Liebe Frau Peirano,
ich (39) bin seit 15 Jahren mit meinem Mann (37) zusammen, davon sind wir zehn Jahre verheiratet. Mein Mann hatte sich in den ersten zwei Jahren mit einer Frau getroffen, es gab keinen Sex und ich hatte es ihm verziehen.
Nun haben wir zwei kleine Kinder (8 und 4). Ich kümmere mich komplett alleine um die Kids und habe dafür meine Arbeit gekündigt. Abends, wenn er nach Hause kommt, schlafen die Kinder bereits und ich versuche dann, ihm immer einen netten Abend zu gestalten und ziehe mir was Schönes an. Ich bin manchmal sooo müde und würde gerne über meinen Tag reden oder vielleicht auch mal verwöhnt werden. Aber nichts davon kommt von ihm, alles dreht sich um ihn.
Das Leben meines Mannes hat sich nicht verändert, er spielt weiterhin intensiv Fußball, geht mehrmals die Woche zum Fitness und trifft sich regelmäßig mit seinen Jungs. Ich bin sehr viel alleine zuhause. Ich habe oft das Gespräch mit ihm gesucht, habe auch die Veränderung bemerkt. Er hatte uns komplett vernachlässigt und wollte nie drüber sprechen und ich würde ihn nur einengen.
Im April fand ich durch Zufall ein zweites Handy und es kam raus, dass er seit fünf Monaten eine Affäre hatte, sie wusste von mir und den Kindern (ich hatte es bereits geahnt und ihn auch angesprochen, er verneinte es immer). Nun hat er das zwar beendet, aber ich kann ihm nicht verzeihen. Ich weiß einfach nicht, ob ich ihn noch liebe. Er weint viel und sagt, es tue ihm leid und er liebt mich so sehr, er hat auch sein Verhalten geändert und verbringt viel Zeit mit uns, was schön ist. Die Kinder und ich sind oft irritiert und auch etwas genervt, weil er manchmal wie so ein Anhängsel ist. Oft schaue ich ihn an und denke mir, was für ein Kind er eigentlich ist und wie unfassbar dumm und eingebildet ich ihn finde.
Ich habe den Respekt und die Achtung vor ihm verloren und doch hält mich noch etwas bei ihm. was ich nicht beschreiben kann. Kann man so eine Ehe noch retten oder sind wir gescheitert?
LG
Irina G.
Liebe Irina G.,
als ich Ihre Schilderung gelesen habe, habe ich gedacht, dass Sie in Ihrer Ehe ein ganz schön großes Minusgeschäft gemacht haben. Sie sind diejenige gewesen, die mehr in die Beziehung und die Familie investiert hat: Mehr Care-Arbeit im Haushalt und für die Kinder, mehr Bemühen um das Wohlergehen Ihres Mannes, und ein deutliches Zurückstellen Ihrer eigenen Interessen.
Es hört sich so an, als wenn Ihr Mann weder Ihr Wohlergehen noch seine Verantwortung gegenüber den Kindern im Blick hatte. Er war oft abwesend, geht seinen eigenen Interessen nach und riskiert sogar Ihre Beziehung, indem er eine Affäre hatte.
Natürlich haben solche Geschichten immer zwei Seiten, und Ihr Mann ist nicht zu Wort gekommen, um seine Sicht der Dinge zu erzählen. Aber dennoch wird deutlich, dass er sich nicht partnerschaftlich verhalten hat.
Dazu hätte gehört, dass er mit Ihnen über seine Unzufriedenheit spricht und nach Lösungsmöglichkeiten sucht, bevor er einfach eine Affäre anfängt. Es wäre auch fair gewesen, ehrlich zu Ihnen zu sein, als die Affäre begonnen hat. Stattdessen hat er versucht, die Affäre bequem nebenbei zu führen, was wahrscheinlich auch die andere Frau verletzt hat. Als Sie es herausgefunden haben, hat er alles so lange abgestritten, bis es nicht mehr möglich war und dann erst gestanden.
Dadurch ist Ihr Vertrauen zerstört, und wenn ich ehrlich bin, frage ich mich vor diesem Hintergrund auch, ob er die Affäre wirklich beendet hat oder nur andere Möglichkeiten gefunden hat, sie zu verbergen (z.B. durch ein Dritthandy). Viele Menschen sind in dieser Hinsicht recht erfindungsreich. Kein Wunder, dass Sie durcheinander sind und nicht wissen, ob unter diesen Trümmern noch Gefühle für Ihren Mann sind.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Ihr Mann macht auf mich den Eindruck eines Menschen, der seine eigenen Bedürfnisse an erste Stelle setzt und wenig Gespür und Einfühlungsvermögen für die Grenzen und Bedürfnisse anderer Menschen aufbringt. Erst wenn es für ihn unbequem wird, versucht er, den Schaden (für sich) zu begrenzen. Er ist auch niemand, der klare Werte hat, nach denen er handelt.
Was mich jetzt am meisten interessiert, ist die Frage: Warum vertrauen Sie Ihren eigenen Beobachtungen und Gefühlen nicht, sondern fragen mich, ob sich diese Ehe noch retten lässt? Sie schreiben auch, dass Sie noch etwas bei ihm hält, was Sie selbst nicht fassen können. Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass Sie sich genau darüber Gedanken machen, warum Sie sich nicht trennen.
- Ist es die Angst vor den Konsequenzen einer Trennung? Das Beste ist in dem Fall, sich die Fakten und Möglichkeiten ganz realistisch anzusehen, z.B. sich von einer Anwältin beraten zu lassen, wie viel Geld Ihnen zusteht, den Wohnungsmarkt zu sichten, nach Jobs zu schauen. Wie wäre es, wenn Sie Ihren Mann dabei bitten, Sie zu unterstützen, z.B. indem er sich häufiger um die Kinder kümmert, Ihnen bei der Bewerbung hilft. Denken Sie nicht, dass mehr Selbstständigkeit Ihnen gut tun würde? Sie sind abhängig von einem Mann, dem Sie nicht vertrauen können - das ist keine gute Position.
- Ist es die Angst vor dem Unbekannten, die Sie an einer immerhin bekannten (wenn auch unglücklichen) Lebensform festhalten lässt?
- Gibt es positive Seiten Ihrer Beziehung, die Sie nicht beschrieben haben? Und wenn ja: Welche sind das? Würden Sie sich mit all dem, was Sie über Ihren Mann wissen, wieder für ihn entscheiden?
- Haben Sie die Hoffnung, dass es doch noch einen Weg gibt, um wieder zusammen zu finden und als Paar glücklich zu werden? Wenn ja: Wie offen ist Ihr Mann für eine Paarberatung? Denn einen Zahn kann ich Ihnen ziehen: Von alleine wird diese verfahrene Beziehung nicht wieder gesund, und selbst eine Paarberatung müsste von Ihnen beiden konsequent angegangen werden und selbst dann müsste man noch auf ein Wunder hoffen… Ein bis zwei Termine bringen in der Regel nichts, und viele Paare brechen leider nach wenigen Sitzungen ab.
Wenn Sie diese Punkte für sich beantwortet haben, würde ich Ihnen raten, regelmäßig Tagebuch zu schreiben, um besser auf Ihre innere Stimme zu hören. Wenn Sie nicht gerne schreiben, kann auch eine Beratung helfen. Es gibt staatliche und kirchliche Beratungsstellen, die auch günstige Sitzungen anbieten. Eine Erziehungsberatungsstelle kann Ihnen auch helfen, die Folgen einer Trennung für die Kinder abzuschätzen. In manchen Fällen ist eine Trennung für die Kinder gut, weil sie zur Ruhe kommen. In anderen Fällen ist eine Trennung der Startschuss zu einem ungeordneten Leben mit vielen Existenzsorgen, wechselnden Partner*innen beider Elternteile und viel Streit zwischen den Eltern - oder sogar dem Verlust eines Elternteils. Auch das sollten Sie sorgfältig abwägen.
Ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, zu sich und Ihrer Gedanken und Gefühlen zu finden - und dann werden Sie auch wissen, ob Sie Ihre Ehe noch retten oder noch einige Zeit aushalten wollen.
Herzliche Grüße
Julia Peirano