In der Coronazeit boomt der Onlinehandel - und auch die Betrugsmaschen nehmen zu. Galten lange vor allem Fakeshops als Problem, nehmen die Betrüger zunehmend auch die Händler ins Visier. Was aber nicht heißt, dass sie nicht auch unschuldige Bürger zum Opfer machen. Das TV-Magazin "ZDFzoom" zeigt, warum der Onlinebetrug in Deutschland besonders gut funktioniert - und warum es so schwer ist, ihn zu unterbinden.
Kronzeuge ist der Kopf einer Betrügerbande. Der 36-Jährige sitzt aktuell in der JVA Dresden ein - und erklärt im Detail, wie die Masche funktioniert. Das Netzwerk aus 200 Komplizen war hochorganisiert. Trotz der vielen Mechanismen zur Verschleierung der Tat gelang es dem LKA Sachsen, den Kopf der Gruppe nach sechs Jahren Ermittlung dingfest zu machen. "In diesem konkreten Verfahren sprechen wir von einer Milliarde Datensätze, wir reden von 26.000 Postsendungen." Es habe fünfeinhalb Jahre Ermittlungen und 135 Aktenbände gebraucht, um die Täter zu ermitteln. 13 Millionen Euro haben der Boss und sein Netzwerk erbeutet.
Deutsche Eigenheiten
Der russische Staatsbürger, der eigentlich Buchhalter ist, berichtet, er habe sich bewusst für Deutschland entschieden, nachdem er es in mehreren Ländern versucht hatte. "Das Sicherheitssystem ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern am schwächsten", erklärt der Betrüger, der in der Sendung nur unter seinem Online-Name "Exemption" genannt wird. Daher sei es hierzulande einfacher, die Bestellmasche umzusetzen. Die Schuld sieht er bei den Unternehmen, die den deutschen Onlinehändlern ihre Zahlungsmechanismen zur Verfügung stellen. Die brüsten sich zwar, besonders gut Betrugsversuche zu erkennen, scheitern in der Praxis aber oft trotzdem daran.
Das liegt auch an einer Vorliebe der Deutschen: Die kaufen nämlich am liebsten auf Rechnung. "Wenn ich das Bezahlen zu schwierig mache, kauft keiner mehr, dann mache ich keinen Umsatz mehr", erklärt eine Sprecherin des Dienstleisters Ratepay. Also bliebe den Händlern wenig übrig, als die riskante Rechnung als Bezahlmethode anzubieten.
Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie eine Pflicht zur Zwei-Faktor-Authentifizierung oder zur klaren Identifizierung per Post-Ident könnte die Gefahr senken. Doch gerne gesehen ist das nicht. "Der Mensch nimmt das erstmal als Hürde wahr", erklärt auch der Sprecher des Branchenverbands E-Commerce und Versandhandel. Die Händler müssten daher immer Sicherheit gegen Umsatz abwägen. Zudem lägen die Fälle nur im Promillebereich.

Unschuldig verdächtigt
Das hilft Opfern wie Mara Bergmann wenig. In ihrem Namen wurden in gleich mehreren Betrugsfällen Waren im Wert von mehr als 6000 Euro bestellt, nun werden ihr rechtliche Schritte angedroht, es gibt Ärger mit Inkassobüros und mögliche Schufa-Einträge. Wenn sie mit den Forderungsstellern in Kontakt tritt, gebe es oft Verständnis und die Anmerkung, das käme öfter vor. "Aber es gibt auch Menschen, die haben mir das Gefühl gegeben, eine Schwerkriminelle zu sein", berichtet die junge Frau sichtlich bewegt.
Dass sie von den vermeintlichen Bestellungen nichts mitbekam, bis die Mahnungen kamen, hat einen einfachen Grund: Vielen Shops reicht es für einen Einkauf auf Rechnung aus, einen echten Namen und das passende Geburtsdatum zu bekommen. Eine Wohn- und eine E-Mail-Adresse muss man zwar ebenfalls angeben, die werden aber nicht geprüft - und lassen sich daher von Betrügern selbst einrichten. Mit einem falschen Namensschild an der Klingel lassen sich dann schnell Pakete annehmen. Und Menschen wie Bergmann erhalten die Rechnung.
Das Problem nimmt zu
"Der Bestellbetrug hat sich mittlerweile leider als Massendelikt etabliert", erklärt Stefan Keller vom LKA Berlin. Alleine in dem Stadtstaat habe es im letzten Jahr mehr als 19.000 Fälle gegeben, die Aufklärungsrate liegt bei nur 12 Prozent. Aussichtslose Fälle werden daher schon gleich zu Anfang aussortiert. "Irgendwann muss der Täter aber auch aus der Deckung kommen, er muss versuchen, physisch in den Besitz des Pakets zu kommen." Das kann ein Ansatz sein, ihn zu überführen.
Doch auch das bedenken die Betrüger - und setzen oft Unbedarfte als Zwischenschritt ein. Jan aus Augsburg dachte etwa, er arbeite für eine Logistikfirma, nahm Pakete an und leitete sie nach Osteuropa weiter. Statt eines Lohns kamen aber irgendwann die Forderungen der Händler. Und Anzeigen wegen Betrugs und Geldwäsche. Zum Glück blieb die Episode bis auf den Schrecken und den Ärger folgenlos.
Am Ende bleibt die traurige Erkenntnis: Weil zwischen den Umsätzen und der Sicherheit abgewogen werden muss, entscheiden sich die Händler meist, lieber Geld zu verdienen. Und das Risiko des Betrugs in Kauf zu nehmen. Das pessimistische Fazit der Ratepay-Sprecherin: "Den Identitätsbetrug kann man nie zu 100 Prozent verhindern."
Quelle:ZDF