Liebe Frau Peirano,
mein Freund und ich sehen uns nur noch selten, weil er nie zu mir nach Hause kommen möchte. Als Grund gibt er immer an, dass er bei sich noch etwas zu tun habe und dass es ihn störe, dass er bei mir nicht in der Wohnung rauchen kann.
Dabei habe ich eine gemütliche Wohnung mit großem Balkon, wo er natürlich draußen rauchen darf. Bevor ich ihn dann gar nicht mehr sehe, gebe ich meistens nach und fahre zu ihm oder er nimmt mich auf dem Heimweg von der Arbeit im Auto mit.
Ich habe schon öfters mit Ich-Botschaften und auch mal mit klarer Ansage den Wunsch nach einem Ausgleich geäußert und er sagt einfach nur "Nein" und wirkt genervt, egal was ich versuche. Dabei muss ich ebenso Abstriche machen, wenn wir bei ihm sind, denn es ist dort nicht sehr sauber und immer verraucht. In den ersten Monaten der Beziehung habe ich das Sauberkeitsproblem oft thematisiert, es jedoch gelassen mit der Zeit, da meine Worte ohnehin keine Wirkung zeigen.
Ich hoffe sie können mir einen Rat geben.
Mit freundlichen Grüßen
Silja B.
Liebe Silja B.,
es hört sich so an, als wenn unter dem Konflikt, in wessen Wohnung Sie sich treffen, noch viele (und aus meiner Sicht gewichtigere) weitere Konflikte schlummern.
Wie fühlen Sie sich denn in Ihrer Beziehung emotional aufgehoben? Es klingt durch, dass Ihr Freund recht konsequent seine eigenen Wünsche durchsetzt und nicht bereit zu Kompromissen oder zu einem Ausgleich ist.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Er möchte gerne in seiner Wohnung sein, weil es für ihn bequemer ist, aber er achtet nicht darauf, dass Sie sich bei ihm wohl fühlen - und er hört auch nicht auf Ihre Wünsche und Ihre Kritik. Sie müssen sich verbiegen und sich mit dem zufrieden geben, was Sie dort vorfinden.
Kann es sein, dass für Ihren Freund das Thema "Rauchen" einen sehr hohen Stellenwert hat? Er lässt sich von seinen Zigaretten mehr steuern als von Ihnen, wie es klingt. Beobachten Sie doch in der nächsten Zeit, was er alles dafür tut, um ungestört (und drinnen) zu rauchen - und vergleichen Sie es mit dem, was er für Ihr Wohlbefinden tut. Möglicherweise ist hier die Sucht stärker als Sie es bisher angenommen haben.
Die Kommunikation zwischen Ihnen beiden scheint auf jeden Fall schwierig zu sein und es zeigen sich einige Vorboten einer Trennung: Mauern, keine Bereitschaft zu Kompromissen oder Entgegenkommen, kein Bemühen um den Partner, keine Erklärungen oder Verhandlungen, und ein wenig emotionale Erpressung (entweder wir machen es zu meinen Bedingungen, oder wir sehen uns nicht).
Das Verhalten Ihres Freundes macht auf mich den Eindruck, als wenn er nicht mehr viel Wert auf die Beziehung legt und möglicherweise durch sein egoistisches Verhalten unbewusst eine Trennung herbei führen will. Ist Ihnen der Gedanke auch schon gekommen?
Häufig steht ein Paar vor dem Aus, wenn nicht mehr die Interessen des Paares (Wir) berücksichtigt werden, sondern einer oder beide häufiger das Wort "Ich" benutzen.
Meine wichtigste Frage an Sie ist: Warum wollen Sie diese Beziehung fortsetzen? Was gefällt Ihnen daran? Gibt es positive Dinge, die Sie nicht beschrieben haben? Haben Sie Angst vor einer Trennung? Kennen Sie es aus Ihrer Kindheit, ungewollt zu sein und in Ihren Bedürfnissen nicht gehört zu werden?
Wenn Sie keine triftigen Gründe haben, diese Beziehung fortzusetzen, wäre es für Ihr Selbstwertgefühl gut, selbst einen Schlussstrich zu ziehen und zu sagen: "Du behandelst mich unter meinem Wert, und da du daran nichts ändern wolltest, gehe ich jetzt."
Herzliche Grüße,
Julia Peirano