Verrückte Bastler im Web Von Düsen-Fahrrädern und Zucker-Druckern

Von Christian Ströh
Der moderne Heimwerker schraubt keine Regalwände zusammen, sondern zweckentfremdet, improvisiert und experimentiert, dass sich die Schaltkreise biegen. Im Web finden sich bizarre Zeugnisse verrückter Bastler.

Aus Altem Neues zu machen, aus Neuem Anderes und aus Kaputtem Heiles, das war jahrhundertelang eigentlich ganz selbstverständlich. War diese Kreativität früher überlebensnotwendig, wurde sie im technischen Zeitalter zum Freizeitspaß. Mitte des 18. Jahrhunderts erfreute man sich noch an jedem elektrischen Schlag, den man bekommen konnte (sehr beliebt: Der "elektrische Kuss"). In den 1930er Jahren erfuhren die Leser von "Modern Mechanics" dann schon, wie man ein Faxgerät selbst bastelt. Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet in jenem Land das die "Vorsicht, Inhalt ist heiß"-Kaffeebecher erfand, einmal Zeitschriften "Fun with Explosives Gases" versprachen. Selbst Filmstars gingen unter die Tüftler. Am berühmtesten wurde, mit knapp 50 Jahren Verspätung, Hedy Lamarr: Sie besaß ein Patent auf die "interferenzresistente Streuspektrum"-Technologie - Grundlage von Wlan, Handy und Satellitenkommunikation. Ersonnen hat sie das, so die Legende, auf dem Teppich ihrer Hollywood-Villa.

Hierzulande denkt man beim Stichwort "Do it Yourself" eher an Stichsägen und an vollschlanke Moderatorinnen, die Gelsenkirchener Barock in eine schwedische Möbelausstellung verwandeln. Doch anderswo werden selbst die absurdesten Kinderträume verwirklicht: Ein gewisser Herr Pilipenko baute sich mitten in der ukrainischen Steppe ein U-Boot, andere Fahrräder mit Düsenantrieb oder "Segway"-Roller - aber mit einem Rad. Das geht bisweilen ins Geld, doch man kann auch mit wenig Geld Spaß haben. Indem man einfach nichts mehr wegwirft, zum Beispiel. Kreative Recycler verwandeln Bleistifte in Synthesizer, Gitarrensaiten in Styropor-Schneider und optische Mäuse in grobkörnige Kameras. Die Möglichkeiten sind endlos, erlaubt ist was Spaß macht.

Zentrale Anlaufstelle ist seit August 2005 die Seite des "Boing Boing"-Gründers Eric J. Wilhelm. Die auf Instructables.com veröffentlichten Anleitungen faszinieren monatlich rund 4,8 Millionen Menschen weltweit. Echte Konkurrenz entsteht nur durch das "Make Magazine", ebenfalls seit 2005 am Start.

Web-Shops wie Etsy.com oder Dawanda.de haben sich auf die neue Lust am Kreieren eingestellt: Sie verkaufen ausschließlich Selbstgemachtes. Auch handwerklich Minderbemittelte kommen zum Zug: Den Lasercuttern des neuseeländischen Start-Ups Ponoko.com reichen ein paar Designideen per Email. Und ebenso wie beim niederländischen 3D-Druck-Service Shapeways.com können die entstandenen Produkte auch über die eigenen Internet-Shops dieser Betriebe angeboten werden. Kurzum: Man benötigt weder Geräte, noch muss man sich um Lagerung und Versand kümmern. Etwas braucht man jedoch: eine gute Idee.

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