Schon die Internet-Adresse ist die reine Provokation: www.geschickter-als-kaufen.de.Und dann fordert die vorwiegend in schwarz gehaltene Webseite auch noch "Schluss mit dem Diktat der Musikindustrie" und "Runterladen statt runter in den Laden". Das kleine Programm, das dort gratis zum Download angeboten wird, verspricht zudem Hunderte Top-Hits legal und gratis, "ohne Haken, ohne Ösen".
Was sich anhört wie die Verlockungen einer illegalen Cracker-Seite, ist das Werk der Ahauser Software-Firma Tobit. Mit flotten Sprüchen und Angriffen auf die Plattenindustrie werben die Westfalen zurzeit für ihr Programm Clipinc. "Damit kann man jeden PC kostenlos und legal mit Musikdateien füllen", verspricht Tobit.
Die Idee ist einfach und findet immer mehr Anhänger: Rund um die Uhr nimmt Clipinc das komplette Programm zum Beispiel von Bayern3 auf die PC-Festplatte auf. Dazu muss der PC entweder über eine eingebaute Radio- und TV-Karte verfügen oder über ein simples Kabel mit der Stereoanlage verbunden sein. Hat Clipinc genügend Bayern3-Rohmaterial im Kasten, schneidet es alle dort gesendeten Songs sekundengenau heraus und speichert sie als MP3-Musikdateien ab. Dafür holt sich Clipinc die genauen Anfangs- und Schlusszeiten der Lieder von der Clipinc-Website aus dem Internet.
Für den Hausgebrauch reicht es allemal
Die Songs werden von Clipinc automatisch korrekt benannt und können beliebig oft abgespielt oder auf CD gebrannt werden. Wann welches Stück läuft, ermitteln für die beliebtesten fünf Programme Tobit-Redakteure, für weitere Sender steuern ehrenamtliche Helfer die so genannten Stream-Tags bei, auch Schnittmarken oder Cutlists genannt.
Wer Clipinc einige Zeit im Hintergrund laufen lässt, füllt seine Festplatte so langsam, aber stetig mit Dutzenden MP3-Dateien. Zwar quatschen Moderatoren wie früher zu Cassettenrecorders Zeiten oft in die Songs hinein. Auch kommt die Radio-Qualität normalerweise an CD-Sound nicht heran. Doch für den Hausgebrauch reicht es allemal. Und um an die Musik zu kommen, muss man noch nicht einmal online sein - die Songs gelangen ja über den Kabelanschluss oder über die Hausantenne auf den Rechner. Nur die Übermittlung der Schnittzeiten erfordert eine kurze Internetverbindung.
Das Recht auf der Seite des Mitschneiders
Das Beste aber: Anders als bei den üblichen Musiktauschbörsen im Internet scheint das Recht auf Seiten Tobits zu sein. "Grundsätzlich ist es so, dass das Mitschneiden eines Radioprogramms legal ist", bestätigt Hartmut Spiesecke vom Phonoverband, dem Dachverband der deutschen Musikindustrie. Voraussetzung ist natürlich, dass der Hörer seine GEZ-Gebühren ordentlich entrichtet hat. Seitdem das verschärfte Urheberrecht in Kraft getreten ist, finden legale Methoden, Musik auf den PC zu bekommen, zunehmend Anhänger. Nicht wenige Downloader trauen sich aufgrund des steigenden Verfolgungsdrucks nicht mehr, ihre Musik von illegalen Tauschbörsen-Angeboten zu beziehen. Da kommen Angebote wie Clipinc gerade recht: 100 000-mal ist das Programm bereits heruntergeladen worden.
Spezialisiert auf Ton von Viva und MTV
Fast ebenso erfolgreich ist air2mp3, das nach dem gleichen Prinzip funktioniert, sich aber auf das Aufnehmen des Tons der Fernsehmusiksender Viva und MTV spezialisiert hat (Gratis-Download unter www.air2mp3.de). Die soeben erschienene Version 1.6 hat wesentlich mehr Features als Clipinc - soll allerdings später in einen Bezahlservice umgewandelt werden. Dann wird es die Schnittlisten nur noch gegen Geld geben.
Internetradios aus aller Welt
Einen Aufnahmeknopf hat neuerdings auch Phonostar, ein kleines Programm, mit dem sich etwa 1800 Internetradiosender aus aller Welt empfangen lassen (kostenloser Download unter www.phonostar.de). Vorteil: Man braucht kein Radio. Nachteil: Man braucht eine schnelle Internetverbindung und muss während der Aufnahme permanent online sein. Zudem bietet Phonostar noch keine Schnittlisten an, um Songs automatisch zu extrahieren.
Streamripper bringt gute Qualität
Das macht der Streamripper besser, ein Zusatzprogramm zu der beliebten MP3-Abspielsoftware Winamp (Download unter www.winamp.com, den Streamripper gibt es bei streamripper.sourceforge.net). Spielt man mit Winamp einen der Internetradiosender ab, die unter www.shoutcast.com aufgeführt sind, speichert Streamripper automatisch alle gesendeten Songs als MP3-Dateien ab. Die auf diese Weise übermittelten Dateien tragen korrekte Bezeichnungen und verfügen meist über bessere Qualität als die bei Tauschbörsen angebotenen Titel.
Nur für Abonnenten
Eine weitere Methode, legal an MP3-Dateien zu kommen, ist derzeit in Vorbereitung. Der Sender RadioeasyMP3 will demnächst mit einem Programm an den Start gehen, das beim Fernsehsender NBC Europe über die "Austastlücke" ausgestrahlt werden soll - also ähnlich wie Videotext. Mit einer Spezialsoftware kann der Sender direkt in MP3-Form auf Festplatte aufgenommen werden (www.radioeasymp3.de). Täglich zwischen 6 und 12 Uhr will RadioeasyMP3 auf Sendung gehen, geplant sind Beiträge wie "Die Top 50 der Singlecharts komplett". "Wenn man zur Arbeit geht, stellt man auf Daueraufnahme", sagt RadioeasyMP3-Mitgründer Denis Böhm, "zum Feierabend ist die Festplatte dann gefüllt mit neuen MP3-Dateien." Doch anders als Clipinc und air2mp3 wird RadioeasyMP3 von Anfang an für fünf Euro pro Monat nur Abonnenten zugänglich sein - ein werbefinanziertes Vorgängerprojekt war vor ein paar Jahren spektakulär Pleite gegangen. So kommt es, dass die Software zwar schon geschrieben ist, das Konzept steht und RadioeasyMP3 "sofort senden könnte", wie Böhm sagt. Doch losgehen soll es erst, wenn genügend Interessenten Absichtserklärungen unterschrieben haben, das Programm auch wirklich zu abonnieren.