Online-Portale Die Justiz läuft hinterher

Von Thomas Soltau
Was tun gegen pornografische Inhalte auf Websiten für Jugendliche? Wer haftet? Und welche Konsequenzen hat das für den Betreiber? Der Fall des Online-Netzwerks SchülerVZ zeigt, dass die Rechtslage ziemlich vertrackt ist - für alle Anbieter.

Rechtsradikale Inhalte und Pornografie gab's frei haus. "Hitler ist schon ok, nur das mit den Autobahnen war echt daneben" lautete ein Eintrag auf dem beliebten Jugend-Portal SchülerVZ. Foren verwiesen unter Titeln wie "Anal aber egal" oder "SmPuffHuren" auf Hardcore-Porno-Seiten oder Internetauftritte von Punkbands mit explizit pornografischen Texten, wie stern.de bereits im Juli berichtete. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) reagierte alarmiert: "Wir sehen einen Verstoß gegen die geltenden Jugendmedienschutzgesetze", sagte Sabine Frank, Geschäftsführerin der FSM. SchülerVZ habe "zugesichert, die vorliegenden Verstöße umgehend zu beheben".

Betreiber verwarnen Mitglieder

Der Betreiber der Schülerseiten, die Berliner Holtzbrinck-Tochter StudiVZ, reagierte umgehend: 100 Diskussionsgruppen von insgesamt 450.000 wurden gesperrt, etwa 20 Mitglieder wegen jugendgefährdeter und unzulässiger Inhalte verwarnt. Das Jugendportal zählt etwa 890.000 Nutzer und richtet sich vorwiegend an Schüler ab zwölf Jahren. Es soll ihnen die Möglichkeit geben sich im Internet zu treffen und auszutauschen. Jetzt hat der Vater einer 13-jährigen Nutzerin von SchülerVZ Strafanzeige gegen die Betreiber des Online-Netzwerkes und den Verlag Holtzbrinck wegen der Verbreitung pornographischen Materials und wegen Volksverhetzung erstattet. "Diese Seite ist für Kinder freigegeben und trotzdem wird hier pornographisches Material zur Verfügung gestellt und der Holocaust geleugnet", sagte der Schwetzinger Ralf S., der die Anzeige stellte, zu stern.de. "Deshalb habe ich gegen die Betreiber und Holtzbrinck als Besitzer der Seite Strafanzeige gestellt". Mittlerweile ist auch die Staatsanwaltschaft Berlin eingeschaltet, die die Klage zurzeit prüft.

Selbstüberwachung erwünscht

Aber: Lässt sich der Missbrauch von Websites, die sich an Jugendliche richten, überhaupt verhindern? Und wer muss die strafrechtlichen Konsequenzen tragen? Trotz aller Überwachungsmaßnahmen und technischer Filter gelangt immer wieder jugendgefährdendes Material auf Websites. Eine hundertprozentige Absicherung kann es im Netz nicht geben. Deshalb sind die Betreiber von Foren oder Netzwerken aufgefordert, regelmäßig die Beiträge der User zu überprüfen. Die Sanktionen sind milde: Stellt ein Betreiber fest, dass sich Teilnehmer daneben benehmen, lässt er ihn im schlimmsten Fall vom Administrator sperren. Da für die Überwachung der Foren allerdings ein Heer von professionellen und teueren Community-Managern nötig wäre, setzen Betreiber zunehmend auf Selbstkontrolle. Die User sollen Verstöße gegen die Etikette melden - erst dann wird ein Adminstrator tätig. Das wirkt zuweilen so, als solle sich eine Gruppe von Dreijährigen im Kindergarten selbst verwalten.

Juristische Grauzone

Kommt es dennoch zur Verletzung des Jugendschutzes, muss sich der Betreiber laut jetziger Rechtssprechung keine großen Sorgen machen. "Natürlich entscheidet immer der Einzelfall", sagt der Hamburger Rechtsanwalt Sascha Urbaniak. "Aber nur bei grober Verletzung der Prüfungspflicht hat eine Klage überhaupt Aussicht auf Erfolg. Das heißt, der Forumsbetreiber müsste konkrete Kenntnis von rechtwidrigen Inhalten durch entsprechende Hinweise erlangt und die ihm bekannten Beiträge nicht sofort gelöscht haben." Der Jurist mit Schwerpunkt Neue Medien räumt den Klägern deshalb kaum Chancen ein. Forenanbieter seien schlichtweg überfordert, ihre User auf Schritt und Tritt zu überwachen. "Solche Zwischenfälle sind zwar schlimm, aber in einer Demokratie nicht zu vermeiden. Nur ein gigantischer Staatsapparat, ähnlich wie bei der Internet-Zensur in China, könnte diese Aufgabe letztlich übernehmen", erklärt er. Und der Jurist weist noch auf eine andere Tatsache hin: "Die Verantwortung kann man nicht immer nur an Dritte weitergeben. Das Internet ist für alle offen und deshalb auch von Kriminellen bevölkert, hundertprozentiger Schutz ist eine Illusion. Doch man kann Kindern zumindest die Gefahren im Web erklären", so Urbaniak.

Es gibt aber auch andere Meinungen. Die Buchautorin und Expertin für Jugendschutz, Beate Krafft-Schöning, fordert verbindliche Standards für Seiten, die sich an Kinder und Jugendliche richten. Aber sie weiß auch: "Schülervz ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Und eigentlich sind solche Internet-Chats grundsätzlich nichts für Kinder unter 16 Jahren."

Klagewelle droht

Rechtsanwalt Sascha Urbaniak sieht im Online-Bereich eine wachsende Zahl von Klagen auf die Gerichte zukommen. "Verbale Attacken, die früher am Gartenzaun ausgetragen wurden, verlagern sich jetzt in Foren oder Chats". Dabei handelt es sich häufig um den Tatbestand der Beleidigung. Das größte Problem sieht der Jurist im rasanten Wachstum des Internets. Die meisten Verlage bieten heute Foren oder Chats an, in denen sich die User austauschen, teilweise sogar per Video. "Bis irgendein Gesetz zum Schutz von Jugendlichen verabschiedet wird, ist das Web mit seinen Möglichkeiten schon wieder Lichtjahre voraus." Was bleibt, ist ein ewiges Katz- und Mausspiel - das die Justiz nicht gewinnen kann.

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