Da geht es der E-Mail wie den Gedanken, die tagtäglich rund um den Globus gedacht werden. Das meiste entbehrlich, oft besser gar nicht gedacht, weil so mehr Zeit für störungsfreies Atmen. Aber der Mensch ist nun einmal ein unvernünftiges Wesen, weswegen sich die geschätzten 500 Millionen Erdenbürger mit E-Mail-Adresse rund um die Uhr elektronischen Blödsinn zusenden: Kettenbriefe, Superwitze, Superbilder, Supervideos, Supersounds, Superviren. Und die berüchtigten Einwortnachrichten: Danke. Gut. Ja. Wahlweise ersetzt durch neumodisches Gestammel oder digitales Mienenspiel.
Welch' Müh' steckte früher in einem Brief
Wer früher einen Brief schrieb, hatte sich das gut überlegt. Er musste vom Sofa aufstehen, zum Schreibtisch gehen, die Schublade aufziehen, ein Blatt herausnehmen und den Füllfederhalter, das Tintenfass auf den Tisch stellen, sich setzen, zum Füller greifen, diesen über das Blatt führen, das Geschriebene trocknen, den Brief in ein Kuvert stecken, dieses zur Post tragen, eine Briefmarke aufkleben, den Brief einwerfen. Und wieder nach Hause gehen. Oder sonst wo hin.
Anders heute: E-Mail kommt, lesen, antworten. Fertig. Weltweit rund 1,5 Milliarden Mal pro Stunde. Das meiste davon nicht nur unnütz, sondern auch noch Werbung. In deutschen Landen sind das zwei von drei E-Mails. Elektropost, die zu allem Überfluss auch noch gelesen wird, vorzugsweise am Arbeitsplatz. Eine volkswirtschaftliche Katastrophe.
So ist er, der Homo digitalis
Denn das Lesen des Werbemülls verdampft nicht nur Arbeitszeit, sondern verhindert auch noch deren sinnvolle Nutzung. Vulgo: Während sich Arbeitnehmer in "wichtige" Nachrichten aus PR-Schleudern vertiefen, bleibt Arbeit liegen, oft sogar Arbeit, die sich in dem Drittel werbefreier E-Mails versteckt, etwa Kundenanfragen oder wirklich wichtige Anfragen von Kollegen. Aber so ist er eben, der Homo digitalis. Eine Spezies, zu der selbstverständlich auch Arbeitgeber gehören.
Manch ein Unternehmen versucht es mittlerweile mit E-Mail-freien Tagen. Statt Geklopfe auf der Computertastatur gibt es für die Mitarbeiter a.) Telefonate oder – noch verrückter – b.) echte Gespräche bei Blickkontakt mit echten Menschen.
Die Angestellten sind angeblich begeistert von diesen unglaublich undigitalen Möglichkeiten.