Sommerloch-Serie, Folge 6 Wie Facebook-Monster Mamis Erspartes fraßen

Wir haben unsere Leser gefragt, welche Themen zu kurz kommen. Ulla W. aus Berlin erzählte uns die Geschichte ihres Sohnes, der bei einem Facebook-Spiel 500 Euro verzockte. Teil 6 der Sommerloch-Serie.

Andreas (alle Namen geändert) geht in die vierte Klasse einer Berliner Grundschule und mag es nicht, dass sein großer Bruder Martin immer besser ist als er. Ob auf dem Sportplatz oder bei Videospielen - stets ist Andreas nur die Nummer zwei. Auch beim Facebookspiel "Backyard Monsters" ("Hinterhof-Monster") ist das nicht anders. Doch dann hat Andreas die zündende Idee. Der Sieg über den großen Bruder kostet die Mutter allerdings mehr als 500 Euro.

Weil sein drei Jahre älterer Bruder Mitglied bei Facebook ist, will Andreas das auch sein. Das Problem: Erst mit 13 Jahren darf man Teil des sozialen Netzwerks werden, Andreas ist aber erst zehn. Deshalb überredet er seine Mutter Ulla, ihm ein Facebook-Profil zu erstellen. Dabei erklärt sie ihm, dass er verantwortungsvoll mit seinen Daten umgehen müsse, da das Netz viele Gefahren berge. Lange nutzt er die Plattform nur zum Chatten, doch dann entdeckt er das Browser-Game "Backyard Monsters". Knapp vier Millionen Leute spielen das Online-Strategiespiel, unter anderem sein Bruder und dessen Freunde. Andreas will dazugehören.

Taschengeld für einmal Monsterzüchten, bitte

In "Backyard Monsters" muss der Spieler eine Basis aufbauen und eine Armee aus Monstern züchten, die die Stützpunkte der Konkurrenten erobern kann. Das Spiel ist kostenlos, doch wer schneller vorankommen will, kann sich Vorteile in Form einer virtuellen Währung kaufen, den sogenannten "Shinies". Damit können mehr Krieger oder bessere Verteidigungsmauern erworben werden. 1000 Shinies kosten sechs Dollar, rund 4 Euro. Kauft man mehr, gibt es Rabatt.

Andreas darf nur eine Stunde täglich am Computer spielen. Das ist zu wenig, um in "Backyard Monsters" erfolgreich zu sein. Deshalb fragt er seine Mutter, ob er von seinem Taschengeld Shinies kaufen darf. Sie zögert erst, doch dann akzeptiert sie seinen Wunsch, solange es bei dieser einen Ausnahme bleibt. Mit dem Online-Bezahldienst Paypal kauft sie die Shinies und hilft ihrem Sohn beim virtuellen Basis-Bau. Was Ulla jedoch nicht bemerkt: Andreas beobachtet sie und lernt dabei das Bezahlsystem von Paypal kennen. Zwar verdeckt sie das Passwort auf der Tastatur, allerdings kann der Junge den Ordner sehen, in dem der Kennwort-Zettel liegt.

500 Euro für 110.000 Shinies

Für Ulla ist das Thema "Backyard Monsters" zunächst erledigt. Doch zwei Monate später beschwert sich Andreas, dass sein Bruder ständig seine Basis angreifen würde. Die Mutter bittet ihren älteren Sohn, mit den Angriffen aufzuhören, doch der lacht nur über seinen kleinen Bruder. "Ich dachte mir nichts weiter dabei", erzählt Ulla stern.de. "Mein älterer Sohn sagte, es gehöre dazu, auch mal zu verlieren". Auch als Andreas zwei Wochen später stolz erzählt, dass seine Basis nun für mehr als einen Monat sicher sei, findet sie das nicht weiter bemerkenswert. Im Nachhinein gibt sie zu, dass sie die Anzeichen nicht richtig gedeutet hat.

Denn am nächsten Tag entdeckt Ulla zufällig in ihrem Spam-Ordner, wie Andreas seine Basis derart schnell aufrüsten konnte: Um die eine Stunde Spielzeit möglichst effizient zu nutzen, brauchte Andreas neue Shinies. Wie er die bekommt, hat er bei seiner Mutter gesehen. Bei der Frage nach dem Passwort erinnert er sich wieder an den Aktenordner. Mit den Zugangsdaten der Mutter kauft Andreas knapp 10.000 Shinies. Doch die reichen nicht, sodass er noch zwölf weitere Pakete kauft. Insgesamt landen 110.000 Shinies für 655,87 Dollar, rund 460 Euro, auf dem Spielkonto von Andreas. Genauso schnell, wie er die Shinies gekauft hat, gibt er sie wieder aus: Nach einer Stunde sind nur noch 9400 übrig, der Rest wurde in virtuelle Monster, Schutzmauern und Wachtürme investiert.

Banken verweigern die Rückzahlung

Als Ulla die Abbuchung entdeckt, lässt sie das Geld sofort zurückbuchen. Ihr Argument: Ihr Sohn sei nicht geschäftsfähig, der Einkauf wäre von ihr nicht autorisiert worden. Für Ulla ist der Fall klar: Hier müsse der Käuferschutz greifen. "Obwohl ich sehe, dass ich noch vorsichtiger hätte sein müssen, finde ich, dass in diesem Fall der Kinderschutz greifen muss", sagt Ulla. "Denn ein Kind kann keine Ware entgegennehmen, das müssten die Verkäufer auch einsehen." Doch Paypal stellt sich quer. Die Zahlungsansprüche der Bank seien berechtigt, da das Geld von ihrem Heimcomputer gesendet wurde. Auch der Käuferschutz gelte nicht, da immaterielle Güter wie Downloads oder Softwarelizenzen von den Geschäftsbedingungen nicht abgedeckt werden. Paypal will das Geld und fordert zusätzlich 65 Euro Rückbuchungsgebühr. Auch Casual Collective, die Firma hinter "Backyard Monsters", verweigert eine Rückzahlung. Die Begründung: Der Großteil der Shinies wurde sofort ausgegeben, die Ware kann nicht zurückgenommen werden. Eine Einigung ist bisher nicht erzielt worden, Ullas Paypal-Konto ist noch immer im Minus.

"Bei aller 'Intelligenz' beim Auffinden des Passworts - mein Sohn wusste nicht, was er tut", sagt Ulla. "Er hatte kein schlechtes Gewissen, als er mir begeistert von der Sicherheit seiner Basis erzählte." Erst als sie ihm erklärt, dass die Zahlen echtes Geld sind, versteht er seinen Fehler. Nach Computerspielen hat er seitdem nicht mehr gefragt.

Doch auch Ulla hat aus ihrer Unachtsamkeit gelernt: "Es ist wichtig, sich bei der Technik nicht von den Kindern abhängen zu lassen." Selbst engagierte Eltern machen beim Umgang mit modernen Medien häufig Fehler: "Ich habe mir Facebook extra vorher angeschaut und meinen Sohn darauf hingewiesen, vorsichtig mit seinen Daten umzugehen", sagt Ulla. " Doch ich habe unterschätzt, wie schnell sich selbst junge Kinder im Netz zurecht finden. Leider war ich selbst nicht vorsichtig genug."

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