Die Macht aus Fernost Wie unbekannte Chinesen den Handymarkt aufrollen

  • von Björn Maatz
Sie beherrschen mehr als ein Drittel des weltweiten Handymarktes und ein Fünftel des globalen Absatzes von Tablet-Rechnern: Unternehmen, die kaum einer kennt. Warum sogenannte White-Box-Anbieter auf dem Vormarsch sind. Eine Analyse.

Der Wachwechsel im ersten Quartal geschah fast unbemerkt: Erstmals löste die bei der US-Marktforschungsfirma Gartner nur als "Others" geführte Gruppe Nokia als weltgrößten Hersteller von Mobiltelefonen ab. Die Anbieter mit einem jeweiligen Marktanteil von maximal 1,5 Prozent kamen im Verbund auf einen Gesamtanteil von 36 Prozent am globalen Handygeschäft. Der von Nokia lag bei 25,1 Prozent.

Der Vergleich mag hinken, weil die Finnen natürlich nach wie vor die Position des Branchenprimus innehaben. Dennoch zeigt er die wachsende Bedeutung der sogenannten White-Box-Anbieter. Ihre Existenzberechtigung definieren sie ausschließlich über den Preis: Die wichtigsten Handybestandteile wie etwa Chips und Bildschirme stammen überwiegend von den taiwanischen IT-Konzernen Mediatek und MStar oder Spreadtrum Communications mit Sitz in Schanghai. Den Zusammenbau der Geräte übernehmen Hunderte meist chinesische Kleinfirmen. Mehr als 1 Dollar Marge pro Gerät springt für sie in der Regel nicht heraus.

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Große Nachfrage in Schwellenländern

Längst ist das Geschäft nicht mehr auf China beschränkt: Der steigende Bedarf an günstigen Smartphones hat neue White-Box-Marken wie G-five, CSL und i-Mobile hervorgebracht, die in Schwellenmärkten wie Indien, Malaysia und Thailand operieren. Gebaut werden die Geräte aus Kostengründen aber nach wie vor von Firmen in China.

Besonders G-five ist in einigen Regionen so bekannt wie traditionelle Hersteller. Laut einem Report von Gartner muss das Unternehmen einen Teil der Produktion an andere Firmen auslagern, weil die Kapazitäten für den steigenden Bedarf nicht ausreichen. Gartner zufolge wird der weltweite Absatz von White-Box-Handys in diesem Jahr auf bis zu 405 Millionen im Vergleich zu rund 300 Millionen Stück 2010 steigen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 1,6 Milliarden Handys verkauft.

Billige Oberklassetelefone sind in Entwicklungsländern besonders beliebt, weil sich dort viele Menschen keinen PC leisten können und das Smartphone somit auch den Erstzugang zum Internet ermöglicht. Zum Teil verfügen sie sogar über Funktionen, die etablierte Hersteller nicht anbieten, wie etwa den Einsatz von bis zu vier Sim-Karten. In westlichen Ländern werden Smartphones oft per Vertrag mit einem Mobilfunkanbieter verkauft. Ein Multi-Sim-Handy würde diesem Geschäftsmodell widersprechen.

Billig-Tablets auf dem Vormarsch

Gartner zufolge werden die kleinen Hersteller im zweiten Halbjahr Smartphones auf Basis des populären Google -Betriebssystems Android unter 100 Dollar anbieten können. Produkte namhafter Produzenten wie HTC und Motorola können dagegen bis zu 600 Dollar kosten.

Weil die Geräte der White-Box-Produzenten immer leistungsfähiger werden, gerät auch das Mittelklassesegment etablierter Hersteller in Bedrängnis. Bislang stellte die zunehmende Verbreitung von Billigprodukten vor allem für Nokia eine Bedrohung dar: Die Finnen sind mit günstigen Einstiegsmodellen traditionell stark in Entwicklungsländern vertreten.

Ähnliches dürfte den Produzenten von Tablet-Rechnern blühen: Zwar beherrscht Apple mit seinem iPad noch mehr als die Hälfte des globalen Marktes. Doch laut der US-Marktforschungsfirma Displaysearch stammt bereits jeder fünfte weltweit verkaufte Rechner mit berührungsempfindlichem Bildschirm von No-Name-Anbietern. Innerhalb eines Quartals steigerten diese ihren Absatz um 235 Prozent auf 1,9 Millionen Stück.

Analog wie bei den Smartphones konzentrieren sich die Anbieter noch auf China, nehmen aber bereits andere Wachstumsmärkte wie Lateinamerika, Russland, den Mittleren Osten und Afrika ins Visier. Displaysearch zufolge nutzen die Hersteller von White-Box-Tablets Bildschirme, die von größeren Anbietern wie Apple, Hewlett-Packard und Samsung nicht benutzt werden. Die Qualität - etwa die Helligkeit - ist nach Angaben der Analysten nicht ganz so gut wie die von etablierten Unternehmen verbauten Displays. Das gefährde aber nicht das rasante Wachstum der White-Box-Tablets, mit dem nicht mal Apples iPad-Verkäufe mithalten könnten.

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