"bahn.de" Facelifting für deutsches Web-Urgestein

Von Sebastian Wieschowski
Deutschlands größtes Reiseportal befand sich jahrelang im Dornröschenschlaf. Jetzt ist "bahn.de" – elf Jahre nach dem Start - ein bisschen erwachsen geworden. Mit einem aufwändigen Relaunch will die Bahn noch mehr Kunden an den virtuellen Schalter locken. Das könnte gelingen.

Welcher leidenschaftliche Bahn-Vielfahrer kennt sie nicht, die überraschenden Verspätungsdurchsagen: "Verzögerungen im Betriebsablauf" sind dann meistens die vielsagende Begründung, per Lautsprecher wird freundlich um Verständnis gebeten. Als die Bahn vor einigen Tagen per E-Mail dazu einlud, die neue Internetseite "in einem ganz neuen Look und mit vielen nützlichen Funktionen und Services" schon vorab bei einer Probetour zu erleben, trafen interessierte Bahn-Vielfahrer und Internetsurfer auf eine Szenerie, die an den Alltag auf der Schiene erinnern – Verzögerungen im Betriebsablauf sozusagen: "Dieser Inhalt ist leider im Moment nicht verfügbar" war in roten Lettern zu lesen, darunter hieß es in der Sprechblase einer schwarz gekleideten Dame mit freundlichem Lächeln: "Wir bitten um Ihr Verständnis".

Die kleine Panne, die sich irgendwo zwischen Selbstironie und dummem Zufall einordnen lässt, wurde jedoch schnell behoben - und nun erstrahlt Deutschlands größtes Reiseportal ganz ohne Verspätung und Verzögerungen im Betriebsablauf in neuem Glanz: Die Deutsche Bahn will ihren Kunden künftig einen einfacheren, klarern und komfortableren Internetauftritt bieten. Ein Jahr lang hat das Unternehmen am neuen Auftritt gewerkelt und rund 2000 Web-Seiten einem Tapetenwechsel unterzogen: "Es ist die größte Überarbeitung des Systems seit dem Start von Bahn.de vor elf Jahren", sagt Mathias Hüske, der für den Agentur- und Online-Vertrieb bei der Bahn verantwortlich ist. 40 Mitarbeiter der Bahn und 14 Mitarbeiter der Agentur "namics" haben der Bahn ein neues Gesicht im Internet gegeben.

Sparpreis auf einen Klick

Und das fällt auf. Die Startseite, auf der sich früher klobige und kantige Auswahlkästen stapelten, wurde kräftig aufgeräumt. Ein Buchungsfenster auf der linken Seite, aktuelle Angebote in der Mitte und beliebte Themen auf der rechten Seite - das Auge freut sich, auch über die sanften Farben. "Unser Ziel war es, die Komplexität beim Vergleich von Angeboten und bei der Buchung zu reduzieren. Der Weg zur gewünschten Information und zum Ticket sollte verkürzt werden", erklärt Mathias Hüske gegenüber stern.de. Für mehr Übersicht soll nicht nur die Wahl zwischen drei verschiedenen Schriftgrößen sorgen, sondern auch der Verzicht auf jegliche Werbung Dritter - eine Neuerung, die durchaus zu heftigen Diskussionen innerhalb der Bahn geführt hat, wie Hüske einräumt. Schließlich verzichtet man hier auf Einnahmen.

Auch die Buchungsmaske - bis gestern sah sie noch wie das Antragsformular für eine ziemlich komplizierte Behördenangelegenheit - erfreut durch unkomplizierte Bedienung: Hin- und Rückfahrt können jetzt direkt auf der Auswahlseite geändert werden. Das erleichtert die Suche nach den besten verfügbaren Preisen, zum Beispiel nach dem Dauer-Spezial. Der Sparpreis wird ab sofort auf einen Klick für alle angebotenen Verbindungen angezeigt. Neben dem großflächigen Neuanstrich fällt die neue Bahn-Internetseite auch durch viele Kleinigkeiten auf: Die Zieleingabe wird durch eine Vorschlagliste automatisch unterstützt. Im "Reisebüro" werden spezielle Urlaubsangebote wie Städtereise oder Last-Minute nur noch auf Knopfdruck sichtbar gemacht. Was nicht interessiert, ist auch nicht zu sehen.

Ungeliebte Kästen auf "Meine Bahn"

Vergleichsweise schockierend fällt dagegen der erste Blick auf die Funktion "Meine Bahn" aus. Wer hier eine personalisierte Kommandozentrale mit sofortigem Zugriff auf die eigene Buchungshistorie sowie den Bonuspunktestand erwartet, wird beim ersten Besuch enttäuscht - die alte, unübersichtliche Kästchenbauerei, wie sie noch von der alten Bahnseite bekannt war, wurde erhalten. Gleich acht Informationsboxen werben für Dauer-Spezial, 1. Klasse, Mobile Services und so weiter. Die persönlichen Daten sind links unten versteckt.

Die Details erschließen sich erst allmählich: Die Startseite lässt sich individuell konfigurieren. Die standardisierten Blabla-Werbekästchen zu Bahn-Angeboten verschwinden zwar nicht, dafür kommen aber ein paar nützliche Boxen dazu. Diese zeigen nach Wunsch beispielsweise die jeweils aktuellen Verbindungen zu einer vorher festlegten Strecke an. Geboten wird auch eine Wettervorhersage. Wer über "Meine Bahn" ein persönliches Reiseprofil erstellt und Angaben zu Anzahl der Personen, BahnCard-Ermäßigungen, Klasse und Reservierungswünsche sowie Schnellbuchung hinterlegt, bekommt diese Angaben danach bei jeder Buchung standardmäßig angezeigt.

58.000 Online-Tickets täglich

Mit dem Pixel-Facelift will die Bahn noch mehr Kunden vom Reisezentrum an den virtuellen Schalter locken: Im Jahr 2008 wird der Umsatz auf bahn.de nach Unternehmensschätzungen voraussichtlich bei über einer Milliarde Euro liegen. Mit 4,5 Millionen registrieren Kunden, bis zu 58.000 täglich verkauften Online-Tickets und 77 Millionen Reiseauskünften pro Monat ist bahn.de das mit Abstand größte Reiseportal in Deutschland. "Mittlerweile wird rund 15 Prozent des gesamten Fahrkartenumsatzes über das Internet erzielt", sagt Bahnsprecher Holger Auferkamp zu stern.de. Im Fernverkehr werde bereits jede dritte Karte online gekauft.

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