entwickelte Grafikengine ist mittlerweile so gut, dass auch die cineastischen Zwischensequenzen mit ihr erstellt wurden. Die Bürger von Sanktuario haben jedenfalls die Nase voll. Sie trauen sich aus ihren kleinen, heruntergekommenen Siedlungen kaum heraus, weil das Land mit Höllenkreaturen bevölkert ist. Die raue Welt außerhalb der Mauern ist das natürliche Biotop der Helden, den eigentlichen Hauptdarstellern von "Diablo".

Diverse Heldenwahl

Der Spieler zieht wahlwiese in der Rolle des Barbaren, Totenbeschwörers, Jägers oder Druiden in den Kampf – in männlicher oder weiblicher Gestalt. Jede Charakterklasse hat ihre Stärken und Schwächen und erfordert eigene Taktikten beim Niederstrecken der höllischen Monsterhorden. Einmal für eine Klasse entschieden, zieht der Spieler mit ihr in den Kampf gegen das Böse und soll am Ende Lilith selbst aufhalten.

Seine Suchtwirkung entfaltet "Diablo" zum einen im System der Verbesserung der Kampfwerte seines Charakters, zum anderen im Sammeln von Ausrüstung. Je mehr Monster der Charakter meuchelt, desto mehr Punkte gibt es. Ab einer bestimmten Punktzahl steigt der Held zu einem neuen Level auf, für jedes Level gibt es einen Punkt, der in einem gewaltigen Baum an Fähigkeiten investiert werden kann. Schon hier beginnt die Qual der Entscheidungen. Mit welchen Fähigkeiten kann ich meinen Helden den größten Vorteil im Kampf verschaffen? Soll ich als Jäger tückisch auf Fallen setzen oder mich doch lieber wie ein Wirbelwind durch die Monstergruppen schnetzeln? Beim digitalen Ableben hinterlassen die Kreaturen nach einem Zufallsprinzip Ausrüstungsgegenstände. Sie sind die nächste Stufe der Sucht.

Die Klamottenwahl ist überlebenswichtig!

Ein Heiltrank, etwas Gold und eine Sandgeschliffene Hose! Die gelbgoldene Schrift weist auf ein Kleidungsstück mit seltenen Fähigkeiten hin. 
Ein Heiltrank, etwas Gold und eine Sandgeschliffene Hose! Die gelbgoldene Schrift weist auf ein Kleidungsstück mit seltenen Fähigkeiten hin. 
© stern.de

Das feine Austarieren der Ausrüstung bildet das eigentliche "Nikotin" der Spielereihe. Helm, Handschuhe, Brustschutz, Beinkleid, Waffen und Schmuck verleihen dem Helden neben Schutz auch bestimmte Boni. Widerstand gegen Feuer oder Gift, langsame Selbstheilung zum Beispiel. Jeder Ausrüstungsgegenstand ist wiederum in unterschiedliche Stufen unterteilt. Von Gewöhnlich über einzigartig bis hin zu legendär. Ab einer bestimmten Stufe lassen sich Edelsteine einsetzen und die Eigenschaften weiter ausbauen. Je besser die Ausrüstung, desto leichter wird der Kampf gegen das Böse, desto mehr Erfahrungspunkte sammelt der Held, desto schneller steigt er auf, desto mehr Fähigkeiten bekommt er. Ein süßer Suchtkreislauf auf der Suche nach dem für seinen Stil optimal ausstaffierten Helden.

Nur noch einen Level, nur noch diese Ausrüstung, nur hier schnell die neuen Fähigkeiten oder Waffen ausprobieren. Zack sind drei Stunden vorbei. Spieleentwickler Blizzard ist dafür bekannt, die Klaviatur der Gamification meisterhaft zu beherrschen. Ihre Spiele, Warcraft und Starcraft, haben längst einen Platz in der Ruhmeshalle der Spieleentwicklung. "Diablo IV" setzt gegenüber seinen direkten Vorgängern in Sachen Charakter-Tuning eine ordentliche Schippe drauf. Eigentlich wünschte man sich, Blizzard möge sich die Steuererklärung oder SAP-Anwendungen mal vornehmen und auf Spaß trimmen.

Dunkle Gewölbe, flackerndes Licht und schmierige Böden - noch nie sahen Höhlen in Diabolo so gut aus wie im vierten Teil. 
Dunkle Gewölbe, flackerndes Licht und schmierige Böden - noch nie sahen Höhlen in Diabolo so gut aus wie im vierten Teil. 
© stern.de

Was "Diablo IV" von seinen Vorgängern vor allem unterscheidet: Es sieht höllisch gut aus. Eigentlich ist es bedauerlich, dass der Spieler die Welt nur in Form eines kleinen Ausschnitts von schräg oben zu sehen bekommt. Die Landschaft ist enorm detailreich gestaltet, dynamische Licht und Schatteneffekte verleihen der düsteren Welt Tiefe. Im Kampf gibt es ein plastisches Feuerwerk aus Explosionen, blubbernden Giftpfützen, Blitzen und Eisstürmen. So macht Monster jagen Spaß. Allerdings nur wenn die Hardware mitmacht.

Wer nicht auf der X-Box, sondern auf dem PC spielt, muss womöglich für die volle Grafikpacht aufrüsten. Das gilt vor allem für die Grafikkarte, sie trägt bei allen modernen Spielen die eigentliche Last der Berechnungen. Die neuste Generation der Nividia Grafikkarten von 4070 RTX aufwärts degradieren mit ihrer brachialen Rechenleistung den früher so bedeutsamen Hauptprozessor (CPU) gar in die Nebenrolle. Für PC-Spieler eigentlich eine gute Nachricht. Wer früher seinen PC spieletauglicher machen wollte, musste die CPU austauschen und damit oft auch das Mainboard. Heute reicht das Einstecken einer neuen Grafikkarte. Kehrseite: Die Spitzenmodelle kosten so viel wie ein kompletter Mittelklasse PC.

Die Anforderungen der Hardware beginnen moderat: In FullHD-Auflösung, also 1920 x 1080, und mittleren Grafikdetails begnügt sich das Spiel mit einem vergleichsweise alten Intel-4670 oder einer Radeon AMD R3-1300X CPU in Zusammenarbeit mit den ebenfalls betagten Grafikkarten Geforce 970 oder Radeon RX-470. Für hohe Grafikeinstellungen, der nächsten Stufe, wird eine i7-8700K oder Ryzen 2700 verlangt, die auf eine Grafikkarte des Typs RTX 2060 beziehungsweise einer Radeon 5700XT zugreifen. In diesen Einstellungen läuft "Diablo" flüssig, doch die Grafik sieht verwaschen und arm an Details aus.

Qual der Wahl oder Was will ich sein: Über den Fertigkeitsbaum können Spieler ihrem Alter Ego unterschiedliche Eigenschaften zuordnen. Alles auszuwählen geht nicht, die Punkte wollen mit Bedacht verteilt sein. 
Qual der Wahl oder Was will ich sein: Über den Fertigkeitsbaum können Spieler ihrem Alter Ego unterschiedliche Eigenschaften zuordnen. Alles auszuwählen geht nicht, die Punkte wollen mit Bedacht verteilt sein. 
© stern.de

Optisch knackiger wird es auf 4K-Monitoren auf der Einstellung Ultra und 60 Frames per Second (FPS). Dafür verlangt das Spiel jedoch sogleich eine Geforce RTX 3080, besser gleich eine Geforce 4080 und 32 statt 16 Gigabyte Arbeitsspeicher. Mit diesen Karten sollte dann auch die implementierte Leistungsverbesserung DLSS von Nvidia eingeschaltet werden, die je nach Einstellung die FPS ordentlich nach oben schraubt. Das Herunterdrehen der Grafikeinstellungen bringt deutlich weniger Zuwachs an FPS als das Zuschalten von DLSS. Besitzer von AMD-Grafikkarten bietet "Diablo" mit FSR-2 eine vergleichbare Technik zur Leistungsverbesserung an.

Doch selbst, wer den stärksten aller Rechner hat und die neuste X-Box: "Diablo" verlangt einen ununterbrochenen Zugang zum Netz. Das liegt an der sogenannten "shared world" bei der sich alle "Diablo"-Spieler eine Welt teilen. Einen Zwang, sich mit anderen Spielern „herumschlagen“ oder gar Beute teilen zu müssen, gibt es nicht. Vorteil: Man kann gemeinsam mit Freunden auf Monsterhatz gehen, finstere Höhlen erkunden und Gegenstände tauschen. Nachteil: Es weder ein "Spielstand speichern" noch die "Pause"-Taste mehr. Es wird an bestimmten Punkten automatisch gespeichert. Fällt die Internetverbindung plötzlich aus, ist auch das Spiel vorbei und der Fortschritt seit dem letzten automatischen Speichern verloren.

Zwei Maßnahmen bewahren einen vor der Sucht nach "Diablo": Das Spiel nicht kaufen oder das Spiel kaufen, daddeln und sobald es im Alltag überhandnimmt deinstallieren. Technisch versierte Eltern können die Firewall im Router mit einem Zeitkontingent für die Rechner und Konsolen ihrer Kids versehen. Schließlich bleibt ohne Internetverbindung die Hölle kalt.

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