Kolumne - Neulich im Netz Blabla: Berliner Luft

Hallo Kinder, heute erzähle ich euch was Lustiges aus Berlin: Da ist der Béla und der Hans und der Thomas und der Herbert. Das sind die vier vom Bundespresseamt. Und die fabrizieren den ganzen Tag unheimlich viel heiße Luft. Für nichts. Klingt komisch, ist aber so.

Würde die hochverehrte Maus sich an der Erklärung versuchen, was das Bundespresseamt von morgens bis abends so anstellt, sie hätte wohl ihre liebe Müh. Mehr als 600 Mitarbeiter kümmern sich um Kommunikation, durchforsten täglich zigtausend Meldungen, inhalieren Informationen und spucken sie wieder aus und sind am Ende genauso schlau wie vorher. Weil sie vor lauter Infos nichts verstehen oder das Wichtigste übersehen oder beides, versteht auch draußen im Land niemand, was Béla und seine Freunde sagen oder sagen wollen.

Fragen wir also nicht das Schmittchen, sondern gleich den Schmitt, in diesem Fall also keine halbseidenen Rechtsausleger, sondern das Bundesverfassungsgericht. Das entschied 1977: "Eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung des Volkes setzt voraus, dass der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können. Dazu vermag staatliche Öffentlichkeitsarbeit einen wesentlichen Beitrag zu leisten."

Irgendwas war immer nicht zu tun

Das war vor mehr als einem Vierteljahrhundert ein Klacks. Schließlich gab es das Internet noch nicht, und Fernsehen war auch erst seit ein paar Jahren bunt. Niemand dachte an Privatsender, und es herrschte Kalter Krieg. Die Mauer stand, und alles war schön übersichtlich. Hier die Guten, da die Bösen. Öffentlichkeitsarbeit war ein Halbtagsjob und freitags schon um zwölf der Laden dicht. Außerdem wurden alle Geburtstage aller Mitarbeiter mit allen nicht Geburtstag habenden Mitarbeitern gefeiert, weswegen man immer einen guten Grund hatte, nichts zu tun. Jedenfalls nichts Dienstliches.

Seitdem die Bundesregierung Internet ernst nimmt, ist Schluss mit lustig. Ganz zu schweigen von weiteren Informationsarbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie dem Mauerfall, Golf- und Kosovo-Krieg sowie Irak-Feldzug, Terrorismus, Globalisierung, Rezession und dass die Bösen von gestern nun zu den Guten zählen, nicht alle zwar, aber immerhin einige. Was fürs Militärische gilt, aber auch fürs Wirtschaftliche, mitunter auch fürs Religiöse, wobei die Grenzen fließend sind. Kurzum, die schöne Ordnung von einst, sie ist dahin.

Thomas Hirschbiegel

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Ertrinken unter Meldungen

Das Bundespresseamt versteht sich als "Informationsdrehscheibe zwischen Bürgern, Medien und der Bundesregierung - allen Seiten verpflichtet und für sie aktiv." Béla Nicolai Anda, Amtschef und Sprecher der Bundesregierung, lässt sich Nachrichten sogar via SMS übermitteln. Und wenn in der hinterbayrischen Walachei ein Sozialdemokrat über eine regennasse Waldwurzel stolperte, erfährt er das auch. Béla Anda hat viele Informanten, und sie können mit dem Handy umgehen. Tippeditippeditipp, sei es noch so bescheuert. Aus lauter Angst, eine möglicherweise wichtige Nachricht zu verpassen, ersaufen die tapferen Frauen und Männer des Bundespresseamts in den News und Meldungen, Berichten und Reportagen.

Internet, Privatfernsehen und neue Informationstechnologien haben bereits den Großteil der industrialisierten Weltbevölkerung um den Verstand gebracht. Sie hören nicht mehr zu und verstehen lange nichts mehr. Und was sie bislang nicht verstanden haben, werden sie auch mit Hilfe des Bundespresseamts nicht verstehen. Hartz IV? Autobahnmaut? Dosenpfand? Riester-Rente? Will niemand wissen, weil es niemand versteht. Ist zu kompliziert und zu lang und überhaupt viel zu wenig bunt und...

Und alle: "Einigkeit und Recht und…"

Wenn es draußen stürmt und schneit, ist es drinnen am gemütlichsten. Richtig schön kuschelig mit der Wolldecke bis unters Kinn und Heimatklängen fürs Gemüt. Warm wird’s ums Herz beim Klang der Nationalhymne, gratis zum Download auf den Seiten des Amts. Haydn komponierte, von Fallersleben schrieb den Text. "Die deutsche Nationalhymne in der aktuellen Fassung", heißt es da, "ist die dritte Strophe des Deutschlandliedes (festgelegt durch den Schriftwechsel vom 19. bzw. 23. August 1991 zwischen Bundeskanzler Kohl und Bundespräsident von Weizsäcker, veröffentlicht im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 89/1991 vom 27. August 1991)."

"Seit 1998", heißt es weiter, "wird das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb umgebaut."

<a class="link--external" href="mailto:stern@ha-net.de">Thomas Hirschbiegel</a>

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