Seit Jahren erarbeitet sich das Amazon-Tochterunternehmen Ring den Ruf, in den USA eng mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Zuletzt machte vor 2019 ein Bericht die Runde, dass amerikanische Polizeistationen ganze Netze privater Überwachungskameras aufbauen, um die Nachbarschaften auf freiwilliger Basis effizienter überwachen zu können. Nun kam heraus: Eine Zustimmung der Nutzenden oder eine richterliche Anordnung liegt offenbar nicht immer vor, wenn Amazon der Polizei diesen Zugriff gewährt.
Vor drei Jahren blieb ein Skandal weitgehend aus, denn Amazon erklärte seinerzeit, dass man den Zugriff der Behörden auf die Videofeeds explizit erlauben müsse und niemand etwas zu befürchten habe, wenn dies nicht geschieht. Überdies verurteilte das Unternehmen sogar das Vorgehen mancher Polizeistationen, die Ring-Kameras zwar gratis an Bürger verteilt hätten, im Gegenzug aber Zugriff auf die Aufnahmen verlangten.
Elf Ring-Zugriffe über Schlupfloch – in diesem Jahr
Doch es gab schon immer ein Schlupfloch: In nicht näher definierten "Notfällen", genauer "Fällen, in denen die unmittelbare Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung einer Person besteht", räumt sich Ring das Recht ein, die Aufnahmen auch bei fehlender richterlicher Anordnung oder Erlaubnis der Nutzer mit der Polizei zu teilen.
Wie "The Intercept" berichtet, passierte das in diesem Jahr bereits elf Mal. Das erklärte Brian Huseman, Amazons verantwortlicher für politische Angelegenheiten. Darum gebeten hatte US-Senator Ed Markey, der das Unternehmen kürzlich zu Ring und der Zusammenarbeit mit der Polizei befragte.
In dem Schreiben des Senators ging es auch um jenes Schlupfloch, das sich Amazon selbst eingeräumt hat. Er fragt: "Erläutern Sie bitte ausführlich die spezifischen internen Richtlinien des Rings in Bezug darauf, was einen 'dringenden' Umstand darstellt."
Amazon entgegnet ausweichend: "Auf Grundlage der behördlichen Angaben und der geschilderten Umstände entscheidet Ring nach bestem Wissen und Gewissen, ob der Antrag den bekannten, im Bundesgesetz verankerten Standard erfüllt, wonach eine unmittelbare Gefahr für den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Person besteht, die eine unverzügliche Offenlegung der Informationen erfordert."
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"Vertrauensbonus verspielt"
Für Datenschützer Matthew Guariglia ist das ein Problem. Im Bericht von "The Intercept" sagt er, dass Amazon und die Hausmarke Ring in seinen Augen jeglichen Vertrauensbonus verspielt hätten, wenn es nicht alleine in der Hand der Nutzer liege, die Aufnahmen mit der Polizei zu teilen.
Er rät, bei den Kameras die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu aktivieren – denn das müsse händisch passieren. Auch Senator Markey geht auf diese Funktion ein und fragt: "Wird Ring sich dazu verpflichten, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gespeicherter Aufnahmen zur Standardoption für Nutzer zu machen, so dass Ring und Amazon keinen Zugriff auf Nutzervideos haben?"
Amazon findet auch dafür eine Erklärung und weicht erneut aus: "Mit der Video-End-to-End-Verschlüsselung können Kunden ihre verschlüsselten Videos nur auf ihren registrierten Mobilgeräten ansehen. Das bedeutet, dass einige Funktionen deaktiviert werden, wenn Kunden die End-to-End-Verschlüsselung aktivieren. Die Benutzerkontrolle ist für Ring von grundlegender Bedeutung, und wir sind uns bewusst, dass diese fortschrittliche Funktion möglicherweise nicht für alle Kunden geeignet ist."
Quelle: The Intercept