Es ist kein Geheimnis: Wer im Internet begehrte Ware zu günstigen Preisen sieht, sollte sich vorsehen. Das ist bei Kleinanzeigen so, das ist bei unbekannten Online-Shops der Fall und das ist offenbar auch bei Facebook so. Doch die Menge an mutmaßlich betrügerischen Angeboten auf der Meta-Plattform ist erdrückend, wie stern-Recherchen zeigen. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen hat die Redaktion unterschiedliche Inserate beobachtet, gemeldet und der Polizei vorgelegt. Und was ist passiert?
iPhone 14 Pro Max fast 1000 Euro unter Neupreis
Ein iPhone 14 Pro Max kostet bei Apple mindestens 1449 Euro. Auf Preisvergleichsplattform sind es immer noch rund 1000 Euro. Ganz anders bei Facebook: Wer hier nach dem Gerät sucht, bekommt in einer Stadt wie Hamburg zahllose Inserate angeblich neuer Geräte zu Preisen ab 500 Euro, manchmal sogar nur 300. Doch oft kann man sich die Suche sogar sparen, denn Facebook spült die vermeintlich einmaligen Gelegenheiten regelmäßig in die Timeline, selbst wenn man sich ohne jegliches Kaufinteresse auf Facebook tummelt.
Klickt man auf die Angebote, sieht es zunächst gut aus. Oft sind es keine Herstellerfotos, sondern echte Bilder von Geräten, manchmal mit der Packung oder sogar Dokumenten, die zum Beispiel zeigen sollen, dass das Objekt der Begierde aus einer Vertragsverlängerung stammt und man es im Neuzustand vergünstigt weitergeben will. Kleiner Einwurf: Wer derzeit bei O2 einen Vertrag abschließt, zahlt nur für die Hardware 36 Raten à 36 Euro, also 1296 Euro. Das iPhone für unter 500 Euro durchzureichen, wäre also wirtschaftlicher Nonsens.

Bei den Profilen der Verkäufer wird es dann schon haariger. Im Marktplatz sieht man, wie lange die Menschen hinter den Offerten bereits angemeldet sind – und nicht selten stammen die Konten der Anbieter aus den vergangenen paar Monaten. Nur wenige Inserate wurden von älteren Profilen eingestellt – doch auch hier gibt es Unstimmigkeiten. Mit zwei Klicks landet man vom Marktplatz auf den Profilen der jeweiligen Person. Dort findet man besonders bei den wirklich günstigen Angeboten so gut wie nichts. Nur ein Foto, ein Banner, selten Kontakte oder Interaktionen mit anderen Menschen. Bei älteren Profilen sind hingegen oft noch Freunde vorhanden, passen aber nicht zu dem, was das Profil vermittelt. Angebliche Personen aus Hamburg haben in solchen Fällen beispielsweise über 1500 Freunde mit afrikanischen Profilen und eine nigerianische Vorwahl. Nicht unmöglich – aber seltsam.
Verkäufer handeln sich ungefragt weiter runter
Das Problem: Ob es sich um Betrug handelt, weiß man erst sicher, wenn das Geld weg ist. Das zu testen, ist also höchstwahrscheinlich mit einem Verlust verbunden. Nur so viel: Schreibt man die Personen an, die ein so günstiges Gerät verkaufen, erhält man schnell Antworten, Fotos und in vielen Fällen sogar ungefragt noch bessere Preise. Die Standorte zur Abholung sind dann aber leider oft mehr als 100 Kilometer weit weg, sodass es verlockend ist, um Versand zu bitten. Mindestens auffällig ist, dass zwei von drei Profilen, mit denen der stern vor wenigen Wochen in Verhandlungen war, inzwischen restlos von Facebook verschwunden sind.
Es sind also mindestens merkwürdige Profile und auffallend gute Angebote – ein altbekannter Mix, der auch auf anderen Plattformen anzutreffen ist. Bei Facebook dauert es erstaunlich lange, bis mal ein Inserat mit einem vertrauenserweckenden und älteren Profil mit Freunden und Bildern zu finden ist. Selbst bei den hochpreisigen Anzeigen sollte man also aufpassen.
Auf Nachfrage sagt Facebook zu den Recherchen und konkreten Beispielen von Angeboten, die auch Verbraucherschützern und Polizeidienststellen vorgelegt worden sind, folgendes: "Leider kann es sein, dass auf Marketplace betrügerische Anzeigen sind. Grundsätzlich ist es so: Wenn man etwas sieht, das man für eine Betrugsmasche hält, sollte man nicht weiter mit dem*der Käufer*in oder Verkäufer*in kommunizieren, sondern die Anzeige oder den*die Verkäufer*in melden." Zusätzlich stellt Facebook Hilfeseiten zur Verfügung, die Erkennungsmerkmale betrügerischer Aktivitäten beschreiben. Die Empfehlung von Facebook: Nur Bargeld, nur persönliche Übergabe. Leichter gesagt als getan.
Facebook reagiert kaum auf Meldungen – und lässt Angebote online
Die Möglichkeit, Profile zu melden, hat der stern im Laufe der Recherchen aber genutzt. Dazu wurde ein Angebot aus Hamburg ausgewählt, welches ein iPhone 14 Pro Max für 520 Euro verspricht, sofort verfügbar und natürlich im Neuzustand. Anbieterin ist angeblich eine Frau namens Patricia, angemeldet ist das Konto seit 2022. Als wäre der Preis nicht seltsam genug, wirft auch der Besuch ihres Profils große Fragen auf. Warum hat eine hellhäutige Frau in ihren Fünfzigern keine Freunde, nur einen französischsprachigen Eintrag und drei identische Reels, die einen dunkelhäutigen Mann zeigen? Ein Schritt weiter noch: Setzt man die Bildersuche auf das Profilbild der Frau an, wird man sehr schnell und mit einem Klick fündig. Bei "Patricia" handelt es sich in Wahrheit um Marie-Cécile Plessix, Generaldirektorin der französischen Axa Bank.
Ein perfektes Szenario für die Meldung also – drei Klicks und Facebook weiß Bescheid, dass das Angebot mindestens auffällig ist. Dann heißt es warten. Nach rund 24 Stunden meldet sich Facebook wieder: "Wir haben das Inserat nicht entfernt", heißt es kurz. Man habe nicht feststellen können, dass das Angebot gegen die Handelsrichtlinien verstößt und daher nicht gehandelt. Eine Woche später lässt sich das günstige iPhone der angeblichen Bankdirektorin noch immer finden. Im Zweifel also für den Angeklagten. Warum Facebook so entscheidet, wurde dem stern auf Nachfrage bisher nicht erklärt.
Dass es sich bei den ausgesuchten Angeboten um Betrug handeln könnte, zeigen auch die Einschätzungen von Experten. "Letztendlich kann vor solchen Käufen wirklich nur gewarnt werden", resümiert die Verbraucherzentrale Bayern. Sie erklärt: "Unserer Ansicht nach muss man bei solchen Angeboten immer sehr vorsichtig sein. Verlockende Schnäppchen gerade bei Markenartikeln sind häufig nicht echt. Und auch auf Marktplätzen kann man Fake-Angebote finden, die nicht anders als Fakeshops funktionieren. Das heißt, man kann hier die Verkäufer gar nicht weiter überprüfen, da es sich vermeintlich um Privatverkäufer handelt." Die Tipps also: Nur Bargeld, nur persönliche Übergabe.
Polizei warnt vor den Schnäppchen – und vor Facebook-Gruppen
Großes Interesse an den Recherchen zeigte die Polizei. Kriminalhauptkommissarin Daniela Dässel sagt dem stern: "Gerade beim Onlinegeschäft ist generell ein gesundes Misstrauen angebracht und sind einige grundlegende Verhaltensregeln sind zu beachten. Insbesondere Betrügerinnen und Betrüger entwickeln immer wieder neue kreative Maschen und Ideen." Sie erweitert den Kreis der womöglich gefährlichen Orte auf Facebook sogar noch und schreibt, dass private und teils öffentliche Gruppen auf Facebook, in denen gehandelt wird, "gezielt inkriminierte Geschäfte fördern beziehungsweise ermöglichen." Einen großen Teil der Marktplatz-Inserate hält sie jedoch für seriös – aber mit Ausnahmen.
"Zu den von Ihnen genannten Beispielen kann ich bislang sagen, dass auch hier der teils deutlich unter Marktwert liegende Preis der Ware mögliche Interessen kritisch stimmen sollte. Es ist denkbar, dass es sich um Diebesgut handelt oder aber gar keine entsprechende Ware faktisch vorhanden ist, beziehungsweise im Anschluss versandt werden soll. Wer hier in Vorleistung tritt bleibt so möglicherweise auf seinen Auslagen sitzen ohne das bestellte Gut zu erhalten", schreibt sie.
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Die folgenden Tipps des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen überraschen daher wenig: Profile der Verkäufer prüfen, zu günstigen Preisen kritisch begegnen, keine Daten weitergeben, nicht ohne Käuferschutz in Vorleistung gehen (Überweisung, Paypal Freunde) und keine Verhandlungen außerhalb der gewählten Plattform. Wo möglich, sollten die Bewertungen eines Verkäufers immer in die Kaufentscheidung einfließen – leider bietet Facebook eine solche Funktion nicht.
Es wird sie geben, die Schnäppchen auf dem Facebook-Marktplatz. In den Kategorien Möbel zum Beispiel, oder bei Kleidung. Wer dort allerdings auf der Suche nach aktueller Technik zum kleinstmöglichen Preis ist, sollte äußerst vorsichtig vorgehen. Die Menge an mutmaßlich betrügerischen Angeboten ist riesig und im Rahmen der stern-Recherche ist es nicht gelungen, sie durch begründete Meldungen zu verringern.