Normalerweise läutet die erste Glocke des Wiener Stephansdoms gegen sieben Uhr morgens. Aus guten Grund: Würde die Kirche auch nachts bimmeln, hätten die Anwohner schlechte Chancen in den Schlaf zu finden. Doch genau das ist nun passiert: In der Nacht zu Mittwoch um 2:11 Uhr gab das Festgeläut des Doms für rund 20 Minuten eine Sondervorstellung, bis der Dompfarrer Toni Faber dem Krach ein Ende bereitete.
Der Grund für die Aufregung war kein Fehler in der Zeitschaltung der Glocken, sondern offenbar ein Hackerangriff, erklärte die Erzdiözese Wien. Ein unbekannter Angreifer habe sich Zugang zur Fernwartung verschafft, die die verantwortliche Innsbrucker Glockenfirma offenbar nicht ausreichend gesichert hatte. Einmal im System, startete die unbefugte Person zunächst das sogenannte Festgeläute im Südturm, danach das barocke Geläute im nördlichen Heidenturm. Die berühmte "Pummerin", eine Kirchenglocke aus dem Jahre 1957, die nur zu bestimmten Anlässen geläutet wird, blieb stumm – der großen Glocke fehlt eine Verbindung zum Internet.
Gott im Himmel, woher das Gebimmel
Dompfarrer Faber zeigt sich in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" nach wie vor überrascht von dem nächtlichen Angriff auf seine Kirche. Als die Glocken des Doms ihn aus dem Schlaf gerissen hatten, stürmte er nach eigenen Angaben umgehend in die Kirche um nachzusehen, was passiert war. Zunächst ging er davon aus, dass jemand in den Dom eingebrochen war.
Als klar wurde, dass niemand vor Ort war, stürmte Faber zum Tablet, das die Kirchenglocken steuert. Zu seinem Pech wusste er aber nicht, welcher Knopf welche Funktion auslöste und brauchte daher rund 20 Minuten, bis der Dom endlich wieder still war. Dabei unterlief ihm offenbar ein Fehler, der zu großem Schaden hätte führen können: Er sei so aufgeregt gewesen, verriet er im Interview mit der "SZ", dass er alle Glocken zur gleichen Zeit abschaltete – ein Vorgang, der die Motoren überfordern hätte können, denn eigentlich müsse man die Glocken einzeln abschalten.
Motiv unklar, Ängste groß
Dem Angreifer unterstellt Faber, sehr zielgerichtet vorgegangen zu sein. Er habe zunächst angenommen, die Ruhestörung hänge mit dem Krieg in der Ukraine zusammen, da die Kirche am Vorabend ein Banner mit der Aufschrift "No War" aufgehängt hatte. Da der ungebetene Glöckner aber keine Nachricht hinterließ, bleibt das Motiv wohl weiterhin unklar.

Viel drastischer seien die Auswirkungen auf die Wiener Bevölkerung gewesen, schildert der Pfarrer. Die Menschen hätten mit dem schlimmsten gerechnet, zum Beispiel einem Angriff auf die Stadt oder dem Tod des Papstes. Faber sei überrascht, was die Menschen auch in der heutigen Zeit noch in das Läuten einer Kirche hineininterpretieren würden, verriet er.
Mit einem weiteren nächtlichen Gebimmel ist übrigens nicht zu rechnen: Die Fernwartung wurde umgehend besser abgesichert und ist nun nicht mehr ohne weiteres aus dem Internet erreichbar. Bis heute hat sich zu dem Angriff niemand bekannt: "Wir warten ab, ob die IT-Experten der Glockenfirma etwas herausfinden", sagte der Dompfarrer der Austria Presse Agentur gestern.
Quellen: Süddeutsche Zeitung, Orf, Orf [2]