Einmal Gerhard Schröder im Internet erleben: Mit der Homepage www.bundes-kanzler.de scheint es möglich. Sogar ein elektronisches Briefchen kann der Surfer dem Besitzer der prominent klingenden Online-Adresse schicken. Doch in diesem Fall ist nicht etwa der Sozialdemokrat Schröder der Empfänger, sondern ein gewisser Sepp, der seine Fantasien als Regierungschef auslebt.
Bundeskanzler Sepp - nicht die einzige Kuriosität
Ob Ausflugs-Kalender oder aktuelle Party-Fotos: Bislang unbehelligt vom Bundeskanzleramt bringt das niederbayerische Original seine »Untertanen« per Internet-Seite regelmäßig auf den neuesten Stand seines ereignisreichen Lebens. (Momentan wird an der Site allerdings heftig gebastelt.) Doch der »Bundeskanzler-Sepp«, wie er seit seinen ersten Auftritten als Hobby-Kabarettist von seinen Freunden gerufen wird, ist nicht die einzige Kuriosität auf Deutschlands vermeintlich offiziellen Webseiten.
Auch unter www.bundes-regierung.de erwartet den Internet-Surfer alles andere als Erklärungen zur Steuerreform oder die Lebensläufe der Minister. Vielmehr kündet hier die Trierer Punk-Rock-Band Partysahnen von ihren musikalischen Heldentaten, wie etwa dem nahezu unbekannten »Liebeslied für Britney« (Spears). Probleme wegen des Namens der Web-Seite? »Bisher jedenfalls noch nicht«, sagt Partysahnen-Bassist Tobi.
Bundesland gegen Pornografen
Anders geht es da schon der Firma celly.de. Denn unter www.sachsen-anhalt.com präsentiert sie statt der offiziellen Informationen über das Bundesland ein erotisches Branchenverzeichnis - zum Missfallen der Landesregierung. Die will zukünftig verhindern, dass im Namen Sachsen-Anhalts eine nackte Blondine lässig neben einem Foto des Magdeburger Doms sitzt und die Internet-Surfer zum Wohle des Sexführers mehr oder weniger verführerisch anschaut.
»Wir versuchen gerade, die Adresse für uns zu sichern«, sagt der der stellvertretende Regierungssprecher Theo Struhkamp. Die Verbindung zwischen Hinweisen auf Bordelle, Swingerclubs, Pornoseiten sowie Sexshops auf der einen und dem »guten Namen Sachsen-Anhalts« auf der anderen Seite gehöre gekappt. Die rechtliche Basis dafür sei auf Grund mehrerer Urteile in ähnlichen Fällen gut, urteilt der Sprecher.
Bundespresseamt bekam Deutschland.de zugesprochen
Bekanntes Beispiel: Das Landgericht Berlin sprach die Rechte an der Adresse www.deutschland.de im vergangenen Jahr dem Bundespresseamt zu, nachdem sie zuvor für ein Frankfurter Internetunternehmen registriert war. »Wir setzen aber zunächst auf eine gütliche Einigung mit der Betreiberfirma«, sagt Struhkamp. Sachsen-Anhalt will es in dem delikaten Fall auf einen Rechtsstreit offenbar gar nicht erst ankommen lassen.
Anders als Sachsen-Anhalt bleiben die übrigen Bundesländer von Doppeldeutigkeiten im Netz offenbar verschont. So führen im Fall Baden-Württembergs fast alle Schreibweisen auf die offizielle Internetseite des Landes. Bei anderen Ländern verbergen sich hinter mancher Adresse lediglich Suchmaschinen, Hotelketten, e-mail-Dienste oder wie bei www.brandenburg.com eine gleichnamige Internetfirma.
Trittbrettfahren lohnt sich
Die prominenten Seitennamen sind beliebt bei ihren Besitzern: Je bekannter die Kennung, umso häufiger finden auch zufällige Besucher den Weg auf die Webseiten. Gleich einen eigenen Staat samt Parlament und Verfassung hat ein Spaßvogel namens KLE hinter der wohlklingenden Internetfassade www.freistaat.com gegründet. Mit Bayern, Thüringen oder Sachsen hat der Schöpfer dieses virtuellen Reiches freilich nichts am Hut - KLE ist lieber selbst »Ministerpräsident«.
Sven Runde, dpa