Der Schuss ging nach hinten los: Vor zwei Wochen sorgte die Regensburger Abmahnkanzlei Urmann & Collegen (U+C) für Aufsehen, weil sie eine Art Internet-Pranger für Porno-Raubkopierer einführen wollte. Das Juristenbüro ist einer der Big Player im Abmahngeschäft mit Erotikfilmen und hat in den vergangenen Jahren vermutlich mehr als 150.000 Personen wegen Urheberrechtsverletzungen überführt. Die öffentlich einsehbare Liste sollte zum 1. September starten, doch mittlerweile hat die Kanzlei den Porno-Pranger auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben.
Schon kurz nach Bekanntwerden des Plans bezweifelten andere Juristen, das solch eine Liste im Internet erlaubt sei, unter anderem der Dortmunder Rechtsanwalt Hendrik Peters. Er hat den Spieß nun umgedreht und die Abmahnkanzlei vor dem Landgericht Essen selbst abgemahnt.
Eindeutige Entscheidung
Hendrik Peters Mandantin, die anonym bleiben möchte, erhielt am 24. November 2011 Post von der Kanzlei U+C, in der sie zu einer Zahlung über 1286,80 Euro wegen einer Abmahnung zur Urheberrechtsverletzung aufgefordert wurde. Sie weigerte sich, die geforderte Summe zu bezahlen, woraufhin die Kanzlei ein Inkassobüro einschaltete. Bis heute ist der Fall offen, was Peters Mandantin zu einer Kandidatin für den geplanten Internetpranger macht.
Um die Nennung ihres Namens auf dem Porno-Pranger zu verhindern, zog sie vor das Landgericht Essen. Die Entscheidung der Richter war eindeutig und fiel in weniger als zwei Stunden: Hier werden Persönlichkeitsrechte verletzt. Ein harter Schlag für die Regensburger Abmahnanwälte.
Die Erklärung der Richter: Da U+C vor allem durch Abmahnungen im Auftrag der Pornoindustrie bekannt geworden ist, würden Leser der Liste den Namen der Antragstellerin stets mit dem Vorwurf des Downloads von Pornos bringen. "Gerade eine Abmahnung wegen pornografischer Inhalte ist sicher etwas, was viele Betroffene in ihrem Umfeld bloßstellen und lächerlich machen würde", meint der Jurist Udo Vetter in seinem Blog.
Doch den Richtern ging es nicht nur um die Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Eine öffentlich einsehbare Liste mit vermeintlichen Urheberrechtsverletzern "diene […] nur als Pranger und Druckmittel zur Zahlung gegen den Abgemahnten.", wie es in den stern.de vorliegenden Beschluss heißt. Damit zerlegten die Richter die Argumentation von Urmann&Collegen, dass die Gegnerliste als Werbung für die Kanzlei anzusehen sei.
Sollte das Regensburger Juristenbüro gegen die richterliche Anordnung verstoßen und den Namen der Mandantin veröffentlichen, drohen Ordnungsgelder in Höhe bis zu 250.000 Euro oder ersatzweise die Anordnung von Ordnungshaft.
Liste könnte teuer werden
Unabhängig vom Essener Urteil untersagte auch das Bayerische Landesamt für Datenschutz die Veröffentlichung einer Gegnerliste. Gegen diese Entscheidung will die Kanzlei aber vorgehen: "U+C wurde keinerlei rechtliches Gehör in dem Verfahren gewährt. Das Landesamt hat seine Informationen und Schlussfolgerungen offensichtlich alleinig aus der Presse entnommen", heißt es auf Nachfrage von stern.de. "Die Ausführungen der Anordnung teilen wir nicht und halten sie für tatsächlich und rechtlich falsch." Die Rechtsanwälte werden sich laut eigener Aussage gegen die Entscheidung zur Wehr setzen, bis zum Abschluss des Verfahrens werde aber keine Gegnerliste veröffentlicht.
Ist der Porno-Pranger nun endgültig gestoppt? "Das Urteil am Landgericht Essen regelt nur das Verhältnis zwischen der klagenden Mandantin und der Kanzlei", erklärt Rechtsanwalt Hendrik Peters. Ein Einzelfall also, andere Namen könnte die Kanzlei theoretisch immer noch zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen. "Dennoch ist die Entscheidung ein Signal an andere Verbraucher, die als nichtzahlende Abgemahnte auch auf einer Liste auftauchen könnten."
Kanzlei droht möglicherweise Desaster
Doch auch diese Entscheidung sei nur vorläufig, räumt Rechtsanwalt Udo Vetter ein. Er begleitet den Fall des geplanten Porno-Prangers von Anfang an und gibt zu bedenken: "Urmann & Collegen können Widerspruch einlegen und schauen, ob sie Gerichte finden, die ihr mieses Spiel erlauben."
Dennoch könnte der geplante Porno-Pranger für das Regensburger Juristenbüro ein teures Nachspiel haben: Abgemahnte Personen könnten die Kanzlei schon jetzt abmahnen, weil sie trotz mehrfacher Aufforderung an ihrem umstrittenen Plan festgehalten haben. "Im Extremfall riskieren die Regensburger Kollegen eine Menge Geld und möglicherweise sogar ihre Zulassung als Anwalt", sagt Peters. "Da zurückzurudern ist nur noch schwer möglich."